Titelaufnahme
- TitelChristoph Sigwart an Vaihinger, Tübingen, 17.5.1895, 3 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXIII, 6 b
- Autor
- Adressat(en)
- Beteiligte
- Entstehung
- Serie
- StandortStaats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXIII, 6 b
- URN
- Social MediaShare
- Archiv
- ▼
Christoph Sigwart an Vaihinger, Tübingen, 17.5.1895, 3 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXIII, 6 b
Tübingen, 17. Mai 1895
Verehrter College
Erlauben Sie, daß ich mich mit einer Frage an Ihre Belesenheit wende. Ich habe kürzlich einen Brief[1] von Johann Christoph Schwab[2] (meinem Großonkel) erworben, in dem er sich beim Adressaten für zwei Abhandlungen über den philosophischen Aberglauben bedankt. Er trägt das Datum 25. Dec[ember] 1804.
Weiter wird Bezug genommen auf Abhandlungen desselben Verfassers – es ist nicht zu ersehen, ob dieselben oder andere, wahrscheinlicher das letztere[a] – worin er ausführt, daß Aristoteles durch seine Kategorien nicht die höchsten und einfachsten Verstandesbegriffe, sondern nur die verschiedenen Classen von Prädicaten habe aufführen wollen, die der Substanz beigelegt werden können. [J. C.] Schwab knüpft daran die Bemerkung: „Die Meinung, daß Aristoteles die einfachsten Verstandesbegriffe habe angeben wollen, | rührt eigentlich von Kant her, und auch ich habe sie, in meiner Preisschrift über den Fortschritt der Philosophie seit Leibniz[b] und [C.] Wolff auf auf seine Autorität angenommen[3], da ich doch hätte wissen sollen, wie Kant alles, was historisch ist, willkürlich und nach seiner jedesmaligen Absicht dreht.“ Ein Kantianer war also der Adressat wohl nicht.
Dann folgt ein räthselhafter Passus:
‚Das letzte Paket, das ich Ihnen zugeschickt, werden Sie erhalten haben. Die Sache interessiert, wie Sie leicht denken können, mich und meinen Sohn (es muß Carl[c] Heinrich Schwab[4] gemeint sein, geb. 1781, Jurist, später Geheimerrath) in einem hohen Grad. Ich denke, wenn [J. G.] Fichte Mitglied der Academie mit 1200 rℓ. wird; so könnte man einem jungen talentvollen Mann wohl eine außerordentliche Professur ohne Gehalt auf einer Universität geben. Indessen weiß ich wohl, daß in dieser Welt sehr viel auf die Umstände ankommt; und ein günstiger Umstand ist es immer für mich, daß Sie und Herr Merian[5] meine Freunde sind.‘[d] |
Können Sie, ohne sich weiter Mühe zu geben – denn die lohnt es ja nicht – aus dem Schatze Ihrer Erinnerungen sagen, wer Abhandlungen über philosophischen Aberglauben geschrieben hat, und wo damals ein Merian Einfluß auf eine Universität haben konnte?
Wenn Sie es wissen[e], so bitte ich um Mittheilung; wenn Sie es nicht wissen, so bitte ich, nicht weiter zu suchen, denn das könnte ich nicht verantworten.
Mit den Freundlichsten Grüßen u. besten Empfehlungen Ihrer verehrten Frau Ihr
C Sigwart.
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
2↑Johann Christoph Schwab ] Johann Christoph Schwab (1743–1821), Philosoph und Schriftsteller, 1778 Prof. für Logik und Metaphysik an der Karlsschule in Stuttgart, 1785 Geheimer Sekretär und Hofrat, 1816 Inspektor sämtlicher Lehranstalten (DBE).3↑ich habe sie … angenommen ] vgl. Schwab, Johann Christoph: Ausführliche Erörterung der von der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin für das Jahr 1791 vorgelegten Frage: „Welches sind die wirklichen Fortschritte, die die Metaphysik [!] seit Leibnitzens und Wolffens Zeiten in Deutschland gemacht hat?“ In: Königl. Preuss. Akademie der Wissenschaften (Hg.): Preisschriften über die Frage: Welche Fortschritte hat die Metaphysik [!] seit Leibnitzens und Wolffs Zeiten in Deutschland gemacht? Von Johann Christoph Schwab […] Karl Leonhard Reinhold […] und Johann Heinrich Abicht […]. Berlin: Friedrich Maurer 1796, S. 1–156 (mit einem Nachtrag, S. 157–170), hier S. 47. Digitalisat: https://www.google.de/books/edition/Preisschriften_%C3%BCber_die_Frage_Welche_Fo/M1rvLcAvgCgC?hl=de&gbpv=1 (5.3.2024).4↑Carl Heinrich Schwab ] Carl Heinrich Schwab (1781–1874), Jurist und Politiker, 1831–1839 Chef des württembergischen Justizministeriums; hatte einen Bruder namens Gustav Schwab (1792–1850), Schriftsteller (https://d-nb.info/gnd/102761493 (28.2.2024); DBE).▲
