Bibliographic Metadata
- TitleChristoph Sigwart an Vaihinger, Tübingen, 17.7.1894, 3 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXIII, 6 b
- Creator
- Recipient
- Participants
- Place and Date of Creation
- Series
- Physical LocationStaats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXIII, 6 b
- URN
- Social MediaShare
- Archive
- ▼
Christoph Sigwart an Vaihinger, Tübingen, 17.7.1894, 3 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXIII, 6 b
Tübingen, 17. Juli 1894.
Verehrter Herr College
Als Ihre freundlichen Zusendungen über Festprogramm u. s. w.[1] eintrafen, überlegten wir eben, ob die Schwierigkeiten, die sich meiner Reise nach Halle[2] entgegenstellen, zu überwinden seien. Meine hier lebende Schwester ist vor 14 Tagen von einem leichten Schlaganfall betroffen worden, von dem sie sich zwar langsam wieder erholt, der sich aber nach der Aussage des Arztes jeden Tag in schwererer Form wiederholen kann; und da meine Frau auch nicht wohl genug ist, um auf alle Fälle[a] auf dem Platze zu sein, so ergeben sich allerhand Bedenken, ob ich wohl weg könne. Die Mittheilungen aber waren so verlockend, daß ich trotzdem es riskieren wollte, auf die Gefahr, eben wieder rasch heimreisen zu müssen. Nun bin ich aber seit gestern von einer Kehlkopfaffection heimgesucht, die mich sonst nur gegen das Ende des Winter|semesters ab und zu befallen hat, und da ich diesen widerwärtigen Zustand nur allzu gut kenne, weiß ich, daß er für mehrere Wochen möglichste Vorsicht, strenge Diät im Essen[b] u. Trinken, u. möglichste Enthaltung von vielem Sprechen bedeutet, falls ich mir nicht eine dauernde Reizung der Stimmbänder zuziehen will. So verdrießlich es für mich ist, bleibt mir nichts übrig, als auf die Theilnahme am Hallenser Jubiläum zu verzichten; u. es ist mir besonders um Ihretwillen herzlich leid, daß Ihre Liebenswürdigkeit sich einem so unsicheren Kameraden zugewendet hat, und Sie nun am Ende durch eine Zusage, die ich besser unterlassen hätte, um einen anderen Ihnen erwünschten Gast kommen; aber ich hatte mich wirklich so auf die Aussicht gefreut, aus meinem ziemlich einförmigen Leben einmal wieder in regeren Verkehr mit alten u. lieben Bekannten zu kommen, daß ich die Wahrscheinlichkeit einer Störung zu gering taxierte, | und im Vertrauen, daß Sie mir auch eine nachträgliche Absage nicht übel nehmen, eben Ihre so sehr willkommene Einladung ergriff. Ich bitte Sie besonders, bei Ihrer verehrten Frau mein Fürsprecher zu sein, damit sie mich nicht für schlimmer hält als ich bin, u. Ihr[c] nochmals meinen u. meiner Tochter herzlichen Dank zu sagen.
Ihre Zeitungen u. Karten[3], die ich gestern noch mit großem Interesse studiert habe, erhalten Sie nächster Tage mit bestem Danke zurück – ich habe sie noch unserem deputierten Schwabe[d][4] gezeigt, der sich gerne orientiert hätte. Die Ausdehnung der Stadt, die ich noch aus eigener Anschauung kenne[5], beträgt nicht ⅓ ihres jetzigen Umfangs.
Dem Collegen [Benno] Erdmann bitte ich noch besonders zu sagen, daß ich sehr bedaure, um die Gelegenheit seine persönliche Bekanntschaft zu machen, gebracht zu sein.
Mit den besten Empfehlungen auch der Meinigen u. herzlichen Wünschen für einen glänzenden Verlauf Ihres Festes Ihr ergebener
C Sigwart.
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑Ihre freundlichen Zusendungen über Festprogramm u. s. w. ] nicht ermittelt; bezieht sich aus dem Folgenden wahrscheinlich auf die 200-Jahr-Feier der Universität Halle-Wittenberg (2.8.–4.8.1894), vgl. Das zweihundertjährige Jubiläum der Universität Halle-Wittenberg. Festbericht erstattet im Auftrag des Academischen Senates von dem Prorector Prof. D. W. Beyschlag. Halle (Saale): Gebauer-Schwetschke’sche Buchdruckerei 1895.4↑unserem deputierten Schwabe ] meint wahrscheinlich Ludwig von Schwabe (1835–1908), klassischer Philologe, 1863 o. Prof., 1865 Direktor der Universitätsbibliothek in Dorpat, 1872 o. Prof. in Tübingen, vgl. https://amburger.ios-regensburg.de/?id=90562 (5.3.2024); besuchte gemeinsam mit dem Rektor der Universität Tübingen, Lothar Meyer, die 200-Jahr-Feier der Universität Halle-Wittenberg, vgl. Das zweihundertjährige Jubiläum der Universität Halle-Wittenberg. Festbericht erstattet im Auftrag des Academischen Senates von dem Prorector Prof. D. W. Beyschlag. Halle (Saale): Gebauer-Schwetschke’sche Buchdruckerei 1895, S. 30.▲