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- TitleVaihinger an Friedrich Theodor Althoff, Wernigerode, 19.5.1889, 4 S., hs., Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin, Vl. HA, Nl Althoff, F. T., Nr. 991
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- Physical LocationGeheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin, Vl. HA, Nl Althoff, F. T., Nr. 991
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Vaihinger an Friedrich Theodor Althoff, Wernigerode, 19.5.1889, 4 S., hs., Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin, Vl. HA, Nl Althoff, F. T., Nr. 991
Wernigerode (Halle a/S.)
den 19. Mai 1889.
Hochzuverehrender[a] Herr Geheimer Ober Regierungsrath!
Heute über Sonntag hier in Wernigerode bei dem Oheim meiner Braut[1] dem hiesigen Oberprediger Riem zu Besuche, benütze ich zugleich die freie Zeit, um Ihnen und Ihrer verehrten Frau Gemahlin unseren ganz ergebensten Dank auszusprechen für die überaus gütige Aufnahme, welche Sie uns heute vor acht Tagen in Berlin zu Theil werden ließen. Ich möchte zugleich diese Gelegenheit ergreifen, um Ew. Hochwohlgeboren über die Gründe Mittheilung zu machen, aus denen ich dieses Mal in Kiel nicht, wie doch vielfach erwartet worden ist, in Vorschlag gekommen[2] bin. Es ist mir nur diese negative Thatsache bekannt, und nach den | mir zu Theil gewordenen Andeutungen liegen die Gründe in folgendem: Die Kieler Facultät scheint dabei von einer ganz ungewöhnlich schroffen Trennung zwischen Systematikern und Historikern ausgegangen zu sein. Die Stelle von Glogau (für den ich wissenschaftlich und persönlich die größte Verehrung hege) sieht man nun als die systematische Professur an und da ich für diese vor 5 Jahren primo loco vorgeschlagen war, so wollte man mich nicht für die historische Professur vorschlagen.
Außerdem scheint man, wohl nur[b] auf Veranlassung der klassischen Philologen, von der Voraussetzung ausgegangen zu sein, daß der Historiker der Philosophie unbedingt in Geschichte der griechischen Philosophie müsse[c] literarisch gearbeitet haben: wenigstens ist mir der Vorwurf gemacht worden, daß ich auf dem Gebiete der griechischen Philosophie keine literarische Arbeit aufzuweisen habe, mit der ich mich | übrigens anläßlich der Vorlesungen ganz eingehend beschäftigt habe: war doch auch klassische Philologie mein Fachstudium. Die Forderung, daß der Historiker der Philosophie auch auf dem Gebiete der griechischen Philosophie müsse eigene Arbeiten veröffentlicht haben, ist jedoch eine ungewöhnliche, und selbst der Geh. Reg. Rath Prof. Dr Zeller, die größte Autorität auf dem Gebiet der griechischen Philosophie, stimmt damit nicht überein. Auch mit jener schroffen Scheidung zwischen Systematikern und Historikern würden wohl die wenigsten Fachmänner einverstanden sein!
Aus diesen Gründen scheint die Kieler philosophische Facultät diesmal von mir abgesehen zu haben.
Im Interesse meines wissenschaftlichen und persönlichen Renommés glaubte ich Ew. Hochwohlgeboren diese Mittheilung machen zu dürfen, ja zu müssen, damit nicht der Verdacht entsteht, | als bestünden etwa sonstige Gründe gegen mich, sei es wissenschaftlicher oder persönlicher Natur.
Ich kann nur noch dem schmerzlichen Bedauern Ausdruck geben, daß solche Mißerfolge und Mißverständnisse auch auf die Arbeitskraft lähmend einwirken; gerade in dem vorzüglichen Klima in Kiel hätte ich auch mein Kantwerk viel besser fördern können, dessen Fortsetzung hier auch darunter leidet, daß ich, als Aushilfskraft, hier zu vielerlei wechselnde Vorlesungen halten muß, anstatt daß ich mich in einer definitiven und selbständigen Stellung zweckmäßiger damit einrichten könnte.
Verzeihen Sie, hochzuverehrender Herr Geh. Ober Reg. Rath, diesen freimüthigen Herzenserguß, und gestatten Sie mir den Ausdruck aufrichtiger Verehrung, mit der ich mich zeichne als Ew. Hochwohlgeboren gehorsamst ergebenster
H. Vaihinger.
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
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