Bibliographic Metadata
- TitleVaihinger an Eduard von Hartmann, Halle, 5.1.1889, 4 S., hs., Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, Nachlass Eduard von Hartmann
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- Physical LocationWürttembergische Landesbibliothek Stuttgart, Nachlass Eduard von Hartmann
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Vaihinger an Eduard von Hartmann, Halle, 5.1.1889, 4 S., hs., Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, Nachlass Eduard von Hartmann
Halle a/S.
5.I.89.
Hoch verehrter Herr!
Empfangen Sie meinen ergebensten Dank für die freundliche Zusage[1] einer Besprechung[2] meiner Broschüre. Gewiß werden Sie im Einzelnen Vieles zu tadeln haben, wenn Sie nur der allgemeinen Tendenz zustimmen.
Wohin die fortgesetzte Agitation durch Preyer u. s. w. führt, sehe ich z[ur] Z[eit] an einem Schreiben, das ein Freund von mir, Prof. Vollmöller in Göttingen[3], dieser | Tage von der National Zeitung erhalten hat. Vollmöller, ein alter Mitarbeiter der N[ational] Z[eitung] (ein sehr angesehener Vertreter der romanischen Philologie) hatte meine Broschüre daselbst besprechen wollen. Diese Besprechung lehnt Frenzel[4] ab mit den Worten: „wir stehen in der angeregten Frage auf Seiten des Prof. Preyer und der Realschule.“
Wenn man das erlebt am grünen Holze, was soll am Dürren werden?[5] –
Besten Dank für die freundliche Nachfrage nach meinem Commentar[6]. Derselbe ist immer noch nicht fortgesetzt. Der mir zu Gebote stehende physische Kraftfonds ist leider ein verhältnißmäßig sehr geringer, | und reicht nur gerade dazu aus, meine Vorlesungen zu halten und mich mit den Fortschritten der Wissenschaften auf dem Laufenden zu erhalten. Besonders so lange ich noch an einzelnen Vorlesungen wesentliche Umgestaltungen vornehmen muß, werde ich keine Zeit zu wissenschaftlicher Produktion finden. Es ist traurig, daß Jemand, der zur Produktion von Hause aus angelegt ist, seine Kraft in Vorlesungen verzetteln muß. Das Vorlesunghalten ist ganz nett und gibt auch eine gewisse Befriedigung, aber das Beste davon kann man den Buben ja doch nicht sagen. Wenn ich unabhängig leben könnte, würde ich die schöne | Existenz, die Sie z[ur] Z[eit] als Privatgelehrter führen, dem „glänzenden Elend“ einer Professur weit vorziehen. Dies natürlich unter uns gesagt.
Meine Bemerkung[7] bezüglich Ihrer früheren Kritik war ganz harmlos gemeint.
In vollkommener Hochachtung Ihr ganz ergebenster
H. Vaihinger
Kommentar der Herausgeber
3↑Prof. Vollmöller in Göttingen ] d. i. Karl Vollmöller (1848–1922) Romanist und Anglist, 1870–1872 Studium in Tübingen, 1872–1873 in Bonn und München, 1876 in Straßburg habilitiert. 1877 ao. Prof. in Erlangen, 1881 o. Prof. in Göttingen (WBIS).4↑Frenzel ] Karl Frenzel (1827–1914), seit 1862 Feuilletonchef der Berliner National-Zeitung (WBIS).5↑am grünen Holze, was soll am Dürren werden? ] geflügeltes Wort nach Lukas 23,31: Denn wenn man das tut am grünen Holz, was wird am dürren werden?6↑meinem Commentar ] zu Kants Kritik der reinen Vernunft; 1. Bd. 1881/1882, 2. Bd. 1892. Mehr nicht erschienen.▲