Bibliographic Metadata
- TitleVaihinger an Ernst Dümmler, Halle, 20.12.1888, 4 S., hs., Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, NL Dümmler
- Creator
- Recipient
- ParticipantsFriedrich Althoff ; Charles Darwin ; Georg Curtius ; Wilhelm Dilthey ; Emil Du Bois-Reymond ; Emilie Dümmler ; Ferdinand Dümmler ; Friedrich III., Deutscher Kaiser („99-Tage-Kaiser“) ; Gottfried Gervinus ; Gustav Konrad Heinrich von Goßler ; Ludwig Friedrich Ernst Höpfner ; Theodor Mommsen ; Wilhelm II., Deutscher Kaiser ; Wilhelm Wehrenpfennig ; William Thierry Preyer ; Eduard Zeller
- Place and Date of Creation
- Series
- Physical LocationBerlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, NL Dümmler
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Vaihinger an Ernst Dümmler, Halle, 20.12.1888, 4 S., hs., Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, NL Dümmler
Halle a/S.
20[a].XII.88
Hochzuverehrender Herr Geheimer Regirungsrath![b]
Schon lange wollte ich Ihnen für die gütige Übersendung[1] Ihres Bildes, das mich ungemein erfreut hat, meinen Dank aussprechen. Ich verschob dies aber absichtlich bis jetzt, wo ich im Stande bin, diesen Dank mit einer kleinen Sendung zu begleiten. Wenn ich auch nicht annehmen kann, daß Ihnen alle meine Ausführungen gefallen werden, so weiß ich ja | doch, daß Ihnen die allgemeine Tendenz meines Vortrages[2] – die Polemik gegen Preyers Angriff auf unser Gymnasium – gewiß sympathisch ist. Meine Rede ist eine Schutzrede für das Gymnasium gegen dessen Verächter. Daß ich mich dabei auf den culturgeschichtlichen Standpunkt stelle, kann Ihnen als Historiker nicht unrichtig erscheinen. Dagegen werden Sie sich wohl mit dem darwinistischen Princip weniger befreunden. Dagegen wird es Sie gewiß interessiren, daß der Historiker Gervinus, wie ich in Anm[erkung] 32 (S. 38) nachgewiesen habe, schon ganz meinen Standpunkt eingenommen hat. |
Ich bin sehr begierig, wie man in Berlin im Ministerium über meine Rede urtheilen wird; an den Minister[3] v[on] Goßler, sowie an Althoff[4], Höpfner[5] und Wehrenpfennig[6] lasse ich zugleich Exemplare abgehen. Wehrenpfennig hat mir schon im September sehr freundlich geschrieben[7] auf den Artikel der „Norddeutschen Allgem[einen] Zeitung“ hin, den ich in der Vorrede auch erwähnt habe[8]. Außerdem sende ich Exemplare an Zeller[9], Dilthey, Mommsen, Curtius, und wenn ich noch weitere Adressen wüßte, an die eine Versendung räthlich erschiene, will ich noch weitere Exemplare versenden. (An Du Bois[c]-Reymond[10] sende ich auch ein Exemplar). Vielleicht können Sie mir, verehrtester Herr Geh[eimer] Rath, hierin Rath geben. | Sie werden ja mit mir darin übereinstimmen, daß man Alles thun muß, um die Gegner des Gymnasiums zurückzudrängen; um so mehr, als man behauptet – mit Recht oder Unrecht? – daß der neue Kaiser[11] dem Gymnasium nicht günstig gesinnt sei.
Haben Sie, verehrtester Herr Geheim. Rath, noch den besten Dank für die werthvollen Nachrichten, die Ihre Mittheilung noch enthielten, und haben Sie die Güte mich Ihrer verehrten Frau Gemalin[12] in empfehlende Erinnerung zu bringen, sowie Ihren Sohn Ferdinand[13] bestens von mir zu grüßen.
In herzlicher Verehrung Ihr ganz ergebenster
H. Vaihinger.
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
2↑meines Vortrages ] vgl. Vaihinger: Naturforschung und Schule. Eine Zurückweisung der Angriffe Preyers auf das Gymnasium vom Standpunkte der Entwicklungslehre. Ein Vortrag in der dritten allgemeinen Sitzung der 61. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte zu Köln am 22. September 1888 gehalten. Köln/Leipzig: Albert Ahn 1889.3↑an den Minister ] Gustav Konrad Heinrich von Goßler (1838–1902), 1881–1891 preußischer Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten (NDB).5↑Höpfner ] Ludwig Friedrich Ernst Höpfner (1836–1915), seit 1894 vortragender Rat im preußischen Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten (WBIS).6↑Wehrenpfennig ] Wilhelm Wehrenpfennig (1829–1900), seit 1879 Oberregierungsrat im preußischen Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten (WBIS).8↑auch erwähnt habe ] vgl. Vaihinger: Naturfoschung und Schule (1889), S. IV: Auch diese Erwartung ist nicht getäuscht worden. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ (Nr. 454 vom Mittwoch, den 26. September d. J.) hat zwar die pädagogischen Grundgedanken meines Vortrages als die richtigen anerkannt und fügt hinzu: „Der historische Entwicklungsgang der menschlichen Kultur darf durch Eliminierung wichtiger Phasen nicht unterbrochen werden. Darin, dass diesem Satze in praktischen Unterrichtssachen die gehörige Geltung verschafft werde, besteht das Wesen der Schulpolitik. Aus einer gerechten Abwägung der Kulturmomente des menschlichen Geistes muss sich auch ergeben, welcher Einfluss jedem derselben bei der Erziehung des heranwachsenden Geschlechts zu sichern ist.“ Aber in demselben, meinem Vortrage gewidmeten Leitartikel wird dann des weiteren ausgeführt, dass die Betonung dieses Prinzips und die daraus fliessende Verteidigung des hohen Wertes der Antike als Bildungsmittels die Anhänger des humanistischen Gymnasiums umsomehr mit „Genugthuung“ erfüllen müsse, als das vom Standpunkte des „Materialismus“ aus geschehen sei: denn die Weltanschauung, welche sich auf den Lehren des englischen Naturforschers Charles Darwin aufbaue, sei eine „entschieden materialistische“ und „befinde sich im schärfsten Gegensatze zu den auf religiöser Grundlage entwickelten Prinzipien“.10↑An Du Bois-Reymond ] Schreiben nicht ermittelt. Gemeint ist Emil Du Bois-Reymond (1818–1896), Physiologe und Wissenschaftspolitiker in Berlin (NDB).11↑der neue Kaiser ] Wilhelm II (Deutscher Kaiser seit 15.6.1888, dem Todestag von Friedrich III; „Dreikaiserjahr“).13↑Ihren Sohn Ferdinand ] der Archäologe Ferdinand Dümmler (1859–1896), 1887–1890 PD in Gießen, anschließend Prof. in Basel (NDB, ADB).▲