Bibliographic Metadata
- TitleCarl du Prel an Vaihinger, Grasstein (Tirol), o. D. [nach 9.8.1888, vor 1892], 2 S., hs., Postkarte an Herrn Dr Hans Vaihinger | Professor der Philosophie | in Halle a. S., Poststempel POSTCONDUCTEUR IM ZUGE | BREGENZ–INNSBRUCK No 318, Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 6 p, Nr. 17
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- Physical LocationStaats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 6 p, Nr. 17
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Carl du Prel an Vaihinger, Grasstein (Tirol), o. D. [nach 9.8.1888, vor 1892], 2 S., hs., Postkarte an Herrn Dr Hans Vaihinger | Professor der Philosophie | in Halle a. S., Poststempel POSTCONDUCTEUR IM ZUGE | BREGENZ–INNSBRUCK No 318, Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 6 p, Nr. 17
Grasstein
Tirol
Brennerbahn
Lieber Freund! Im Verlaufe einer Auseinandersetzung mit der „Allgemeinen Zeitung“[1] wurde mir geschrieben, daß wenn Sie über Kant’s „Vorlesungen über die Metaphysik“ etwas schreiben würden, der Aufsatz angenommen würde. Könnten Sie sich, der Sie ja das Buch entdeckt haben, dazu entschließen[2]? Mir, der ich den mystischen Theil herausgegeben habe, hat man bisher immer nur gesagt, daß ich Kant mißverstanden, darum wäre es erfreulich, wenn Sie diesem einfältigen Geschwätz ein Ende machen und zu einer ernsthaften Kritik auffordern würden. Kant hat in jenen Vorlesungen gegen sein eigenes Verbot die Grenzen der Vernunftkritik überschritten. Wir aber haben ein Recht dazu, weil seither die Mystik Erfahrungswissenschaft[3] geworden ist und gemäß der Vernunftkritik auf die Erfahrung Alles ankommt. Der von | mir betonte mystische Kant läßt sich nicht dadurch beseitigen, daß man gegen ihn den kritischen Kant ausspielt.
Hat nicht auch Windelband über Kant’s „Vorlesungen“[4] etwas geschrieben?
Was macht Ihr Commentar[5]? Ich werde Ihnen in Bälde eine kleine Schrift[6] senden.
Semper idem
du Prel
Kommentar der Herausgeber
2↑dazu entschließen ] für die Allgemeine Zeitung (München) nicht nachgewiesen. Vgl. Vaihinger (mit Alois Riehl): Bericht über die neuere Philosophie bis auf Kant für die Jahre 1888 und 1889. Von Benno Erdmann in Halle a. S. [!] Vierter Teil. In: Archiv für Geschichte der Philosophie 4 (1891), S. 719–737, darin von Vaihinger S. 721–723: Im. Kant’s Vorlesungen über Psychologie. Mit einer Einleitung: „Kant’s mystische Weltanschauung“, herausgegeben von Dr. Carl Du Prel. Leipzig, Günther. 1889. (LXIV u. 96 S.) Wörtlicher Abdruck des Abschnittes: 3) Psychologie (S. 125 bis 261) in den von Pölitz herausgegebenen „Vorlesungen Kant’s über die Metaphysik“, (Erfurt 1821), in der Absicht, zu zeigen, dass Kant in diesen Vorlesungen die (10) Hauptgedanken des modernen Mysticismus antecipirt habe. „Freilich wäre K. falsch definirt, wenn ich ihn darum einen mystischen Philosophen nennen würde; aber leugnen lässt sich nicht, dass in seinen Schriften zerstreut und keimartig alles sich findet, was, vereinigt und in systematische Verbindung gebracht, zu einer mystischen Weltanschauung zusammenwächst.“ Was sich nicht leugnen lässt, was aber auch darum aufmerksameren Lesern Kant’s immer aufstiess, ist, dass Kant in seiner vorkritischen Zeit gerne (nach Laas, Ideal. u. Pos. I, 168 ff. allzugerne) mit Swedenborg’schen Gedanken spielte; die „Träume“ von 1766 sind, wie schon Riehl, Krit. I, 229 N. mit Recht gegen K. Fischer bemerkt, nicht „pure Persiflage, nicht das unbefangene reine Auslachen, sondern ein humoristisches, mit Ernst versetztes Lachen“. Auch in der Dissertation von 1770, § 22 spielt K. mit dem Gedanken, der räumliche Zusammenhang der Erscheinungen sei das Phänomen der Allgegenwart Gottes. Aber er will doch nicht „in altum indagationum ejusmodi mysticarum provehi“. Dass K. auch in der Zeit der weiteren Umbildung des Kriticismus mit der Idee einer „mystischen Welt“ (K.’s Reflexionen Ed. B. Erdmann, II, N. 1291) gespielt habe, beweisen die Pölitz’schen Vorlesungen, welche nach B. Erdmann’s Nachweis (Phil. Mon. 1883, 129 ff., 1884) aus der Zeit um 1774 stammen. Wenn sie aber auch erst 1788 und 1789 fielen, so bliebe doch Riehl’s Urtheil über dieselben geltend, welcher auch schon a. a. O. die von Du Prel bes. betonte Stelle anführt: „Die Gedanken des Swedenborg sind hierin sehr erhaben. Er sagt: Die Geisterwelt macht ein besonderes reales Universum aus; dieses ist der mundus intelligibilis, der von diesem mundo sensibili muss unterschieden werden“ u. s. w. Riehl nennt dies mit Recht „private Vorstellungen des von pietistischen Eltern abstammenden und erzogenen Philosophen“. In seinen kritischen Werken hat Kant jene grob-dogmatischen Vorstellungen zu „Ideen der praktischen Vernunft“ abgeklärt, am besten in einer wenig beachteten Stelle der Kr. d. r. V. (A 808, B 836), wo er das „corpus mysticum der vernünftigen Wesen“ als „eine blosse, aber doch praktische Idee“ von hohem sittlichem Werthe darstellt.6↑eine kleine Schrift ] gemeinte nicht ermittelt. Vgl. für die in Frage kommenden Titel die Bibliographie in Tomas Kaiser: Zwischen Philosophie und Spiritismus: (Bildwissenschaftliche) Quellen zum Leben und Werk des Carl du Prel, 2006 (http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:luen4-opus-110843 (19.8.2024)).▲