Bibliographic Metadata
- TitleRichard Avenarius an Vaihinger, Hottingen/Zürich, 2.2.1883, 3 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 1 m, Nr. 17
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- Physical LocationStaats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 1 m, Nr. 17
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Richard Avenarius an Vaihinger, Hottingen/Zürich, 2.2.1883, 3 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 1 m, Nr. 17
Lieber Herr Kollege!
Für heute nur ein paar freundschaftl[iche] Worte! Ich glaube annehmen zu dürfen, dass Sie geneigt sein würden, der Nachfolger Glogau’s[1] am hiesigen Polytechnikum zu werden. So sehr ich nun[a] überzeugt bin, dass das kein Platz für Sie ist, so wol[b] begreife ich auch, dass Ihnen vorläufig[c] die Hauptsache ist, überhaupt nur einen Platz für Sich zu finden. Leider stehe ich nun aber zur maßgebenden Behörde am Polytech[nikum] in gar keiner Verbindung, wie Sie solche für Ihre Wünsche brauchen könnten. Ich kann daher nichts tun, als Ihnen, wie Anderen auch, den Rat geben[d], sich – was hier nicht gegen den Brauch ist – direkt beim „Präsidenten des eidgenöss[ischen] Schulrates“ Herrn C Kappeler[2] (Zürich)[e] um[f] die Professur, die aber eigentlich noch gar nicht definitiv gegründet ist, (Gl[ogau] war nur „provisorisch“ angestellt), zu bewerben; wenn Sie wollen, unter Berufung auf mich. Freilich kann ich Ihnen nicht verhehlen, dass Sie möglicherweise nicht der Einzige sein werden, der sich auf mich berufen würde. Die Zahl der Aspiranten ist | erschreckend gross u. verschiedene Schweizer sind darunter. – Öffentlich[g] ausgeschrieben zur allgem[einen][h] Bewerbung ist die Stelle, soviel ich weiss, auch[i] noch nicht; Sie können sich ja bei K[appeler] damit introduciren, dass Sie das eben auch nicht wüssten.
Sollte, wie ich allerdings fürchte, es mit dem Polytechn[ikum] nichts werden, so dürfen Sie nicht allzu verstimmt werden. Vielleicht fällt Ihnen doch noch Graz[3] zu – u. vielleicht können auch doch noch einmal mit mir selbst Veränderungen eintreten, die mich in Stand setzen, hier für Sie ein gutes Wort einzulegen. Bis jetzt weiss ich freilich von solchen Veränderungen nichts – u. dürfte Ihnen auch nicht allzuviel Hoffnung machen, wenn ich etwas wüsste. Aber gern helfen möchte ich Ihnen doch! Schreiben Sie mir doch gelegentlich, worüber Sie schon u. mit welchem Erfolg faktisch gelesen[4] haben; Ihre Kant-Seminare[5] würden nicht recht in’s Gewicht fallen.
Und nun verzeihen Sie, wenn ich vertraulicher, | als ich wohl dürfte, über Möglichkeiten gesprochen, die noch gar nicht einmal als solche recht zu bezeichnen sind. –
Für mich möchte ich noch eine Bitte hinzufügen. Es wäre mir recht erwünscht, wenn ich in einem der nächsten Hefte – am liebsten schon im 2.t – von Ihnen eine Arbeit[6] veröffentlichen könnte, die nicht der Kantph.[j] angehörte – etwa etwas Psychologisches oder Erkenntnisstheoretisches? Wollen Sie mir etwas schicken?
Und dann noch Eines: wenn Herr[k] Kollege Windelband seinen 3. Band heraus hat, müssen Sie Sich entschliessen, über das ganze Werk bei mir zu resümieren. Sie haben darüber schon in anderen[l] Zeitungen[7] geschrieben, nun lassen Sie die Vierteljahrsschrift[m] an die Reihe kommen.
Mit besten Grüssen Ihr ergebenster
R. Avenarius
Hottingen b/Zürich, 2. Febr[uar] 83.[8]
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑Nachfolger Glogau’s ] Gustav Glogau (1844–1895) hatte sich 1878 am Polytechnikum Zürich habilitiert, wurde dort 1882 Prof. und ging 1883 als ao. Prof. nach Halle, 1884 o. Prof. in Kiel. Vaihinger wurde 1884 Glogaus Hallenser Nachfolger (BEdPh).2↑Kappeler ] Johann Karl Kappeler (1816–1888), Jurist, nach Studium in Zürich, Heidelberg und Berlin 1839 Thurgauer Anwaltspatent, 1843–1857 Thurgauer Kantonsrat (1850–1852 u. 1856–1857 Präsident), 1850–1857 Präsident des Thurgauer Obergerichts, 1848–1881 Ständerat (1851–1852, 1854–1855, 1872, 1881 Präsident), 1854–1857 Mitglied des Bundesgerichts, 1857–1888 Präsident des eidgenössischen Schulrats und damit Vorsteher des Polytechnikums in Zürich (Historisches Lexikon der Schweiz).3↑Graz ] zur Nachfolge von Alois Riehl (BEdPh), vgl. Bartholomäus von Carneris Schreiben an Vaihinger von November 1882 bis November 1883.4↑mit welchem Erfolg faktisch gelesen ] an Vorlesungen hatte Vaihinger in Straßburg bis dahin gehalten: SS 1877: Logik (vgl. Philosophische Monatshefte 13 (1877), S. 249; im Straßburger Vorlesungsverzeichnis nicht aufgeführt); WS 1877/78: Die Hauptsysteme der älteren und neueren Philosophie; WS 1880/81: Geschichte der Philosophie im XIX. Jahrhundert (von Kant bis zur Gegenwart); WS 1881/82: Geschichte der neueren Philosophie (Cartesius bis zur Gegenwart); WS 1882/83: Allgemeine Geschichte der Philosophie. Vgl. https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/cb328882334/date.item (6.8.2024); die dort reproduzierten Exemplare der Straßburger Vorlesungsverzeichnisse aus der Bibliothèque Nationale et Universitaire de Strasbourg befanden sich zuvor im Bestand der Kaiserlichen Universitätskasse und weisen mittels hs. Einträge die eingenommenen Hörergelder für die gebührenpflichtigen Vorlesungen nach.6↑von Ihnen eine Arbeit ] Vaihinger hat keine Arbeit der angedeuteten Richtung in der Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie veröffentlicht.7↑darüber schon in anderen Zeitungen ] vgl. Vaihingers Besprechungen: Die Geschichte der neueren Philosophie in ihrem Zusammenhange mit der allgemeinen Cultur und den besonderen Wissenschaften, dargestellt von Dr. W. Windelband, ord. Prof. der Philosophie an der Universität Freiburg i. B. Erster Band. Von der Renaissance bis Kant. Zweiter Band. Von Kant bis Hegel und Herbart. Leipzig, Breitkopf und Härtel. 1878 und 1880. In: Deutsche Rundschau, Bd. 27 von April-Mai-Juni 1881, S. 309–311; sowie: Wilhelm Windelband, Die Geschichte der neueren Philosophie in ihrem Zusammenhange mit der allgemeinen Cultur und den besonderen Wissenschaften. Erster Band: Von der Renaissance bis Kant. Zweiter Band: Von Kant bis Hegel und Herbart. Leipzig, Breitkopf und Härtel. 1878–1880. In: Im neuen Reich 11 (1881), Bd. 1 von Januar–Juni, S. 187–189. Einen dritten Band hat Windelband nicht erscheinen lassen.8↑2. Febr[uar] 83. ] die Datierung 2.3.1883 in den 1966 vorgelegten Briefregesten trifft nicht zu, vgl.: Der Nachlass des Philosophen Hans Vaihinger. Alphabetisches Verzeichnis der Briefe von A–M. Vorgelegt von Gunhild Meier und Leonore Schmidt (Staatsbibliothek Bremen). Bremen 1966. Für die Online-Ausgabe: Bremen: Staats- und Universitätsbibliothek 2016 (https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:46:1-7219 (6.8.2024)).▲