Bibliographic Metadata
- TitleVaihinger an Eduard Zeller, Straßburg, 22.11.1882, 4 S., hs., Universitätsbibliothek Tübingen, http://idb.ub.uni-tuebingen.de/opendigi/Md747-782
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Vaihinger an Eduard Zeller, Straßburg, 22.11.1882, 4 S., hs., Universitätsbibliothek Tübingen, http://idb.ub.uni-tuebingen.de/opendigi/Md747-782
Straßburg i/E 22 Nov[ember] 1882
Hochzuverehrender Herr Geheimerath![a]
Zu meinen gestrigen Ausführungen[1] erlaube ich mir ganz ergebenst nachzutragen, daß unterdessen aus Halle bestimmtere Nachrichten hier eingelaufen sind. Herr Professor Gerland hat die Mittheilung erhalten, daß ich nun doch nach Glogau in zweiter Linie in Vorschlag gebracht worden bin. Es sei zugleich der Wunsch ausgesprochen worden, | daß der neue Extraordinarius auch die griechische Philosophie cultivire. Wenn ich mir erlauben darf, von mir selbst zu reden, so würde ich dieser Forderung immerhin Genüge zu leisten vermögen, wie ich glaube. Mit griechischer Philosophie habe ich mich von jeher mit großer Vorliebe beschäftigt. Schon als Student habe ich sämtliche fünf Bände Ihres großen monumentalen Werkes[2] von A bis Z ausgezogen, ein Auszug, der mir noch heute zur Übersicht sehr dienlich ist. Im Seminar[3] behandelte ich hier mehrfach platonische Dialoge, bes[onders] den Theätet und die Politeia; zu monographischen Arbeiten über dieselben | habe ich Material genug gesammelt. Ich habe mir außerdem eine ganze Reihe von Themata zur Bearbeitung (eventuell für Dissertationen) vorgemerkt, beständig Stoff dazu zusammengetragen, auch einige Arbeiten angefangen[4], so über den neuerdings viel und theilweise unrichtig besprochenen Begriff der φύσις. Und gegenwärtig behandle ich (zum zweiten Male) Geschichte der griechischen Philosophie ausführlich im Colleg[5]. An der Ausführung jener Arbeiten hat mich die Concentration gehindert, die mir bei meinem Kantwerke[6] bis zu dessen Vollendung als unerläßliche strenge Pflicht erscheint. Ich erhalte mich aber natürlich immer auf dem Laufenden. |
Durch den Vorschlag in Halle öffnet sich nun die Möglichkeit für mich, durch eine definitive Stellung der unangenehmen Nothwendigkeit einer Umhabilitierung zu entgehen, deren Folgen sich nicht voraussehen lassen und welche für einen 31jährigen Mann nach einer Wirksamkeit von 12 Semestern keine leichte Sache ist. Sollten Sie, hochzuverehrender Herr Geheimerath, Ihre hochvermögende Fürsprache für mich geltend zu machen in der Lage sein, so bitte ich Sie von Herzen, Ihr freundliches Wohlwollen und Ihre gütige Theilnahme für mich auch dieses Mal zu bethätigen.
Genehmigen Sie, hochzuverehrender Herr Geheimerath, den wiederholten Ausdruck der innigsten Dankbarkeit, der tiefsten Verehrung von Ew. Hochwohlgeboren aufrichtig ergebenstem
H. Vaihinger
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
2↑Ihres großen monumentalen Werkes ] vgl. Zeller: Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung (zuerst 1844–1852).5↑im Colleg ] laut den Vorlesungsverzeichnissen hatte Vaihinger an der Universität Straßburg gehalten bzw. angeboten: SS 1877 Im philosophischen Seminar: Platons Theaetet; WS 1877/78 Im philosophischen Seminar: Ausgewählte Abschnitte aus Plato’s Republik; WS 1882/83 Allgemeine Geschichte der Philosophie. Im philosophischen Seminar: Erklärung von Kant’s „Kritik der reinen Vernunft“.6↑Kantwerke ] gemeint ist Vaihingers Commentar zur Kritik der reinen Vernunft, 2 Bde. 1881/1882 u. 1892.▲