Bibliographic Metadata
- TitleAlois Riehl an Vaihinger, Bruneck (Tirol), 9.8.1882, 7 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXIII, 4 a
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- Physical LocationStaats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXIII, 4 a
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Alois Riehl an Vaihinger, Bruneck (Tirol), 9.8.1882, 7 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXIII, 4 a
Bruneck d. 9. Aug[ust] 1882.
Verehrter Herr College!
Empfangen Sie meinen Dank für das Vertrauen, das Sie mir gewährt und womit Sie mir das Eintreten für Ihre Person und im Sinne Ihrer Wünsche sehr erleichtert haben. Ich werde gewiß nicht ermangeln, meine Herren Collegen von den Verhältnissen zu unterrichten, die Ihnen trotz einer sehr eifrigen und gediegenen litterarischen Tätigkeit[a] und mehrjährigen akad[emischen] Wirksamkeit die Erlangung einer a. o. Professur bisher nicht ermöglicht[1] haben.
Für Ihre freundlichen Glückwünsche und die Hoffnungen, die Sie zu meiner Ernennung[2] ausgesprochen haben, sage ich Ihnen gleichfalls aufrichtigen Dank.
Ihre Gesinnungen gereichen mir zu wahrer Freude und Sie dürfen überzeugt sein, daß ich dieselben erwidere und mit aller Zuver|sicht auf Ihre bewährte Arbeitskraft Sie gerne[b] als meinen Nachfolger im Amte wissen möchte. Ich will Ihnen aber den Stand der Dinge, so wie ich ihn beurteile, erklären. Vorerst bin ich noch gar nicht über meine Wünsche bezüglich meines Nachfolgers gefragt worden. Seit Ende Juli sind bei uns Sommerferien – die Vorlesungen werden schon am 17. geschlossen – außerdem ist meine[c] formelle Entlassung aus dem K. k. [d]Staatsdienste noch nicht herabgelangt, obschon ich seit mehreren Tagen von der erfolgten Ernennung zum Professor in Freiburg amtlich[e] in Kenntnis gesetzt bin. Die Facultät hatte also bisher keine Veranlassung, die Wiederbesetzungsfrage in Angriff zu nehmen und wird dieselbe voraussichtlich erst mit Beginn des Studienjahres in Verhandlung nehmen.
Daß ich bei dieser Gelegenheit um meine Wünsche und Vorschläge gefragt werde, steht wohl außer Zweifel, sowie, daß meine Darlegung nicht | ohne bestimmenden Einfluß sein wird. Ich bin nun entschlossen, in diesem Falle Sie der Facultät angelegentlichst zu empfehlen.
Welchen Erfolg aber der Facultäts-Vorschlag, an dem ich kaum zweifle, in Wien haben wird, vermag ich bei der Unberechenbarkeit der Absichten unserer gegenwärtigen Unterrichtsverwaltung nicht anzugeben. Tatsächlich – und es ist dies wenig erfreulich für Sie – sind in letzter Zeit ähnliche Anträge unserer Seite maßgebenden Ortes immer unberücksichtigt geblieben, so daß unser Vorschlagsrecht bald zu einer reinen Formsache herabsinken wird. Ich mußte Ihnen dies öffnen, damit Sie über die Nachricht von dem erfolgten Vorschlag Ihrer Person an erster Stelle hin[f] nicht zu Erwartungen, die sich vielleicht nicht erfüllen werden, veranlaßt werden sollten.
Ich vermute vielmehr, man werde über unseren Vorschlag, wie es wiederholt geschah sich[g] hinwegsetzen und | etwa den Professor d[er] Philos[ophie] in Czernowitz[h][3] hieher verpflanzen, um dorthin einen von[i] den beiden Privatdocenten des Faches in Wien zu senden. –
Ich würde Ihnen dringend empfehlen, auf geeignete Weise zu versuchen, den Herrn Hofrath Zimmermann[4] in Wien für Ihre Wünsche zu gewinnen. Doch dürfen Sie sich ihm gegenüber (ich spreche ganz unumwunden und vertraulich) nicht allzu lebhaft auf meine Empfehlung berufen. Diese könnte leicht das Gegenteil einer Empfehlung sein – da der Herr Hofrath als Herbartianer nicht allzu günstig von mir denkt oder zu denken scheint. Denn allerdings kann ich mich über ihn persönlich nicht beklagen.
Ich rate Ihnen also nachdem Sie von dem erfolgten Vorschlag der Großen Facultät verständigt sein sollten, sich brieflich an Zimmermann zu wenden, damit | derselbe[j] ein empfehlendes und unterstützendes Wort für Sie einlege.
Sie sehen, daß mir sehr vieles daran liegt, Ihren Wünschen zu entsprechen. Ich würde Ihnen sonst diesen Umweg, der fast etwas diplomatisches hat, nicht gezeigt haben.
Ob Zimmermann augenblicklich vielen Einfluß auf die maßgebenden Persönlichkeiten besitzt oder nicht, weiß ich freilich nicht zu sagen. Irgend welchen dürfte eine Empfehlung seinerseits immerhin ausüben.
Ich wünsche sehr, daß Sie die Erfüllung Ihres Strebens bald kommen sehen und wäre aufrichtig erfreut, wenn ich dies eben so sehr hoffen könnte, als ich es wünsche. |
Für die Mitteilung des Wundt’schen Briefes[5], den ich mir zum Zwecke: ihn eventuell dem Berichte beizulegen zurückzubehalten erlaube – falls Sie ihn nicht ausdrücklich zurück wünschen! bin ich Ihnen verbunden, da mir derselbe sehr zur rechten Zeit zukommt.
Wundt’s Empfehlung ist für mich und gewiß auch meine Collegen von nicht zu unterschätzender Bedeutung.
Prof. Laas hat mir ohnehin über Sie in der geeigneten Weise geschrieben – kurz empfohlen sind Sie uns auf das nachdrücklichste – und wie ich Ihre Tüchtigkeit schätze – wissen Sie. |
Leben Sie wohl verehrter Herr College und seien Sie von meinem Eifer, für Sie einzutreten überzeugt. Mit dem Ausdruck meiner aufrichtigen Hochschätzung bin ich Ihr
A Riehl.
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑bisher nicht ermöglicht ] vgl. z. B. Vaihinger an Eduard Zeller vom 10.6.1882 und an Bartholomäus von Carneri vom 1.12.1882.2↑meiner Ernennung ] als o. Prof. in Freiburg im Breisgau (Nachfolge Windelband, BEdPh). Zuvor lehrte Riehl in Graz.3↑in Czernowitz ] in Czernowitz lehrten 1879–1880 Anton Marty (danach in Prag), gefolgt von Georg Elias Müller (bis 1881), 1881–1885 Carl Ueberhorst, 1887–1892 Anton Elter, gefolgt von Rudolf Hochegger sowie Richard Wahle, vgl.: Die K. k. Franz-Josephs-Universität in Czernowitz im ersten Vierteljahrhundert ihres Bestandes. Festschrift hg. vom Akademischen Senate. Czernowitz: Bukowinaer Vereinsdruckerei 1900, S. 96–97.4↑Hofrath Zimmermann ] Robert von Zimmermann (1824–1898), seit 1861 o. Prof. der Philosophie an der Universität Wien, 1874 zum Hofrat ernannt, 1886/1887 Rektor (https://geschichte.univie.ac.at/de/personen/robert-von-zimmermann-o-univ-prof-dr-phil (5.8.2024); BEdPh).5↑Mitteilung des Wundt’schen Briefes ] offenbar ein Empfehlungsschreiben; nicht ermittelt; vgl. Wilhelm Wundt an Vaihinger vom 20.6.1882.▲