Bibliographic Metadata
- TitleVaihinger an Friedrich Zarncke, Straßburg, 13.10.1881, 4 S., hs., Universitätsbibliothek Leipzig, Nachlass Zarncke, NL 249/1/V/17
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- Physical LocationUniversitätsbibliothek Leipzig, Nachlass Zarncke, NL 249/1/V/17
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Vaihinger an Friedrich Zarncke, Straßburg, 13.10.1881, 4 S., hs., Universitätsbibliothek Leipzig, Nachlass Zarncke, NL 249/1/V/17
Straßburg i/E den 13 October 81
Verehrtester Herr Professor![a]
Die vor einigen Tagen abgesandten Recesionen[1] werden in Ihren Händen sein. In der Recension über Bestmann[2], Christliche Sitte ist der Passus, in welchem dem Verfasser „Knigges Umgang mit Menschen“ empfohlen wird, wol gestanden, und erlaube ich mir die Bitte, daselbst gütigst den Ausdruck dahin abzuändern[3], daß dem Verf[asser] „ein weniger persönlicher, ein sachlicher Ton anzuempfehlen sei“.
Die Recensionen kosten mich allerdings viel Zeit und Mühe, doch bin ich gerne zur Übernahme solcher auch fernerhin bereit, und erlaube mir nur die Bitte, die eventuellen Zusendungen auf Erkenntnistheorie, | (speciell Kantphilologie), Logik,[b] allgemeine Weltanschauung, und etwa noch Geschichte der neueren Philosophie einzuschränken. Psychologie,[c] Ethik, Rechtsphilosophie, Aesthetik, Religionsphilosophie, Griechische und mittelalterliche Philosophie[d] bitte ich auszuschließen. Ich bin deßhalb auch heute[e] in der unangenehmen Lage, Einige der mir freundlich anvertrauten Recensenda retourniren zu müssen, da mir bei bestem Willen die Zeit fehlt, mich in die betreffenden Details einzuarbeiten. Es sind dies: Zeller, Ethik, Spitta, Willensbestimmungen, Hauschild, Tertullian, Artemidoros, Träume[4]; die beiden letzten fallen in die Domaine Ihres Collegen, Herrn Professor Dr Heinze[f], der ausgezeichneter Kenner der griechischen und mittelalterlichen Philosophie ist und auch im philologischen Jahresbericht[5] einen großen Theil der griechischen | Philosophie behandelt.
Ihr Zutrauen zu meiner Empfehlung etwaiger Recensenten[6] ist mir sehr ehrenvoll. Für Ethik, Religionsphilosophie und Pädagogik möchte ich auf Professor Dr Paulsen[g] in Berlin aufmerksam machen, der, so viel ich weiß, in der „deutschen Lit[eratur]zeitung“[7] nicht mitarbeitet, also Zeit hat[h] und ein großer Kenner jener Disciplinen ist. Dasselbe gilt von Professor Baumann in Göttingen, der aber als Älterer vielleicht nicht gerne Recensionen übernimmt das thut viel eher Professor Class in Erlangen[i]. Psychologie[j] würde vielleicht[k] außer Georg Elias Müller[l] in Göttingen auch Windelband in Freiburg oder Spitta in Tübingen übernehmen. In Bezug auf Aesthetik[m] weiß ich Niemand zu nennen außer Siebeck in Basel, der fast der Einzige ist, der sich mit Aesthetik beschäftigt; derselbe wäre für Psychologie[n] ebenfalls sehr warm zu empfehlen. – Nur Ihre ehrenvolle Aufforderung ermuthigte mich zu dem Wagniß, | Ihnen diese unmaßgeblichen Empfehlungen zu unterbreiten. Professor Laas hier ist leider zu sehr beschäftigt, wie er mir mittheilte, Sie werden ja aus langjähriger Erfahrung als Redacteur selbst am besten die Bedenken kennen, welche sich hier geltend machen, vor Allem Mangel an Zeit. – Das System der vorherigen Anfragekarte, das die deutsche Literatur Zeitung einführte, wird von Vielen vorgezogen, da man einmal Zugesandtes oft ebenso ungern retournirt, als ungerne recensirt.
Die Ursprungsbestimmung des später in meinen Besitz übergehenden Goethebildnisses[8] hat mich natürlich sehr interessirt; ich danke bestens für die Freundlichkeit.
In aufrichtiger Hochachtung Ew Hochwohlgeboren ganz ergebener
H. Vaihinger
Kommentar zum Textbefund
g↑Paulsen ] zusätzlich mit Blaustift unterstrichen; Name mit Rotstift ausgestrichen, darüber von anderer Hd.: vielleicht nichtKommentar der Herausgeber
3↑Ausdruck dahin abzuändern ] für die Druckfassung scheint der ganze Satz gestrichen worden zu sein, denn es findet sich darin kein Apell zur Mäßigung an Bestmann.4↑Zeller, Ethik, Spitta, Willensbestimmungen, Hauschild, Tertullian, Artemidoros, Träume ] davon sind lediglich über Spitta (Willensbestimmung, in: Litarisches Centralblatt, Nr. 11 vom 11.3.1882) sowie über Hauschild (Tertullian, in Nr. 52 vom 23.12.1882, gezeichnet Sp…a.) Rezensionen nachgewiesen.5↑philologischen Jahresbericht ] vgl. den seit 1882 Jahrgang für Jahrgang verschobenen Literaturbericht von Max Heinze: Bericht über die in den Jahren 1881–1886 erschienenen auf die nacharistotelische Philosophie bezüglichen Schriften. In: Jahresbericht über die Fortschritte der classischen Altertumswissenschaft (Conrad Bursian/Iwan Müller). 50. Bd. 15. Jg. 1887. 1 Abt. Griechische Klassiker. Berlin: S.Calvary & Co. 1889, S. 34–133.6↑Empfehlung etwaiger Recensenten ] von den im Folgenden genannten gehörte neben Georg Elias Müller nur noch Wilhelm Windelband zu den Mitarbeitern der Zeitschrift Literarisches Centralblatt, vgl. Verzeichnis der Mitarbeiter aus den Jahren 1850–1899. In: Literarisches Centralblatt, Nr. 1 vom 6.1.1900, Sp. 5–28.8↑Ursprungsbestimmung des später in meinen Besitz übergehenden Goethebildnisses ] vgl. Vaihinger an Zarncke vom 23.6.1881▲