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- TitleDavid Friedrich Strauß an Vaihinger, Ludwigsburg, 16.1.1873, 2 S., hs., Deutsches Literaturarchiv Marbach, A:Strauß, David Friedrich
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- Place and Date of Creation
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- Physical LocationDeutsches Literaturarchiv Marbach, A:Strauß, David Friedrich
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David Friedrich Strauß an Vaihinger, Ludwigsburg, 16.1.1873, 2 S., hs., Deutsches Literaturarchiv Marbach, A:Strauß, David Friedrich
Ludwigsburg[a] 16. Jan[uar] 1873.
Geehrter Herr!
Daß ich Ihr freundliches Schreiben[1] vom 8. Nov[ember] v[origen] J[ahres] so lange unbeantwortet gelassen, haben Sie sich vielleicht zurechtgelegt, vielleicht auch nicht. In jedem Fall hätten Sie sich selbst wie mir Unrecht gethan, wenn Sie daraus geschlossen hätten, daß Ihr Brief mir nicht herzliche Freude gemacht habe. Ich bin durch schmerzliche Erfahrung so gründlich belehrt, wie selten echtes Wohlwollen im Leben ist, daß ich ein solches hochzuhalten weiß und festzuhalten suche, wo es sich mir bietet. Aber Ihr freundliches Wort fiel eben in meinen Umzug hinein, und noch hatte ich meine paar Möbel und Bücher nicht vollständig unter Dach gebracht, als aus Veranlassung meines | Buchs[2] das Hagelwetter über mich hereinbrach, dessen Geklapper auf Ziegeln und an Fensterscheiben jedes Wort, das ich zu Ihnen hätte hinüberrufen mögen, unvernehmbar gemacht haben würde. Und dem Ansehen nach haben die Aristophanischen Göttinnen[3] noch eine solche Menge ähnlicher Geschosse im Vorrath, daß, wollt’ ich warten, bis das Unwetter sich ganz verzogen hätte, Sie vollends an mir irre werden müßten. Also lieber jetzt, so kurz als die Situation mich dazu zwingt, doch nicht minder herzlich, den schönsten Dank[b] für Ihr freundliches Wort und die besten Wünsche für Ihre ferneren Studien von Ihrem ergebenen
D. F. Strauß.
Kommentar zum Textbefund
a↑Ludwigsburg ] links oben von anderer Hd.: Brief von David Friedr. Strauß | an stud phil. & theol. H. Vaihinger | (im Tübinger Stift 1870–1874)Kommentar der Herausgeber
3↑die Aristophanischen Göttinnen ] Anspielung auf Aristophanes’ Komödie Die Wolken (αἱ νεφέλαι, 423 v. Chr.), worin, in Karikierung der Sophistik, Sokrates die blitzdonnerhagelgewaltigen Wolken zu den einzigen Göttinnen erklärt.▲
