Bibliographic Metadata
- TitleVaihinger an Gottfried Meyer, Halle, 17.12.1915, 3 S., Ts. mit eU, Briefkopf (Stempel) Kantgesellschaft | Prof. Dr. Vaihinger | Halle a. S. | Reichardtstrasse 15., Universitätsarchiv Halle-Wittenberg, Rep. 6, Nr. 1863, Bl. 282 (Universitäts-Kuratorium zu Halle a. S. Spezial-Acten betreffend Kantgesellschaft und Kantstiftung. 1904–1916.)
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- Place and Date of Creation
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- Physical LocationUniversitätsarchiv Halle-Wittenberg, Rep. 6, Nr. 1863, Bl. 282 (Universitäts-Kuratorium zu Halle a. S. Spezial-Acten betreffend Kantgesellschaft und Kantstiftung. 1904–1916.)
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Vaihinger an Gottfried Meyer, Halle, 17.12.1915, 3 S., Ts. mit eU, Briefkopf (Stempel) Kantgesellschaft | Prof. Dr. Vaihinger | Halle a. S. | Reichardtstrasse 15., Universitätsarchiv Halle-Wittenberg, Rep. 6, Nr. 1863, Bl. 282 (Universitäts-Kuratorium zu Halle a. S. Spezial-Acten betreffend Kantgesellschaft und Kantstiftung. 1904–1916.)
17.12.1915.
Hochverehrter Herr Geheimer Oberregierungsrat!
Aus der Ruesch-Stiftung[1] von 3000 M.- „für notleidende Philosophen“ habe ich im Anschluss an mein Schreiben vom 18. Mai d[es] J[ahres] und nach vorhergehender Rücksprache mit Ihnen auf Grund Ihrer Genehmigung folgende Unterstützungen ausgezahlt:
1. An Dr. Bluwstein in Rom[2] 330 M.-
2. An Privatdozent Dr. Oesterreich-Tübingen[3] 300 M.-
3. An Privatdozent Bergmann-Leipzig[4] 200 M.-
4. An Schriftsteller Kubsch-Berlin[5] 100 M.-
5. An Dr. Liebert in Berlin 500 M.-
Summe: 1430 M.-
Diese Zahlungen fanden im Mai, Juni und Juli dieses Jahres statt. Seit dieser Zeit ist nichts mehr ausgezahlt worden. Der verfügbare Rest beträgt 1570 M.-
Ich möchte mir nun erlauben, zu dem bevorstehenden Weihnachtsfest wieder zwei Unterstützungen vorzuschlagen. Besonders unterstützungsbedürftig ist der Privatdozent Dr. Oesterreich in Tübingen. Er ist ein geborener Berliner und hat in Berlin bei Paulsen und Dilthey studiert. Er hat sich durch eine Reihe von Werken ausgezeichnet, jüngst noch durch seine Neubearbeitung des vierten Bandes der Ueberweg’schen[a] Geschichte der Philosophie (Gegenwart). Die Neubearbeitung dieses das 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart behandelnden Bandes, welcher kürzlich erschienen ist, hat allgemeinen Beifall gefunden. Infolge des Krieges sind seine Haupteinnahmen, nämlich die Einnahmen aus Vorlesungen[b] natürlich sehr zurückgegangen. Da er verheiratet und Familienvater ist, ohne Vermögen, so ist er natürlich in grosser Bedrängnis. Übrigens sind seine Verdienste dadurch anerkannt worden, dass er mehrfach vorgeschlagen worden ist, so in Zürich und in Münster als Extraordinarius, so in Bern als Ordinarius. Ich erlaube mir daher den Vorschlag, ihm noch einmal 300 M.- zu gewähren.
Der Privatdozent Dr. Ruge in Heidelberg bekam drei Jahre lang von der Kantgesellschaft[6] je 400 M.- als Unterstützung für sein grosses bibliographisches Werk „Die Philosophie der Gegenwart“. Mit | staunenswertem Idealismus arbeitet Dr. Ruge an diesem nun schon 5 Jahrgänge umfassenden Unternehmen, das ihm, weit entfernt sich für Ihn bezahlt zu machen, materielle Opfer auferlegt, obgleich er selbst in kleinen Verhältnissen lebt und verheiratet ist. Die Kantgesellschaft hat ihn auch für das Jahr 1915 unterstützt, aber nur mit 300 M.-, da wir infolge des Krieges nicht mehr wagen durften. Ich möchte daher vorschlagen, ihm noch 100 M.- aus der Ruesch-Stiftung zu gewähren, damit er wie in den Vorjahren wieder 400 M.- erhalte.
Ich werde mir die Freiheit nehmen, nächsten Montag Sie in Ihrer Sprechstunde zu besuchen und um Ihre Genehmigung Sie zu bitten.
In aufrichtiger Verehrung Ihr ganz ergebenster
Vaihinger
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑Ruesch-Stiftung ] Arnold Ruesch, Neapel, plante 1915 einen „Barbarenbund“, der in nicht näher genannter Weise der „Deutschen Kultur“ dienen sollte (die einschlägige Akte zum „Barbarenbund“, Universitätsarchiv Halle-Wittenberg, Rep. 6, Nr. 2021 ist nicht benutzbar). Der Vorschlag scheiterte bei der Kantgesellschaft nach Umfrage unter den Mitgliedern nicht zuletzt am Begriff „Barbar“, den Ruesch jedoch positiv konnotiert wissen wollte. Die von Ruesch bereitgestellten Mittel wurden schließlich verwendet zu einer „Stiftung für notleidende Philosophen“ und reichten dafür bis zum 5.6.1916 (vgl. Schreiben von Vaihinger, 27.4.1915 (Bl. 269), und Ruesch (Bl. 270), 22.4.1915, an den Kurator Meyer). Engagiert in Sachen „Barbarenbund“ war außerdem ein Plauener Oberlehrer Engert, vgl. die Korrespondenzen vom 8. und 14.7.1915 (in derselben Akte Bl. 275–278). In den Kriegsjahren gewährte die Leitung der Kantgesellschaft vielfältige Unterstützung. Wie Vaihinger an Meyer am 24.3.1917 mitteilte, wurde der Fonds für notleidende Philosophen durch Arnold Ruesch 1917 erneut gestiftet (Rep. 6, Nr. 1864).2↑Dr. Bluwstein in Rom ] d. i. vermutlich Jakob Bluwstein (1880–1935), übersetzte u. a. Kants Kritik der reinen Vernunft ins Italienische (WBIS).3↑Dr. Oesterreich-Tübingen ] Traugott Konstantin Oesterreich (1880–1949), 1910 in Tübingen habilitiert (BEdPh).▲