Bibliographic Metadata
- TitleWindelband an Paul Häberlin, Heidelberg, 20.7.1913, 4 S., hs. (lat. Schrift), UB Basel, NL 119:10,1790,1
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Windelband an Paul Häberlin, Heidelberg, 20.7.1913, 4 S., hs. (lat. Schrift), UB Basel, NL 119:10,1790,1
Vertraulich![a]
Heidelberg, 20. Juli 1913
Hochgeehrter Herr Kollege,
Im Auftrage der philosophischen Fakultät habe ich Ihnen Folgendes zu unterbreiten:
Wir wünschen eine eigne Lehrstelle für Psychologie und Pädagogik[1] zu schaffen. Wir wünschen, die Psychologie dabei von keinem einseitigen Standpunkte, insbesondere nicht vom experimentellen, sondern aus principiellen und philosophischen Gesichtspunkten behandelt zu sehen, andererseits aber die Lehrtätigkeit von der sonstigen Philosophie durchaus abzutrennen. Wir hoffen damit aus den unerfreulichen Streitigkeiten und Missverständnissen, die namentlich in letzter Zeit über das Verhältnis von Philosophie und Psychologie[2] entstanden sind, den richtigen Ausweg zu finden und haben das Einverständnis unserer Regierung für die Wahl dieses Weges gewonnen. Wir übersehen aber nicht, dass in der akademischen Lehrtätigkeit die Vertretung der[b] | Psychologie, wenn sie von der Philosophie abgelöst wird, mit einer ihrer praktischen Anwendungen verbunden sein sollte; und unter diesen empfiehlt sich uns aus Gründen der an unserer Universität bestehenden Bedürfnisse in erster Linie die Paedagogik.
Für eine solche Kombination wird von der Fakultät und Regierung ein eigner Lehrstuhl, zunächst ein Extraordinariat in Aussicht genommen. Da ein solcher aber erst durch das Staatsbudget begründet werden kann, so handelt es sich zuerst um die Erteilung eines Lehrauftrages mit entsprechender Renumeration für eine geeignete Lehrkraft, die sich hier habilitieren, bzw. hieher umhabilitieren müsste.
Unter den dafür in Betracht kommenden Persönlichkeiten sind nun der Fakultät in erster Linie Sie, hochgeehrter Herr Kollege, vorgeschlagen | worden, und ich bin von ihr beauftragt, zunächst in unverbindlicher Form mit Ihnen darüber in Verhandlung zu treten. Es scheint mir angesichts der nicht ganz einfachen Lage und der mannigfachen persönlichen und sachlichen Beziehungen das einfachste, die Frage durch persönliche Aussprache zwischen uns zu klären. Wenn Sie also überhaupt geneigt wären, der Angelegenheit näher zu treten, so würde ich Sie einladen, an einem der nächsten Tage mich zu diesem Zwecke zu besuchen[3]. Sie können bei den guten Verbindungen[4], die wir jetzt haben, bald nach 11 Uhr morgens hier sein, und wir haben dann bis 5 Uhr (meiner Vorlesungszeit) genügend Zeit: zu Mittag würde ich Kollege Lask, der neben mir das Extraordinariat der Philosophie bekleidet, zu uns laden. Mir sind alle Tage der Woche gleich lieb; ich bitte Sie nur, mich möglichst vorher in Kenntnis zu setzen, | damit ich ganz zu Ihrer Verfügung sein kann. Meine Wohnung, Landfried[c]strasse 14, ist vom Bahnhof in zehn Minuten zu erreichen. Wenn es mit Ihren Zeitbestimmungen vereinbar ist, so wird es um so erwünschter sein, je früher wir uns sehen können.
In der Hoffnung, Sie bald hier zu begrüssen, bin ich mit vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebenster
W Windelband
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑Lehrstelle für Psychologie und Pädagogik ] in der Fakultät zuständig war die vom 22.2.1913–4.7.1914 bestehende Kommission für den Universitätsunterricht in Psychologie und Pädagogik, bestehend aus Franz Boll, Hermann Oncken, Max Weber u. Windelband, vgl. Max Weber Gesamtausgabe Abt. II, Bd. 8, S. 264, S. 265 (Anm. 1), S. 270 (Anm. 4).3↑zu besuchen ] ein persönliches Treffen hat offenbar stattgefunden, vgl. Windelband an Häberlin vom 3.8. u. 22.8.1913.4↑guten Verbindungen ] gemeint sind die Eisenbahnverbindungen zwischen Basel und Heidelberg via Karlsruhe, vgl. Reichs-Kursbuch. Übersicht der Eisenbahn-, Post- und Dampfschiffverbindungen in Deutschland, Österreich-Ungarn, Schweiz, sowie der bedeutenderen Verbindungen der übrigen Teile Europas und der Dampfschiff-Verbindungen mit aussereuropäischen Ländern. Bearb. im Kursbureau des Reichs-Postamts. Juli 1905. Berlin: Reichsdruckerei 1905/Reprint Pürgen: Ritzau-Vlg. Zeit u. Eisenbahn 2005.▲