Bibliographic Metadata
- TitleWindelband an Paul Siebeck, Heidelberg, 8.2.1912, Text nach einer Transkription von Klaus Christian Köhnke, Umfang und Besonderheiten nicht bekannt, Staatsbibliothek zu Berlin, Haus Potsdamer Straße, NL 488
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- Physical LocationStaatsbibliothek zu Berlin, Haus Potsdamer Straße
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Windelband an Paul Siebeck, Heidelberg, 8.2.1912, Text nach einer Transkription von Klaus Christian Köhnke[1], Umfang und Besonderheiten nicht bekannt, Staatsbibliothek zu Berlin, Haus Potsdamer Straße, NL 488
Heidelberg, 8.2.12
Hochgeehrter Herr Doctor,
Mit lebhaftem Dank empfange ich Ihr Schreiben[2], das sich mit meinem Briefe[3] bei der gestrigen Manuskriptsendung gekreuzt hat: Sie werden daraus ersehen haben, wie gern ich Ihren Wünschen, soweit es mir der ursprüngliche Plan der Encyklopädie zu gestatten scheint, entgegenkomme. Wenn meine Briefe vom 2. und vom 6.[4] d[es] M[onats] etwas erregt gelautet haben, so richtete sich diese Erregtheit nicht gegen Sie, davor bewahrt mich langjährige Verbindung immer mehr befestigt hat. Meine Erregtheit erwuchs daraus, dass das retardierende Moment, das den Fortgang des Unternehmens zu bedrohen schien, kein Novum, sondern ein zum Wesen der Sache gehöriges und von Anfang an zu bedenkendes Argument war, und vor allem daraus, dass es von aussen neu zu dem denkbar ungünstigsten Zeitpunkte hineingeworfen schien; und diese Erregtheit wurde nicht vermindert, als ich erfuhr, dass es gerade Herr Rickert war, der Sie gewarnt hatte. Denn dass dieser seinerzeit Ruge einen Beitrag für einen der späteren Bände zugesagt und ihn dann später aus lediglich persönlichen Gründen zurückgezogen[5] hat, weiss ich genau aus Rickert’s Briefen an mich. Legen wir also dieses zu den Akten und begraben es zwischen uns beiden! – Deshalb möchte ich Sie auch bitten, Ruges „fatalen Unternehmungsgeist“ nicht allzu sehr anzuklagen. Umgekehrt, er hat sich in dieser Frage mit grosser Entschlossenheit sofort sich nach den Uebersetzern umgesehen, mit ihnen Proben gemacht und sie in volle Arbeit gesetzt; zugleich an die Autoren geschrieben etc., also, soweit ich sehe, alles getan, um die unvermeidliche Verzögerung so gering als möglich zu machen. Und was die Beziehung zu mir angeht, so habe ich wohl gelegentlich mit ihm (wie Sie mit Ihrem Prokuristen) von den selbstverständlichen Bedenken der Viersprachigkeit geredet, damals aber jedenfalls ohne Ahnung davon, dass diese Ihnen neuerdings Sorge machte. Davon hat mir Ruge das Erste heute vor acht Tagen (1 Febr[uar]), wo er mich im Seminar traf, gesagt, und danach habe ich Ihnen sofort am 2. geschrieben. Danach scheint es mir in der Tat, dass zwischen Ihnen das Missverständnis entstanden ist, dass Sie seine kurze Mitteilung, auch in einer Unterredung, mit mir sei jenes Bedenken erwogen worden, so deuteten und deuten mussten, als würde ich mit den Uebersetzungen einverstanden sein. Das bedaure ich, und daran ist Ruge nicht ohne Schuld. Schon bei seiner Mitteilung im Seminar fiel mir auf, wie vollständig er von dem Gewicht jenes Bedenkens überzeugt und darauf einzugehen bereit, und wie sichtlich verwundert und betreten er war, dass ich damit garnicht einverstanden war. Er hatte offenbar meine Erwägung jenes Bedenkens überschätzt, weil damals garnicht von der Möglichkeit, deshalb den ehemaligen Plan zu ändern, gesprochen worden war. – Soviel von den persönlichen Dingen, die an dem Verhältnis zwischen Ihnen und mir hoffentlich nicht das Geringste ändern!
Zur Sache selbst nehme ich nun als fest an, dass unter den gestern von mir geschriebnen Voraussetzungen unser zum Frühjahr erscheinende Band alle Beiträge deutlich bringt: zu entscheiden ist noch, ob (wie Sie wünschen) die Originale auch in diesem Bande mit veröffentlicht werden oder ob (wie es mir jetzt mehr Ruge’s Plan zu sein scheint) diese Frage der Originale durch das Parallelerscheinen des Ganzen in vier Sprachen gelöst werden soll, wie ja wohl eine durchweg russische Ausgabe[6] schon im Gange ist. Beide Möglichkeiten sind mir recht: die erstere scheint mir sicherer und kürzer zum Ziele zu führen, die zweite wäre vielleicht für den Gesamterfolg namentlich im Auslande günstiger, aber sie ist riskanter, und ob sie so schnell verwirklicht werden kann, wie es für das Erscheinen unseres Bandes im Anfang des Sommersemesters nötig ist, bleibt dahingestellt. Vielleicht kann man jetzt alles in der deutschen Fassung weiter setzen lassen (falls die Uebersetzer rechtzeitig fertig werden), um dann die fremdsprachigen Originale folgen zu lassen, falls sich inzwischen die Verhandlungen wegen der Parallelerscheinungen in den fremden Sprachen[7] und bei den fremden Verlegern zerschlagen sollten: was ich für sehr möglich halte.
Doch ich eile zu schliessen, um Ihnen nochmals zu sagen, dass bei mir in keinem Momente dieses Zwischenfalls die vertrauensvolle und freundschaftliche Gesinnung erschüttert gewesen ist, mit der ich bin und bleibe Ihr hochachtungsvoll ergebner
W Windelband
NB! Der Schluss des Satzes von meinem Beitrag ist heute zu meiner grossen Freude angelangt; ich bin glücklich, Alles zusammen zu haben!
WW.
Kommentar der Herausgeber
1↑Transkription von Klaus Christian Köhnke ] Kollation derzeit nicht möglich. Der Transkription liegt die Datei Manuskript: Windelband Briefe | herauszugeben von K. C. Köhnke | Ausdruck vom 1.3.2012 zugrunde, die den Herausgebern zur Verfügung steht. Ein Ausdruck dieser Datei befindet sich in öffentlichem Besitz (Universität Leipzig, Nachlass Klaus Christian Köhnke NL 330/3/1/2). Die Signatur des Originals ist mit Stichtag 14.5.2018 noch nicht bekannt. Laut telefonischer Auskunft von Roland Klein, Referat für Nachlässe und Autographen der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz vom 21.11. und 2.12.2016 ist die Erfassung des Nachlasses 488 (Verlagsarchiv Mohr-Siebeck) noch nicht abgeschlossen.7↑Parallelerscheinungen in den fremden Sprachen ] der erste Band (mehr nicht erschienen) des Ruge/Windelbandschen Encyclopädieprojekts erschien in einer engl. Übersetzung v. B. Ethel Meyer. In: Logic. Volume 1 of the Encyclopedia of the Philosophical Sciences. Edited by Henry Jones. London: MacMillan 1913, S. 7–66; russ. Moskau 1913; ital. v. B. A. Sesta, Milano/Palermo/Napoli/Genova: Editore Remo Sandron 1914.▲