Bibliographic Metadata
- TitleWindelband an Franz Böhm, Heidelberg, 27.11.1909, 3 S., hs. (lat. Schrift), mit gedrucktem Briefkopf: Ruprecht-Karls-Universität. | Academisches Directorium. Heidelberg, den …, Generallandesarchiv Karlsruhe, Abt. 52 Nr. 673 der vorliegenden Edition
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Windelband an Franz Böhm, Heidelberg, 27.11.1909, 3 S., hs. (lat. Schrift), mit gedrucktem Briefkopf: Ruprecht-Karls-Universität. | Academisches Directorium. Heidelberg, den …, Generallandesarchiv Karlsruhe, Abt. 52 Nr. 673 der vorliegenden Edition
Heidelberg, den 27. November 1909[a]
Persönlich und vertraulich.[b]
Hochgeehrter Herr Geheimerat,
Amtlich wird dem Ministerium morgen ein Antrag auf Genehmigung des Beschlusses unserer juristischen Fakultät zugehen, wodurch die Fortführung der Vorlesungen von Geh[eimem] Hofr[at] Jellinek bis auf Weiteres den Privatdocenten Dr. Dochow und Dr. Schönborn[1] übertragen werden soll.
Ew. Hochwohlgeboren bitte ich mir zu erlauben, dass ich dazu persönlich und vertraulich die folgende Erklärung gebe. Mein lieber Freund Jellinek ist in einer Weise erkrankt[2], über die mir als Laien kein Urteil zusteht, die aber zu ernster Sorge Anlass giebt. Eine grosse Nervenschwäche, die anfänglich teils auf Ueberarbeitung, teils auf eine zu starke Dosis von Brom als Schlafmittel zurückzuführen schien, ist andauernd zurückgeblieben. Die Wiederaufnahme der Vorlesungen, von einer Woche zur andern beabsichtigt, erscheint für’s Erste unmöglich, und die Fakultät hat im Einvernehmen mit dem Patienten angesichts des im Semesterbeginn zu bestimmtem Termin | (28. Nov[ember]) gebotenen Belegens und Testierens sich vorläufig durch die Ermächtigung der Privatdocenten zur Stellvertretung helfen zu sollen gemeint.
Für das Weitere wünschen die Aerzte, die sich über den Zustand natürlich nur sehr reserviert äussern, lebhaft einen Erholungsaufenthalt[3] J[ellinek]’s im Süden. Aber die Dinge scheinen so delikat zu liegen, dass darüber von seiner Seite noch keine Entschliessung hat herbeigeführt werden können.
Deshalb halte ich mich für verpflichtet, Ew. Hochwohlgeboren von dieser Sachlage in Kenntnis zu setzen, – einerseits um jedem Befremden darüber vorzubeugen, dass noch kein Urlaubsgesuch von J[ellinek] vorliegt, andrerseits um Ew. Hochwohlgeboren vertraulich zu bitten, diese Umstände bei der geschäftlichen Behandlung der Sache gütigst berücksichtigen zu wollen. Sobald eine bestimmte Entscheidung (etwa ein Urlaubsgesuch bis zum Jahreswechsel) hat gewonnen | werden können, werden wir nicht verfehlen, schleunigst das Nähere vorzulegen.
Es wäre unter diesen Umständen besonders erfreulich, wenn, wie Ew. Hochwohlgeboren es neulich bei unserm telephonischen Gespräch als möglich bezeichneten, Ihr Weg Sie nächster Zeit hierher führte: ich würde dann bitten hierüber, wie über die Angelegenheit des Dr. Ruge[4] persönlich Weiteres vortragen zu dürfen. In der Fechtmeisterfrage[5] hat die Kommission ihren Beschluss gefasst, und dieser wird, wenn er den Senat passiert hat, in den ersten Tagen nächster Woche vorgelegt werden.
Indem ich bitte, meine obige Mitteilung als durch das herzliche Vertrauen begründet aufzunehmen, das wir zu Ihrem Wohlwollen hegen, bin ich in vorzüglicher Hochachtung Ew. Hochwohlgeboren ergebenster
W Windelband
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑Privatdocenten Dr. Dochow und Dr. Schönborn ] Franz Dochow u. Walther Schoenborn, Juristen, als Privatdozenten für das WS 1909/10 aufgeführt (Heidelberger Personalverzeichnisse).2↑erkrankt ] Georg Jellinek hatte im Oktober 1909 einen Zusammenbruch erlitten, dessen wahre Natur – ein Schlaganfall – ihm selbst verschwiegen wurde. Ein zweiter Schlaganfall am 12.1.1911 verlief tödlich (Klaus Kempter: Die Jellineks 1820–1955. Eine familienbiographische Studie zum deutsch-jüdischen Bildungsbürgertum. Düsseldorf: Droste 1998).3↑Erholungsaufenthalt ] dieser scheint zustande gekommen zu sein, vgl. Windelband an Georg Jellinek vom 30.11.1909.▲