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- TitleWindelband an Karl Hampe, Heidelberg, 14.11.1909, 4 S., hs. (lat. Schrift), mit Umschlag: Herrn | Prof. Dr. Hampe | Blumenstraße 13 | Neuenheim hier | fr[anco], Poststempel HEIDELBERG | 14.11.09. 6–7 N | * 1 b, Rückseite Stempel Prof. Windelband, Wasserzeichen R. DIEFFENBACHER | HEIDELBERG, UB Heidelberg, digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/heidhs4067IIIA_449-1-2
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Windelband an Karl Hampe, Heidelberg, 14.11.1909, 4 S., hs. (lat. Schrift), mit Umschlag: Herrn | Prof. Dr. Hampe | Blumenstraße 13 | Neuenheim hier | fr[anco], Poststempel HEIDELBERG | 14.11.09. 6–7 N | * 1 b, Rückseite Stempel Prof. Windelband, Wasserzeichen R. DIEFFENBACHER | HEIDELBERG, UB Heidelberg, digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/heidhs4067IIIA_449-1-2
Hochgeehrter Herr Kollege,
Empfangen Sie meinen lebhaften Dank für Ihre Mitteilung über unsere Wahlfrage[1]: ich weiss Ihre Stellung dazu vollkommen zu würdigen, und es kann Niemand mehr als ich die unselige Lage bedauern, in die wir durch die Bestimmungen des Wahlgesetzes[2] jetzt gekommen sind. Die Schuld daran kann ich freilich nicht mir allein zuschreiben. ich habe bereits im Sommer meine Absicht, um Nichtwiederwahl zu bitten, mehrfach bestimmt ausgesprochen und habe das geflissentlich jetzt jedem der Herren Kollegen, mit dem ich sprach, wiederholt. ich erfuhr dabei, dass drei Candidaten unter den Herren Kollegen besprochen wurden, und das liess mich annehmen, dass mein Wunsch durchgängig bekannt sei. Wenn diese meine Annahme leider nicht ganz richtig gewesen ist, | so weiss ich doch andrerseits genau, dass zum wenigsten einige der Stimmen, die nur zu meinem grossen Betrübnis doch auf mich gefallen sind, von solchen Kollegen herrühren, die von meinem Wunsche unterrichtet waren.
Doch wie dem auch sei, nach dem irrationalen Ausgang des ersten Wahlgangs steht die Universität vor einer sehr ernsten Gefahr. Es müssen mindestens die Hälfte der Wahlberechtigten gültig[a] abstimmen, wenn nicht die Universität für die ganze vierjährige Landtagsperiode unvertreten bleiben soll. Das wäre die denkbar schlimmste Beeinträchtigung unserer Interessen und zugleich eine schwere Schädigung unseres Ansehens; denn da die eigenartig unglückliche Fügung, durch die es dazu käme, nach | außen nicht genügend bekannt werden und gewürdigt werden könnte, so müsste sich eine Auffassung von unsrer Uneinigkeit bilden, die völlig unberechtigt wäre.
Dieser Gefahr ist nur vorzubeugen, wenn die Herren Kollegen sich entschliessen, trotz der Peinlichkeit der Zwangslage, die nach dem Ausgang des ersten Wahlgangs leider unvermeidlich war, sich positiv durch gültige Stimmabgabe zu beteiligen: ich habe deshalb in dem Einladungsschreiben[3] ausdrücklich auf die gesetzliche Bestimmung hingewiesen, die jene schwere Gefahr für den Fall ausgedehnter Stimmenthaltung mit sich bringt.
Deshalb möchte ich Sie dringend bitten, diese Konsequenz noch einmal in Erwägung zu ziehen und dem formalen Moment, | dessen Peinlichkeit ich, wie gesagt, anerkennen muss, nicht so viel Gewicht beizulegen, um die Vertretung der Universität überhaupt unmöglich zu machen oder auch um Herrn Troeltsch einen verhältnismässig geringeren Rückhalt dabei zu gewähren. ich hoffe und bitte, dass die Salus civitatis academicae suprema lex [4]bleiben möge!
In vorzüglicher Hochachtung ergebenst der Ihrige
Windelband
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
2↑Bestimmungen des Wahlgesetzes ] vgl. Gesetz (vom 24. August 1904), das Verfahren bei den Wahlen zur Ständeversammlung (Landtagswahlgesetz) betreffend. In: Gesetzes- und Verordnungsblatt für das Großherzogtum Baden. Nr. 23 ausgegeben zu Karlsruhe, Donnerstag den 8. September 1904, S. 347–362, hier S. 350: Wahl der Abgeordneten der Hochschulen zur ersten Kammer. § 17. Die Wahl der Abgeordneten der drei Hochschulen erfolgt für jede Hochschule gesondert durch die ordentlichen Professoren der Hochschule am Sitz der Hochschule. An den beiden Landesuniversitäten ist der Prorektor, an der technischen Hochschule der Rektor Wahlkommissär unbeschadet seines Stimmrechts. § 18. Die Wahl kann nur gültig vor sich gehen, wenn nicht wenigstens drei Viertel der Wahlberechtigten ihr Wahlrecht ausüben. Wenn mehr als ein Viertel der Wahlberechtigten nicht abstimmt, so wird von dem Wahlkommissär eine zweite Wahl angeordnet. Bei dieser zweiten Wahl genügt es, denn die Mehrheit der Wahlberechtigten abstimmt. Bei der Einladung zur Wahl sind die Wahlberechtigten auf die Folge aufmerksam zu machen. Wenn bei dieser zweiten Wahl die Mehrheit der Wahlberechtigten nicht wählt, so ruht die Vertretung der betreffenden Hochschule für die Landtagsperiode, für welche die Wahl vorzunehmen war. § 19. Die Wahl geschieht durch absolute Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen: Hat sich eine absolute Stimmmehrheit nicht herausgestellt, so hat der Wahlkommissär eine zweite Wahl anzuordnen; bei dieser ist unter den zwei Kandidaten zu wählen, welche die meisten Stimmen erhalten haben. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los, welches durch die Hand des Wahlkommissärs gezogen wird. Die mit Inkrafttreten dieses Gesetzes direkt gewählte erste Kammer setzte sich nach der Verfassungsänderung vom 24.8.1904 (vgl. Nr. 22 des Gesetz- und Verordnungsblattes vom 3.9.1904) neben den Vertretern von Kirche, Hoch- und Niederadel sowie Grundbesitz aus nur noch je einem (statt bisher dreien) Vertretern pro Hochschule zusammen.4↑Salus civitatis academicae suprema lex ] lat. das Wohl der akademischen Gemeinschaft sei das vornehmste Gebot; abgewandelt nach Cicero: De legibus III, 3, 8 (vgl. Geflügelte Worte. Der Zitatenschatz des deutschen Volkes gesammelt u. erläutert v. Georg Büchmann. Fortgesetzt v. Walter Robert-tornow [!]. 22., verm. u. verb. Aufl. bearb. v. Eduard Ippel. Berlin: Haude & Spener 1905, S. 449).▲