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- TitleWindelband an Franz Böhm, Heidelberg, 14.7.1909, 1 S., hs. (lat. Schrift), mit gedrucktem Briefkopf: Ruprecht-Karls-Universität. | Academisches Directorium. Heidelberg, den …, Generallandesarchiv Karlsruhe, Abt. 52 Nr. 673
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Windelband an Franz Böhm, Heidelberg, 14.7.1909, 1 S., hs. (lat. Schrift), mit gedrucktem Briefkopf: Ruprecht-Karls-Universität. | Academisches Directorium. Heidelberg, den …, Generallandesarchiv Karlsruhe, Abt. 52 Nr. 673
Heidelberg, den 14t. Juli 1909[a]
Hochgeehrter Herr Geheimrat
Nach Abschluss der Lorber-Angelegenheit[1] scheint es dringend wünschenswert, vor meiner Abreise nach Leipzig[2], die am 26. d[es] M[onats] stattfinden muss, die Fechtbodenordnung und die Anstellung des neuen Fechtlehrers zu regeln, für die eine Menge von Anmeldungen vorliegen. Es wird sich namentlich darum handeln, die Modalität der Besoldung des Fechtlehrers, bzw. dessen Anteil an den Gebühren festzustellen. Die Verhandlungen darüber wären wohl am besten mündlich[3] mit Ew. Hochwohlgeboren zu führen, und Herr Geheime Hofrat[b] Endemann meinte, Sie hätten dazu Ihre persönliche Anwesenheit hier in Aussicht gestellt. Sonst könnte auch unsre Fechtboden-Kommission zu Ihnen herüberkommen. ich bitte daher Ew. Hochwohlgeboren gefälligst zu entscheiden, wann und wo die Besprechung darüber Ihnen genehm sein würde.
Mit den verbindlichsten Empfehlungen, in vorzüglicher Hochachtung Ew. Hochwohlgeboren ergebenster
W Windelband
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑Lorber-Angelegenheit ] der Fechtlehrer an der Universität Heidelberg SS 1908–WS 1908/09 hieß Lorber, danach trat eine Vakanz bis zum Sommer 1910 ein, als ein gewisser Hermann Wehlitz das Amt übernahm (Personalverzeichnisse Heidelberg; http://greifswald-sportbund.de/inc/uploads/2016/01/Geschichte-Greifswalder-Sportinstitut.pdf). Windelband war als Prorektor der Universität Heidelberg zuständig.2↑Abreise nach Leipzig ] als Deputierter der deutschen Universitäten (Heidelberg, Berlin, Bonn, Breslau, Erlangen, Freiburg, Gießen, Göttingen, Greifswald, Halle, Jena, Kiel, Königsberg, Marburg, München, Münster, Rostock, Straßburg, Tübingen, Würzburg) zur Feier des 500. Jubiläums der Universität Leipzig am 29.7.1909. Windelbands Ansprache ist abgedruckt in: Die Feier des Fünfhundertjährigen Bestehens der Universität Leipzig. Amtlicher Bericht im Auftrage des akademischen Senates erstattet von Karl Binding. Leipzig: S. Hirzel 1910, S. 102–105 (dazu die lateinische Glückwunschadresse der Universität Heidelberg auf S. 226–227): die Sprecher waren gebeten worden, nicht über 5 Minuten zu sprechen, die der übrigen Deputationen sogar, sich mit 2 Minuten Sprechzeit zu begnügen. | Die deutschen Universitäten hatten natürlich den Vortritt. Ihr Sprecher war der Prorektor der ältesten Universität des Deutschen Reichs, Geheimerat Professor Dr. Windelband aus Heidelberg. Sein Gruß lautete: | Ew. Majestät, Königliche Hoheiten! | Ew. Magnifizenz, Hochansehnliche Versammlung! | Wir feiern ein hohes Fest, an dem die ganze gebildete Menschheit Teil hat und dessen Bedeutsamkeit in mannigfache Kulturbeziehungen verzweigt ist: aber nicht zum wenigsten ist es doch ein Familienfest der deutschen Universitäten. Darum widerfährt dem Vertreter der ältesten unter ihnen die Ehre, den herzlichen Gefühlen der Freude und den aus der Tiefe innerer Zusammengehörigkeit stammenden Wünschen Ausdruck zu geben, mit denen wir zu dem 500jährigen Geburtstage des Studium Lipsiense uns vereinigen. | Mit einer Art von impulsiver Selbsterzeugung dereinst aus treufester Gesinnung entstanden, ist unser Leipzig immerdar ein hervorragendes Glied der großen akademischen Familie Deutschlands gewesen, in der Ausdehnung ihrer Lehrtätigkeit stets eine der ersten, oftmals die erste Universität schlechthin. | Der geistige Mittelpunkt eines durch hervorragende Eigenschaften des Intellekts und des Gemüts ausgezeichneten Volksstammes – in der engsten Verbindung mit dem gewaltig entwickelten Gemeinwesen dieser Stadt, die den Austausch der literarischen Erzeugnisse weit über Deutschlands Grenzen hinaus beherrscht – umgeben von der Fürsorge weiser Fürsten und ihrer verständnisvoll tatkräftigen Regierung – gestärkt endlich durch den mächtigen Einfluß, den die Neugestaltung unserer politischen Verhältnisse an einem so bedeutsamen Punkte des deutschen Gesamtlebens ausüben mußte – so ist diese Universität, von Stamm und Stadt, von Staat und Reich gehegt und gepflegt, groß geworden und groß geblieben. | Sie hat das Ihrige dazu getan. | Durch die Jahrhunderte hindurch ist es ihr Glück und ihr Ruhm gewesen, daß sie der wissenschaftlichen Arbeit den lebendigen Zusammenhang mit den Aufgaben der gesamten Kulturentwicklung gewahrt hat, daß sie in rastloser Selbstentfaltung die Bedürfnisse der Wirklichkeit in ihre eigene Tätigkeit hineinzog. Mitten im Leben, mit allen Fasern in der umgebenden Welt wurzelnd, hat sie sich in stetiger Ruhe ausgelebt, nicht hastig allem Neuen hold, aber auf die Dauer stets bereit, das Beste aus den Bewegungen der Gesamtheit in sich zu verarbeiten. | Mit eindrucksvollster Bedeutsamkeit hat sich das in der gewaltigen Zeit erwiesen, als nach der Begründung des neuen Reichs ein ungeheurer Zug der Neubelebung aller Kräfte durch unser Volk ging. Von der glänzenden Entwicklung, mit der Leipzig damals die Führung unseres Universitätslebens gewann, bin ich selbst der glückliche Zeuge gewesen, und ich darf wohl in diesem Sinne auch ein Wort meiner persönlichen Dankbarkeit wagen. Wir alle, die wir damals hier im Lehren zu lernen begannen, sahen uns in eine große Bewegung hineingerissen, | in die mächtige Umgestaltung des Hochschulunterrichtes, die damals am sichtbarsten hier zum Durchbruch kam. | Aber auch darin ist Leipzig uns vorbildlich, daß es erkennen läßt, worauf ein solcher lebendiger Zusammenhang der eigenen Entwicklung mit den Aufgaben der Zeit allein beruht. Jede gesunde und fruchtbare Anpassung ist nur möglich durch die Entfaltung einer starken Eigenart. Leipzig hat sie sich bewahrt, und wir alle sollen sie uns bewahren. | Mehr als je sieht sich in unseren Tagen die deutsche Universität umwogt und umwühlt von den Strebungen, die an ihr und ihren alten Lebensformen rütteln bis in die Grundfesten ihrer Verfassung und ihrer Gesinnung. Aller der Aufgaben, die damit an uns herandrängen, können wir nur Meister werden, wenn wir sie organisch in unser eigenes, historisch begründetes Wesen aufzunehmen vermögen. Da gilt es vor allem, den korporativen Charakter zu wahren, der uns die von der Kulturpflicht der Hochschulwirksamkeit verlangte Selbständigkeit in Forschung und Lehre gewährleistet. Und dazu gehört von uns aus die Aufrechterhaltung des korporativen Sinnes, der nicht das Eigene sucht, der sich immer in den Dienst des Ganzen stellt, um so den Zusammenhang aller geistigen Arbeit zu befestigen. | Und noch auf ein Zweites darf in dieser Stunde hingewiesen werden. Die Schöpfung des Meisters [Max Klingers Wandbild in der Aula der Universität Die Kultur der Griechen (6x20 m, kriegszerstört) als Jubiläumsgeschenk der Sächsischen Staatsregierung], die das künstlerische Ereignis unseres Festes bildet, ist die Huldigung der heutigen Kunst für die griechische Geisteswelt. Wie die Kunst, soll auch die Wissenschaft sich bekennen zu diesem Lebensgrunde aller menschlichen Kultur. Nicht um die Bewahrung alter und verlebter Formen handelt es sich dabei, sondern darum, daß die Freiheit des Geistes, der fern von aller niederen Bedürftigkeit sein Reich schafft und von ihm aus die trägen Massen der Wirklichkeit bewegt, daß diese Geistesfreiheit sich ihres Eigenwesens und ihres Eigenwertes bewußt bleibe. | Diesen Genius der deutschen Universitäten spüren wir hier an dem alten ehrwürdigen Musensitz, und in dieser Gesinnungsgemeinschaft bringen wir der Jubilarin unsere Bewunderung für ihre glanzvolle Vergangenheit – unsern Dank für das, was sie | der Gegenwart bedeutet – und für die Zukunft wunschfrohen Heilruf zu festem Bestand und glücklichem Gedeihen!▲