Bibliographic Metadata
- TitleWindelband an Franz Böhm, Heidelberg, 29.5.1909, 4 S., hs. (lat. Schrift), Generallandesarchiv Karlsruhe, Abt. 52 Nr. 673
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Windelband an Franz Böhm, Heidelberg, 29.5.1909, 4 S., hs. (lat. Schrift), Generallandesarchiv Karlsruhe, Abt. 52 Nr. 673
Heidelberg, 29. Mai 09[a]
Hochgeehrter Herr Geheimrat,
Das wohlwollende Entgegenkommen, dass wir stets und besonders auch in der wichtigen Stiftungsangelegenheit[1] bei Ew. Hochwohlgeboren gefunden haben, ermutigt mich, Ihnen einige Erwägungen vertraulich[b] vorzutragen, die mich lebhaft beschäftigen und für die ich um freundliche Aufnahme bitte.
Wenn wir annehmen dürfen, dass die Stiftung L[anz] nun in der Hauptsache unter Dach ist, so sprechen die mannigfachsten Interessen dafür, dass die Angelegenheit nun so bald als irgend möglich einen für die Oeffentlichkeit reifen Abschluss finde. Es wäre deshalb sehr wünschenswert, wenn die Audienz bei Sr. Königl[ichen] Hoheit stattfinden könnte, ehe etwa Reisen oder Besuche dazwischen träten; und ich halte mich deshalb auch in der Pfingstwoche bereit, obwohl ich angesichts dessen, was mir im Sommer noch bevorsteht, einiger Erholungstage[2] dringend bedürftig bin. Aus demselben Interesse der Beschleunigung haben wir drei[3] durch den Stiftungsbrief dazu Be|rufenen die vorläufigen Grundbestimmungen und die Personalvorschläge entworfen, und Herr Koll[ege] Endemann wird sie heute Ew. Hochwohlgeboren übersandt haben, wenn sie Zustimmung finden, wie wir hoffen, so kann nachher die Konstitution sofort erfolgen.
Von besonderer Bedeutung aber erschiene mir dies – und damit komme ich auf den Hauptgegenstand meiner Bitte – für die Besetzung unserer sprachwissenschaftlichen Professur[4], für die Ihnen die Vorschläge inzwischen zugegangen sein werden. Es ist kein Zweifel, dass für die Gewinnung eines der beiden hervorragenden Gelehrten, welche die Fakultät im Auge hat, des Strassburger[5] wie des Bonner[6], die Aussicht auf eine Mitwirkung an unserer „Stiftung“ ein wichtiges Moment sein würde. Es wäre sehr wertvoll, wenn Ew. Hochwohlgeboren bei den Verhandlungen schon diesen Stein im Brett hätten. Und es kommt auf diese Berufung für unsre | Fakultät, wie Sie selbst neulich zu mir hervorhoben, ganz ausserordentlich viel an! Gerade bei den Beratungen über die so schwierige Personalfrage für die „Stiftung“[7] habe ich es wieder sehr deutlich empfinden müssen, in wie hohem Masse es eine Lebensfrage für unsre philosophische Fakultät ist, dass sie „Namen“ gewinnt, Männer von hervorragender und führender Stellung in ihrer Wissenschaft. In Osthoff haben wir einen solchen verloren, – an Bartholomä[8] würden wir ihn wiedergewinnen. Er wäre eine vortreffliche Acquisition für die Akademie. Und wenn die neue Aussicht schon geboten werden und etwas dazu beitragen könnte, dass dieser Wunsch sich erfüllte, so wäre das ein grosser Gewinn, ein erster und wertvoller Ertrag. Darum haben wir für den Fall, dass wir einen Mann ersten Ranges als Sprachforscher bekommen, die zehnte Stelle der philos[ophisch]-hist[orische] Klasse ebenso offen gelassen, wie in der math[ematisch]|-naturwissenschaftlichen für eine ebensolche Vertretung der zweiten mathematischen Professur. Sollte diese Voraussetzung nicht zutreffen, so würde für diese Stelle eine andre, recht schwierige Wahl eintreten müssen.
Diese Erwägungen und Sorgen glaubte ich Ew. Hochwohlgeboren vertrauensvoll unterbreiten zu dürfen, in der Gewissheit, dass bei der schwierigen Lage der sprachwissenschaftlichen Professur von Seiten der Regierung Alles geschehen wird, um unsrer philosophischen Fakultät zu helfen. Verzeihen Sie, verehrter Herr Geheimrat, diese Belästigung gerade in den Pfingsttagen[9], für die ich im Uebrigen Ihnen aber gute Erholung wünsche als Ew. Hochwohlgeboren in vorzüglicher Hochachtung ergebner
W Windelband
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑Stiftungsangelegenheit ] der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, vgl. Böhm an Windelband vom 2.5.1909.2↑Erholungstage ] vgl. Windelbands Urlaubsantrag für eine Woche nach Triberg vom 1.6.1909, UA Heidelberg, PA 2449, Bl. 11 (die Bewilligung durch das Kultusministerium auf Bl. 12).4↑Besetzung unserer sprachwissenschaftlichen Professur ] Hermann Osthoff (1847–1909), Sprachwissenschaftler, 1869 Promotion in Bonn, 1871 Gymnasiallehrer in Kassel, 1874 erneutes Studium der Vergleichenden Sprachwissenschaften in Leipzig, 1875 Habilitation in Leipzig, 1877 o. Prof. für Vergleichende Sprachwissenschaft und Sanskrit in Heidelberg, 1884/85 und 1894/95 Dekan, 1899/1900 Prorektor (NDB), war am 7.5.1900 verstorben.5↑des Strassburger ] nicht ermittelt, vermutlich gemeint: Albert Thumb (1865–1915), Sprachwissenschaftler, 1891 in Freiburg habilitiert, 1895 ao. Prof. in Freiburg, 1901 in Marburg, am 26.7.1909 zum 1.10.1909 als o. Prof. nach Straßburg berufen (Marburger Professorenkatalog: https://www.uni-marburg.de/uniarchiv/pkat/gnd?id=117360120).6↑des Bonner ] nicht ermittelt, in Frage kommt: Felix Solmsen (1865–1911), Indogermanist, 1893 in Bonn habilitiert, 1897 ao. Prof., 1907 persönlicher o. Prof., 1909 o. Prof. (Ernst Fraenkel: Felix Solmsen. In: Biographisches Jahrbuch für die Altertumswissenschaft 36 (1914), S. 19–27; https://de.wikipedia.org/wiki/Felix_Solmsen (3.12.2018).8↑Bartholomä ] Christian Bartholomae (1855–1925), Iranist und Indogermanist, 1884 ao. Prof. in Halle, 1885 o. Prof. in Münster, 1898 in Gießen, 1909 Ruf nach Straßburg abgelehnt (vgl. Windelband an Böhm vom 14.6.1909), 1909 o. Prof. in Heidelberg (NDB).▲