Bibliographic Metadata
- TitleWindelband an Heinrich Rickert, Heidelberg, 2.2.1909, 3 S., hs. (lat. Schrift), Wasserzeichen R. DIEFFENBACHER | HEIDELBERG, UB Heidelberg, http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/heidhs2740IIIA-224_63
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Windelband an Heinrich Rickert, Heidelberg, 2.2.1909, 3 S., hs. (lat. Schrift), Wasserzeichen R. DIEFFENBACHER | HEIDELBERG, UB Heidelberg, http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/heidhs2740IIIA-224_63
Heidelberg, 2.2.09
Lieber Freund,
In aller Eile nur die Antwort auf Ihre Anfrage wegen Hamburg[1]. Meine Antwort an Marcks ist heute abgegangen: von ihm wusste ich noch mehrere Einzelheiten, die ich vertraulich zu behandeln bitte. 1) Sie wollen keinen Experimentalpsychologen, 2) ein Jude ist nicht ausgeschlossen, aber auch nicht erwünscht, 3) sie denken zunächst an das Normalgehalt von 8000 Mk., das durch Zulagen bis 10 000 Mk. steigt; wenn aber ein hervorragender Mann[2] zu haben, so würde aus den Mitteln der Wissensch[aftlichen] Stiftungen ein stattlicher Zuschuss flüssig gemacht werden können.
Und nun will ich aus meinem Herzen keine Mördergrube machen und sagen, was ich geschrieben habe[3]. In erster Linie habe ich den Leutchen, im Anschluss an den letzten Punkt, ans Herz gelegt, einen grossen Coup zu wa|gen[a] und zu versuchen – Sie zu gewinnen, – ohne natürlich irgend ein Wort über die Chancen Ihrer Habbarkeit oder Nichthabbarkeit hinzuzufügen. Das müssen Sie mir also zugute halten. In zweiter Linie habe ich mit aller Entschiedenheit Simmel herausgehoben. In dritter habe ich als möglich, mit den erforderlichen Restrictionen, a) Hensel und b) Külpe genannt, der sich doch aus der Psychologie recht brav herausgearbeitet hat, eine zwar populäre, aber recht achtbare Darstellung von Kant[4] gegeben hat und als ein guter Docent[5] beleumdet ist. In vierter Instanz bin ich zur Jugend übergegangen und habe davon nur Bauch[6] empfohlen.
Sie sehen, – die Uebereinstimmung ist lustig! Jonas Cohn hätte ich gern erwähnt, wenn ich nicht schon Simmel ge|habt hätte; es ist klar, dass ein Semit nur durchgeht, wenn er sachlich ganz zweifellos in erste Linie gerückt werden darf. – Hamburg! – cf. Heine[7]!
Und nun? wissen Sie etwas, wer zum Examen nach Karlsruhe[8] für Ph[ilosophie] berufen ist? hier hat man keine Ahnung.
Und Troeltsch[9]? Darüber ein ander Mal! Für heut herzlichen Gruss von Haus zu Haus! Getreulich der Ihrige
W Windelband
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑wegen Hamburg ] die Wissenschaftlichen Stiftungen Hamburg bauten im Vorfeld der Gründung der Hamburger Universität (1919) ein allgemeines Vorlesungswesen auf. Erich Marcks war 1907 nach Hamburg berufen worden (NDB).2↑hervorragender Mann ] nach Gründung der Universität Hamburg 1919 wurde schließlich Ernst Cassirer berufen (BEdPh).3↑was ich geschrieben habe ] Schreiben nicht ermittelt. Keiner der von Windelband Genannten hat einen Ruf nach Hamburg erhalten.4↑Darstellung von Kant ] vgl. Oswald Külpe: Immanuel Kant. Darstellung und Würdigung. Leipzig/Berlin: Teubner 1907. 2. Aufl. 1908.7↑cf. Heine ] Heinrich Heine hatte am 6.7.1816 an Christian Sethe aus Hamburg geschrieben: Wahr ist es, es ist ein verludertes Kaufmannsnest hier. Huren genug, aber keine Musen (vgl. z. B. Heine-Briefe. Hg. v. Hans Daffis. Berlin: Pan-Vlg. 1906).8↑wer zum Examen nach Karlsruhe ] vgl. Windelband an Rickert vom 21.1.1909, zum Kontext Windelband an Rickert vom 23.6.1908.9↑Troeltsch ] Windelbands Heidelberger Kollege Ernst Troeltsch wurde in Berlin als Nachfolger des verstorbenen Friedrich Paulsen nominiert, die Berufung scheiterte jedoch (BEdPh, Troeltsch wurde erst 1914 nach Berlin berufen), vgl. Windelband an Hugo Münsterberg vom 22.11.1908.▲