Bibliographic Metadata
- TitleWindelband an Paul Siebeck, Heidelberg, 20.11.1904, Text nach einer Transkription von Klaus Christian Köhnke, Umfang und Besonderheiten nicht bekannt, Staatsbibliothek zu Berlin, Haus Potsdamer Straße, NL 488
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- Physical LocationStaatsbibliothek zu Berlin, Haus Potsdamer Straße
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Windelband an Paul Siebeck, Heidelberg, 20.11.1904, Text nach einer Transkription von Klaus Christian Köhnke[1], Umfang und Besonderheiten nicht bekannt, Staatsbibliothek zu Berlin, Haus Potsdamer Straße, NL 488
Heidelberg, den 20.XI.04.
Sehr verehrter Herr Doctor
Sie haben sich gewiss gewundert, dass Sie heut früh noch keinen Brief von mir hatten: aber es war gestern wirklich keine Minute aufzutreiben. Vormittags Gratulation bei unserm Physiker Quincke[2], der 70 Jahre alt wurde, grosses Kommen und Gehen der Collegen etc., und Nachmittags war ich zu Vorlesung und Gesellschaft in Frankfurt a/M.[3]
Nun will ich aber nicht mehr zögern, Ihnen zu sagen, dass ich das „Ja“ sehr gern telegraphiert habe. Noch hätte ich in der Tat, wenn eine Durchsicht des Textes möglich wäre, nur wenig zur stilistischen Ausfeilung zu ändern und höchstens in der 11. Vorlesung meine Auffassung noch deutlicher zu formulieren: aber es ist nichts, was ich nicht ebenso wie vor einem halben Jahre vertreten könnte; und wenn Sie die mir schmeichelhafte Vorsicht gehabt haben, den Satz stehen zu lassen, so bin ich gern dabei, die neue Auflage[4] in die Welt gehen zu lassen. Erfreulich ist es doch sehr, dass es nötig wird[5]. Mir ist dieser Modus um so lieber, als ich jetzt so überhäuft bin, dass ich kaum Zeit hätte, Manuscript herzurichten und Korrektur zu lesen, – wenigstens nicht sofort.
Wesentliche Druckfehler im ersten Satz sind mir nicht aufgefallen oder gemeldet; falls ich etwas merke oder erfahre, schreibe ich es noch für den Abzug des letzten Bogens; aber bisher wie gesagt, weiss ich nichts.
Mit meiner grossen Beschäftigung bitte ich es auch zu entschuldigen, dass ich Ihnen noch nicht für die freundlichen Geschenke an mich und meine Tochter gedankt habe: diese hatte mich noch vor ihrer Abreise nach Goettingen[6] angelegentlichst damit beauftragt. Sie las den „Otto“[7] noch hier mit grossem Interesse an; ich bin leider noch nicht dazu gekommen.
Und nun noch eine schüchterne Anfrage. ich begründe jetzt mein philosophisches Seminar[8]; und obwohl die Regierung schon ein gut Stück Geld hineingesteckt hat, sieht es noch recht dünn darin aus. ich habe zunächst die grossen Werksammlungen antiquarisch und die Handbücher beschafft. Und die Kasse ist leer. Meine eignen Sachen habe ich natürlich gestiftet, wie auch Kuno Fischer’s Familie dessen ganze „Geschichte“[9]. Rohde[10] und Rickert[11] habe ich auch schon angeschafft: aber für den neuen Sigwart[12] – ich selbst habe von Maier[13] ihn geschenkt erhalten – reicht es nicht. Da wäre nun die Frage, ob Sie vielleicht sich um meine Leute verdient machen könnten, dass sie nicht mehr zu lange auf den Sigwart warten müssten. Es wäre ein gutes Werk, und auch ich selbst würde Ihnen herzlich dankbar sein – Seien Sie nicht böse ob dieser Anzapfung – was tut man nicht für die Sache!
Mit herzlichem Gruss Ihr getreuer
Windelband
Kommentar der Herausgeber
1↑Transkription von Klaus Christian Köhnke ] Kollation derzeit nicht möglich. Der Transkription liegt die Datei Manuskript: Windelband Briefe | herauszugeben von K. C. Köhnke | Ausdruck vom 1.3.2012 zugrunde, die den Herausgebern zur Verfügung steht. Ein Ausdruck dieser Datei befindet sich in öffentlichem Besitz (Universität Leipzig, Nachlass Klaus Christian Köhnke NL 330/3/1/2). Die Signatur des Originals ist mit Stichtag 14.5.2018 noch nicht bekannt. Laut telefonischer Auskunft von Roland Klein, Referat für Nachlässe und Autographen der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz vom 21.11. und 2.12.2016 ist die Erfassung des Nachlasses 488 (Verlagsarchiv Mohr-Siebeck) noch nicht abgeschlossen.2↑Physiker Quincke ] Georg Quincke (19.11.1834–13.1.1924), Physiker, 1858 Promotion in Berlin, 1859 Habilitation in Berlin, 1865 ao. Prof. Berlin, 1872 o. Prof. Würzburg, 1875 Heidelberg (NDB).3↑Vorlesung und Gesellschaft in Frankfurt a/M. ] vgl. Heidelberger Zeitung, Nr. 262 vom 8.11.1904, Erstes Blatt, S. 2 die Meldung, daß Windelband am 6.11.1904 an der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften in Frankfurt a. M. seine Vorlesungen zur Einleitung in die Philosophie aufgenommen habe.4↑neue Auflage ] von Windelband: Über Willensfreiheit. Zwölf Vorlesungen. Tübingen/Leipzig: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1904; 2., unveränderte Aufl. 1905.7↑„Otto“ ] womöglich gemeint: Rudolf Otto: Naturalistische und religiöse Weltansicht. Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1904.9↑„Geschichte“ ] Kuno Fischer: Geschichte der neuern Philosophie, 8 Bde. seit 1852, 11bändige Jubiläumsausgabe seit 1893.10↑Rohde ] vermutlich Erwin Rohde: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. 2 Bde. 3. Aufl. Tübingen/Leipzig: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1903.11↑Rickert ] vermutlich Rickert: Zur Lehre von der Definition, 1888; Der Gegenstand der Erkenntnis, 1892; Die Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung 1896/1902.▲