Bibliographic Metadata
- TitleWindelband an Heinrich Rickert, Straßburg, 13.1.1900, 4 S., hs. (dt. Schrift), UB Heidelberg, http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/heidhs2740IIIA-224_28
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Windelband an Heinrich Rickert, Straßburg, 13.1.1900, 4 S., hs. (dt. Schrift), UB Heidelberg, http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/heidhs2740IIIA-224_28
Strassburg, 13.1.00.
Lieber Herr College,
Je mehr ich die Sache überlege, um so mehr leuchtet mir das gestern schon vorausgesehene negative Ergebniß sein. Ich kann den Gedanken nicht für glücklich halten. Gewiß läßt sich über das Thema „Sigwart und Kant“ viel Lehrreiches sagen, und es würden manche interessante Punkte herausspringen: aber da Sigwart weder Historiker noch[a] Schüler Kantʼs ist, so würde schon die Ueberschrift als Titel eines Festaufsatzes[1] etwas haben, was meinem Gefühl widerspräche: und nach meiner Kenntniß von Sigwart, ja nach bestimmten Erfahrungen bin ich der Ueberzeugung, daß solche Juxtaposition ihm unbehaglich und weit entfernt sein wür|de, ihm Freude zu machen. Das ist wenigstens meine Impression. Sollte aber doch an die Ausführung gedacht werden, so würde ich mich nicht dazu eignen. Die Parallele zu meinem Festgruß[2] in den K[ant-]Stud[ien] bei Kuno F[ischers] 50jährigem Doctorjubiläum müßte auf Schritt und Tritt gezogen werden. Auf die Wärme des Tons und alle sonstigen Anzeichen würde man achten, um daraus Schlüsse zu ziehen: und der Gedanke daran schon allein würde mir alle Unbefangenheit der Darstellung rauben. Sie werden das gewiß mitfühlen; es ist für mich bedeutsamer noch als das – freilich auch nicht ganz abzuleugnende – Mißbehagen, zum gewohnheitsmäßigen Jubelsprecher zu werden. Angesichts dieser Gründe brauche ich nicht erst auf die gro|ßen Arbeitslasten hinzuweisen, die sonst schon auf mir liegen und mich sehr ungern neue, in bestimmten Zeitgrenzen zu erledigende Verpflichtungen übernehmen ließen.
Ich bin, lieber Freund, unterbrochen[b] und vielfach in Anspruch genommen worden, habe inzwischen ein officielles Frühstück beim Staatssekretär mitgemacht und muß nun gleich in eine Fakultätssitzung. Ich schließe daher eilig den Brief, um Sie über die drängende Frage meinerseits zu orientiren, hinsichtlich derer ich den obigen Ausführungen nichts mehr hinzuzufügen habe und Ihnen deren weitere Mitteilung gern anheimgebe. Ich behalte mir, da es doch zweifelhaft ist, ob ich in der | nächsten Zeit nach Freiburg komme, Anderes für einen bald folgenden Brief vor, – kann aber nicht schließen, ohne wenigstens vorläufig Ihnen meinen herzlichen Dank für die große Freude zu sagen, die Sie mir durch Ihren Brief über meinen Platon gemacht haben. Nur das sei noch hinzugefügt, daß ich nach wie vor Paulsenʼs Kant für ein großes Unglück halte, – eine Ansicht, aus der ich persönlich vor Niemand ein Hehl mache[3] und die ich nur aus Rücksicht auf den gemeinsamen Verleger auszusprechen Bedenken getragen habe.
Mit herzlichstem Gruß von Haus zu Haus Ihr getreuer
Windelband
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑Titel eines Festaufsatzes ] stattdessen lieferte Windelband: Vom System der Kategorien. In: Philosophische Abhandlungen. Christoph Sigwart zu seinem siebzigsten Geburtstage 28. März 1900. Gewidmet von B. Erdmann, W. Windelband, H. Rickert, L. Busse, R. Falckenberg, H. Vaihinger, A. Riehl, W. Dilthey, E. Zeller, H. Maier. Tübingen/Freiburg i. B./Leipzig: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1900, S. 41–58.2↑Festgruß ] vgl. Windelband: Kuno Fischer und sein Kant. Als: Festschrift der „Kantstudien“ zum 50. Doctorjubilaeum Kuno Fischers. Hamburg/Leipzig: Leopold Voss 1897, S. 5–14; auch in: Kant-Studien 2 (1898), S. 1–10.▲