Bibliographic Metadata
- TitleWindelband an Karl Dilthey, Parpan, 29.8.1897, 3 S., hs. (dt. Schrift), Niedersächsische Staats- und UB Göttingen, Dilth. 141
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- Physical LocationNiedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen
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Windelband an Karl Dilthey, Parpan, 29.8.1897, 3 S., hs. (dt. Schrift), Niedersächsische Staats- und UB Göttingen, Dilth. 141
Parpan[1], 29.8.97
Mein lieber Freund,
Einen nachbarlichen Gruß zuvor! und besten Dank für Deine Karte; und da Du so hübsch nahe bist, so sollst Du auch einer der ersten sein, dem ich eine große Freude mitteile, die mir und uns allen eben widerfahren ist: unsere Elly hat sich mit dem Freiburger Professor Stutz[2] verlobt. Du wirst Dich des Mannes wohl aus Zürich erinnern; der Vater war Geologe am Polytechnicum, mehr bekannt aber als einer der Hauptführer der Conservativen und Orthodoxen, Freund von Wyss[3] und thätiger Politiker. Der Sohn ist Rechtshistoriker und Kirchenrechtler, mit seinen 29 Jahren Ordinarius in Freiburg i/Br., | eine Feuerseele, ein grader, hochsinniger Mensch, wie sie täglich seltener werden in unserer – deutschen Welt. Er hatte meine Mädels in Freiburg auf einem Ausfluge kennen gelernt und fand sich dann hier ein, um während dieser Wochen nicht nur Elly’s Herz, sondern unser aller lebhafteste Sympathie zu gewinnen. Und so bin ich den glücklich wieder einen neuen sichtbaren Schritt weiter in’s Alter hineingekommen, – zunächst freilich fühlt man beim Anblick solchen sonnigen Glücks selbst wieder eine Verjüngung.
Nun würde ich Dir gern das Pärchen vorstellen. Auf dem nächsten Wege ist unsre Jugend neulich von hier bis zur Uerden Furkli vorgedrungen und hat einen Blick | in Eure Welt geworfen. Ob sie das wiederholen werden, ist bei dem jetzigen Wetter mehr als zweifelhaft. Ja, wenn es so weitergeht und nebelt wie seit gestern Abend, so denken wir alle daran, etwa Mittwoch nach dem Bodensee aufzubrechen; vielleicht treffen wir dann in Chur eine Schwester[4] von Stutz, eine Pfarrersfrau von Zürich, die z[ur] Z[eit] im Prätigau ist. Ob ich Zeit finde, nach Arosa heraufzukommen, ist bei diesen Umständen wo’s jetzt doch viel zu tun und zu besprechen giebt, fraglich. Aber sobald ich über diese Fragen entschieden habe, namentlich wenn es zu einem Tage in Chur kommen sollte, so werde ich Dich benachrichtigen – für den Fall, daß Du denselben Wettermächten weichend auch zur gleichen Zeit etwa Deine Fahrt in die Ebene anzutreten geneigt wärst.
Denn freuen würden wir uns alle gar sehr, Dich zu begrüßen!
Damit für heut, wo noch mancher Briefbogen[5] meiner harrt, genug! Die Meinigen grüßen alle von ganzem Herzen, das Brautpaar sendet Dir seinen ganz besonderen Gruß!
In alter Freundschaft Dein
W Windelband
Kommentar der Herausgeber
2↑Freiburger Professor Stutz ] Ulrich Stutz (1868-1938), Sohn von Johann Ulrich Stutz (1826–1895, Geologe am Eidgenössischen Polytechnikum Zürich), und Emilie, geb. Finsler. Verheiratet seit 1898 mit Elly Windelband. 1892 Dr. jur. in Berlin, 1894 PD in Basel, ab 1895 ao. Prof., 1895–96 Zivilrichter. 1896 o. Prof. für Deutsches Recht und Kirchenrecht an der Universität Freiburg. Ab 1904 in Bonn, ab 1917 in Berlin (Historisches Lexikon der Schweiz).3↑Wyss ] Hans Georg von Wyss (1816–1893), vgl. Meyer von Knonau: Lebensbild des Professors Georg v. Wyss. Zürich 1896.4↑Schwester ] Anna Bertha Stutz (* 1870), Ehefrau von Albert Däniker (1867–1912), Pfarrer in Steinmaur u. Wallisellen (NDB).▲