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- TitleWindelband an Karl Dilthey, Straßburg, 1.8.1897, 4 S., hs. (dt. Schrift), Niedersächsische Staats- und UB Göttingen, Dilth. 141
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- Physical LocationNiedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen
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Windelband an Karl Dilthey, Straßburg, 1.8.1897, 4 S., hs. (dt. Schrift), Niedersächsische Staats- und UB Göttingen, Dilth. 141
Strassburg iE. 1.8.97
Liebster Freund,
Die Wüstenzeiträume des Semesters[a] haben natürlich wieder den Quell unserer Verbindung versiegen lassen; nun naht aber wieder die Ferien-Oase, und da muß man wieder an den Felsen klopfen[1], ob er sich nicht zu frischem Sprudel auftut. ich höre, daß Du durch mancherlei Rücksichten doch an die Scholle gebunden geblieben bist, vermutlich sehnst Du Dich doch aus dem Semester hinaus in die Freiheit, in die Berge. Lebhafter als je hab ich diesmal den Wandertrieb; mich hat das Semester gründlich mürbe gemacht, und ich hoffe bald alles, was dran erinnert, abzustreifen; ich will in die Höhe, und das ist für eine Familie – und ich möchte die meinige | bei mir haben, ich kenne sie eigentlich seit Monaten kaum noch – – das ist nur noch in Graubünden möglich, überall sonst wird man gar zu grausam geschunden. So gehen wir denn nach Parpan[2], Hotel Katzenhorn, und ich hoffe nach Schilderungen, die mir früher einmal Wallach[3] gemacht hat, daß dort Gut sein wird für uns alle. Wie lange freilich, das hängt von den Wettergöttern ab, die ja diesmal arge Launen zu haben scheinen. Wenn es da oben zu Anfang September gar zu sehr schneien sollte, so rücken wir hinunter an den Bodensee. Dort hat mir zu Pfingsten, wo ich acht Tage Einsamkeit und Ruhe suchte, Ueberlingen ausnehmend gefallen, vielleicht bleiben wir alle da noch einige Tage, jedenfalls so, daß wir spätestens Mitte | September wieder hier sind. Das ist also unser Programm „zu gefälliger Kenntnißnahme und weiterer Veranlassung“. Diese Formel[4], die mir von täglich mehrmaliger Anwendung geläufig ist, hat aber hier den Sinn der Bitte, daß Du es doch ja so einrichten möchtest, um uns sei es dort in den Bergen sei es auf Deiner Rückfahrt hier zu sehen. Die Tage des vorigen Herbstes in dem glücklichen Nunalphorn[5] sind mir – und uns allen – in so frischer schöner Erinnerung, daß wir nichts Besseres wünschen als ihre Erneuerung. Gar mancherlei Dinge, Liebster, hätten wir beide uns dabei zu erzählen und zu besprechen, ich wüßte gern, wie Dir der Wechsel des Collegen ausgefallen ist. K[aibel] schreibt über seine Göttinger[b] Existenz | befriedigt, aber bisher ohne Wärme. Was uns anlangt, so ist Schw[artz] freilich eben doch nicht K[aibel][6], aber er ist ein flotter, frischer Kamerad, für die Studenten vielleicht mindestens ebensoviel wie sein Vorgänger.
Nun wär ich froh, zu wissen, wie es denn geht und ob ich Hoffnung habe, Dich in den Ferien irgendwie zu sehen. Wallach scheint diesmal durch Familienrücksichten gebunden zu sein; ich sah ihn im Frühjahr einen Tag in Freiburg und es scheint, als ob das für dies Jahr das Einzige bleiben solle. Die Meinigen grüßen Dich bestens. Fasse nun Du jetzt gute Reisepläne!
Mit treuem Gruß Dein
W Windelband
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