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- TitleWindelband an Wilhelm von Hartel, Straßburg, 23.6.1894, 2 S., hs. (dt. Schrift), mit Briefumschlag: Einschreiben | An | den K. K. Hofrat | Herrn Prof. Dr. W. v. Hartel | Hochwohlgeboren | Wien | Schottenring neben Hôtel de France, Briefmarke mit Poststempel ausgeschnitten, unter der Adresse Aufkleber: Strassburg (Els.) 3 | R | Eingeschrieben | No 54., am Rand hs. Vermerk: Fr[anco], quer über die Adresse geschrieben, mit rotem Farbstift umrahmt: Windelband 94, auf der Rückseite des Umschlags Stempel: Prof. Windelband, über dem Verschluss Abdruck eines Petschaftes in Siegellack: Monogramm WW (zwei ineinander verschlungene Versalien), dazu eine Beilage (Abschrift von: Windelband an Ministerialrat Johann Kleemann vom 21.6.1894), UA Wien, Nachlass Wilhelm von Hartel, Korrespondenz W, 131.120.23
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- Physical LocationUniversitätsarchiv Wien
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Windelband an Wilhelm von Hartel, Straßburg, 23.6.1894, 2 S., hs. (dt. Schrift), mit Briefumschlag: Einschreiben | An | den K. K. Hofrat | Herrn Prof. Dr. W. v. Hartel | Hochwohlgeboren | Wien | Schottenring neben Hôtel de France, Briefmarke mit Poststempel ausgeschnitten, unter der Adresse Aufkleber: Strassburg (Els.) 3 | R | Eingeschrieben | No 54., am Rand hs. Vermerk: Fr[anco], quer über die Adresse geschrieben, mit rotem Farbstift umrahmt: Windelband 94, auf der Rückseite des Umschlags Stempel: Prof. Windelband, über dem Verschluss Abdruck eines Petschaftes in Siegellack: Monogramm WW (zwei ineinander verschlungene Versalien), dazu eine Beilage (Abschrift von: Windelband an Ministerialrat Johann Kleemann vom 21.6.1894), UA Wien, Nachlass Wilhelm von Hartel, Korrespondenz W, 131.120.23
Strassburg iE. 23.6.94
Hochgeehrter Herr College,
Angesichts der großen Fülle von Geschäften, die ich nach meiner Rückkehr vorgefunden habe, sehe ich, um Ihnen den schon vorläufig mitgeteilten Entschluß[1] ausführlicher zu motiviren, keinen kürzeren Weg, als indem ich Ihnen umstehend eine Abschrift[2] von meinem Brief an den Herrn Ministerialrat Kleemann mitteile, welche ich vertrauensvoll Ihrer Diskretion anheimgebe. Die sachlichen Gründe, die für mich entscheidend waren, sind darin vollständig erörtert. Wenn ich infolge deren zu der Ueberzeugung von der Aussichtslosigkeit weiterer Verhandlungen kam, so wirkte dabei das zögernde Verhalten der Regierung allerdings mit. Man wußte dort, wie Sie mir selber sagten, daß meine Berufung ein beträchtliches Hinausgehen über die Durchschnittsbezüge erfordern würde, und man war vor der Mitte der vorhergehenden Woche an auf meine persönliche Anwesenheit vorbereitet, welche eine Klärung der Sache mit der dort gewünschten Beschleunigung herbeiführen sollte. Leider jedoch vermochten die Herrn bei meinem Erscheinen am Montag nicht zu sagen, wie weit sie etwa mit Ihren Anerbietungen unter Zustimmung des Finanzministeriums würden gehen können, und auch am folgenden Tage war die Angelegenheit um keinen Schritt fortgerückt; vielmehr wurde ich nur gebeten, meine Anforderungen schriftlich zusammenzustellen, dabei aber noch mit größerer | Intensität auf die erheblichen Schwierigkeiten aufmerksam gemacht, denen die Gewährung beim Finanzministerium begegnen würde. Wenn sich nun zu diesem Eindruck der andere gesellte, daß das wunderbar schöne, aber ebenso theuere Leben Wienʼs für mich nur bei einer völlig ausgiebigen Einnahme möglich sein würde, und wenn die große Differenz in Betracht kam, die immer noch zwischen dem, was ich als Minimum sollte fordern müssen, bestehen bleibt, so wird es mir nicht verargt werden können, daß ich, je mehr ich die Sache bedachte, um so mehr sie für aussichtslos hielt. Dann aber konnte ich es nicht mehr verantworten, Ihre gütigst beabsichtigte Intervention in Anspruch zu nehmen; denn wenn ich ohne Entscheidung hierher zurückkam, so wären mir zweifellos hier Anerbietungen gemacht worden, die dann wieder meine Anforderungen für Wien gesteigert hätten, und es wäre zu einem Hin und Her von Verhandlungen gekommen, von dem ich doch schließlich nur etwa Vorteile für mich, aber nicht den von Ihnen gewünschten Ausgang hätte erwarten dürfen. Damit war für mich der Verzicht geboten, – ein Verzicht, der für mich um so schwerer ist, als er zugleich derjenige auf das Zusammenwirken mit Ihnen und mit den andern Herrn, welche sich für meine Berufung interessiert haben, und auf den Eintritt in eine Fakultät ist, die mich durch ihre Nomination so hoch geehrt[3] hat. Sie werden mich verbinden, hochgeschätzter Herr College, wenn Sie die Güte haben wollen, Ihren Herrn Collegen den Ausdruck dieser Gefühle und meines aufrichtigen Dankes zu übermitteln.
In vorzüglicher Hochachtung Ihr dankbar ergebner
Windelband
Kommentar der Herausgeber
3↑durch ihre Nomination so hoch geehrt ] nicht ohne Rückwirkung an der Straßburger Universität, vgl. Windelband: Jahresbericht. Erstattet von dem Prorector. In: Das Stiftungsfest der Kaiser-Wilhelms-Universität Strassburg am 1. Mai 1895. Strassburg: J. H. E. Heitz (Heitz & Mündel) 1895, S. 8: Die statistische Pflicht des Berichterstatters verlangt von mir die Erwähnung, dass ich selbst im vergangenen Sommer eine Berufung an die Wiener Universität abgelehnt und dafür allerseits gütige, dankbar von mir empfundene Anerkennung erfahren habe, darunter des Statthalters Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst Rede bei einem Diner des Rektors der Universität, Professors Windelband, am 25. Juni 1894: Meine Herren! Die freundlichen Worte Seiner Magnifizenz, für die ich meinen aufrichtigen Dank sage, geben mir Gelegenheit, nicht nur den Rektor Magnifikus, sondern auch den Philosophen zu begrüßen. Es ist das erstemal, seit ich hier in Straßburg bin, daß ein Philosoph von Fach das Rektorat führt. Und wenn ich diese Tatsache mit besonderem Interesse hervorhebe, so wollen Sie die Erklärung dafür in dem Umstand finden, daß mir das philosophische Studium nie ganz fremd geworden ist und daß meine Jugend in eine Zeit fiel, wo die Philosophie den Mittelpunkt des akademischen Studiums bildete, von dem aus, wie wir meinten, die Lichtstrahlen ausgingen, welche die andern Disziplinen zu erleuchten berufen seien. Das hat sich nun geändert. Es scheint mir, daß sich die studierende Jugend mehr und mehr von der Philosophie abwendet, sei es, daß sie mit Virchow erkennt, daß wir aus dem philosophischen Zeitalter in das naturwissenschaftliche übergegangen sind, sei es, daß sie abgeschreckt wird durch die verneinenden und zerstörenden Tendenzen der neuesten Philosophen, deren Studium in uns fast den Wunsch rege machen könnte, es möge Dr. Falb recht haben, der prophezeit, daß im Jahre 1899 ein Komet die Erde zerstören werde, wo denn alles menschliche Gewürm, inklusive Uebermenschen und Herdentiere, weggefegt werden würde. Unser verehrter Rektor gehört solcher Richtung nicht an. Ihm sind die „veritates aeternae“ kein überwundener Standpunkt. Und wenn er auch ein Mann seiner Zeit ist, so weiß er doch in der Jugend die ideale Weltanschauung lebendig zu erhalten, ohne die das Leben einen Wert hat. Und dazu wünsche ich ihm und uns und der Universität Glück und hoffe, daß er uns trotz aller Gerüchte über auswärtige Berufungen noch lange erhalten bleiben möge. Lassen Sie uns darauf unser Glas leeren und stimmen Sie ein in den Ruf: Die Kaiser-Wilhelms-Universität und ihr ehrwürdiger Rektor – sie leben hoch! (Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Im Auftrage des Prinzen Alexander zu Hohenlohe-Schillingsfürst hg. v. Friedrich Curtius. 2. Bd., 16.–20. Tsd. Stuttgart/Leipzig: Deutsche Verlags-Anstalt 1907, S. 512–513.)▲
