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- TitleWindelband an Johann Kleemann, Straßburg, 21.6.1894, 5 S., hs. von anderer Hand, Abschrift (Beilage zu: Windelband an Wilhelm von Hartel vom 23.6.1894), auf der 1. S. oben von Windelband bezeichnet: An Herrn Ministerialrat Dr. Kleemann. Wien, UA Wien, Nachlass Wilhelm von Hartel, Korrespondenz W, 131.120.23
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- Physical LocationUniversitätsarchiv Wien
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Windelband an Johann Kleemann, Straßburg, 21.6.1894, 5 S., hs. von anderer Hand, Abschrift (Beilage zu: Windelband an Wilhelm von Hartel vom 23.6.1894), auf der 1. S. oben von Windelband bezeichnet: An Herrn Ministerialrat Dr. Kleemann. Wien, UA Wien, Nachlass Wilhelm von Hartel, Korrespondenz W, 131.120.23
Straßburg i/E. den 21. Juni 1894
Hochgeehrter Herr Ministerialrat,
Meiner Zusage gemäß beehre ich mich Ew. Hochwohlgeboren das Ergebnis meiner Überlegungen in Betreff der Anfrage wegen der Übernahme der Professur der Philosophie an der Wiener Universität im Folgenden ganz ergebenst mitzuteilen.
Nach den Eindrücken, welche ich in Wien selbst hinsichtlich der gesamten Lebensverhältnisse hatte, kommt es doch schließlich darauf hinaus, daß ich, um in dem bisherigen Stande zu bleiben, approximativ dort ebenso viel Gulden einnehmen müßte wie hier Mark, d. h. 10–11000 fl. Davon dürften – zumal nach dem Wegfall der juristischen Zwangsvorlesungen[1] – nur 1–2000 fl. auf Collegiengelder zu rechnen, der Rest also durch feste Bezüge zu decken sein. Dabei wäre noch nicht mitgerechnet, daß die sehr viel ungünstigeren Bestimmungen der Wittwen- und Waisen-Pension eine Ausgleichung der Kosten einer entsprechenden | Lebensversicherung oder ähnlicher Maßnahmen erheischen würden. Dabei wäre weiterhin nicht in Rechnung gezogen, daß die Aufgabe einer so erfolgreichen Stellung, wie ich sie hier habe, und der Übertritt in völlig neue Verhältnisse, welcher für mich eine empfindliche Unterbrechung meiner Arbeit und ein Einleben in veränderte Thätigkeitsformen, für meine ganze Familie eine Herauslösung aus dem ganzen bisherigen Lebenskreise bedeuten würde; doch im Grunde genommen nur durch eine wesentliche Verbesserung unserer finanziellen Lage gerechtfertigt erschienen dürften. Dabei wäre endlich nicht in Betracht gezogen, daß, sobald ich mich auf weitere Verhandlungen einließe, ich sicher überzeugt wäre mit Anerbietungen rechnen zu müssen, die mir von Seiten der hiesigen Regierung für den Fall meines Bleibens gemacht werden würden, – wie es ja auch in meinen Unterredungen mit Ew. Hochwohlgeboren und mit dem Herrn Sectionschef zur Sprache kam.
Die Ziffer, bis zu welcher sich unter diesen[a] | Umständen meine[b] Anforderungen steigern müßten, läßt sich nicht genau bestimmen; aber sie wäre auf alle Fälle ganz ausserordentlich hoch. Indessen darf ich nach den mündlichen Verhandlungen von allen beteiligten Seiten in Wien hoffen, daß man darin keine persönliche Unbescheidenheit, sondern nur das unter den gegebenen Verhältnissen unerläßliche Ergebniß der kühlen Erwägungen des pater familias sehen werde.
Dem gegenüber teilten mir Ew. Hochwohlgeboren gütigst mit, daß das erreichbare Maximalgehalt an der Wiener philosophischen Fakultät zur Zeit 5500 fl. betrage, daß dazu, wenn die Einwilligung des Finanzministeriums zu erreichen sei, ein Wohnungszuschlag von 800, und im günstigsten Falle von 1200 fl. treten könnte. Nähme man dazu noch eine Remuneration[2] für Seminarleitung im Betrage von 4–500 fl.[c], so rechneten sich als feste | Bezüge etwa 7000 fl. zusammen: so erschien es mir bei unsrer letzten Unterredung am Dinstag[d].
Gesetzt nun auch, diese Summen ließen sich durch ein freundliches Entgegenkommen der K. K. Regierung noch in der einen oder der anderen Weise erhöhen, so muß ich doch, je länger ich die Sache erwäge, um so mehr befürchten, daß immer noch eine, für mich nicht annehmbare Differenz gegen das mir zu Wünschende[e] bestehen bleiben würde. Und dazu kommt die weitere Überlegung, daß möglicherweise eine der bisherigen Übung gegenüber exceptionelle Dotation für mich selbst nicht minder bedenklich sein könnte, als für die K. K. Regierung.
Erwäge ich alles dieses, so drängt sich mir die Aussichtslosigkeit weiterer Verhandlungen unwiderstehlich auf, und so halte ich es für geboten, und für alle Teile am besten, | Ew. Hochwohlgeboren zu bitten, Sie wollen meinen schwer erwogenen und schwerer beschlossenen Verzicht auf weitere Verhandlungen gütigst entgegennehmen und mich ermächtigen, die Angelegenheit als erledigt betrachten zu dürfen.
Indem ich Ew. Hochwohlgeboren ersuche, dies zur Kenntniß S[einer] Excellenz des Herrn Ministers sowie des Sectionschefs zu bringen, und mir bald gefälligst Ihre Antwort zukommen zu lassen, zeichne ich mit erneutem Dank für alle erwiesene Güte etc.
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
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