Bibliographic Metadata
- TitleWindelband an Wilhelm von Hartel, Straßburg, 20.6.1894, 4 S., hs. (dt. Schrift), mit Briefumschlag: Herrn | Hofrat Prof. Dr. | W. v. Hartel | Hochwohlgeboren | Wien | Schottenring, neben Hôtel de France, unter der Adresse hs. Vermerk: Fr[anco], mit Poststempel STRASSBURG | 21.6.94. 11–12V. | * (ELSASS) 3 b, über die Adresse geschrieben, mit rotem Farbstift umrahmt: Windelband 94, auf der Rückseite des Umschlags Stempel: Prof. Windelband, daneben Poststempel WIEN 1/1 | 1 | BESTELLT | 22.6.94 | 6½–8 N., UA Wien, Nachlass Wilhelm von Hartel, Korrespondenz W, 131.120.23
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- Physical LocationUniversitätsarchiv Wien
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Windelband an Wilhelm von Hartel, Straßburg, 20.6.1894, 4 S., hs. (dt. Schrift), mit Briefumschlag: Herrn | Hofrat Prof. Dr. | W. v. Hartel | Hochwohlgeboren | Wien | Schottenring, neben Hôtel de France, unter der Adresse hs. Vermerk: Fr[anco], mit Poststempel STRASSBURG | 21.6.94. 11–12V. | * (ELSASS) 3 b, über die Adresse geschrieben, mit rotem Farbstift umrahmt: Windelband 94, auf der Rückseite des Umschlags Stempel: Prof. Windelband, daneben Poststempel WIEN 1/1 | 1 | BESTELLT | 22.6.94 | 6½–8 N., UA Wien, Nachlass Wilhelm von Hartel, Korrespondenz W, 131.120.23
Strassburg iE. 20.6.94
Sehr verehrter Herr College,
Die lange und einsame Fahrt hat den Entschluß[1] zur Reife gebracht, der, wie Sie sahen, sich schon in Wien entwickelte und nur durch Ihre liebenswürdige Zusprache von der sofortigen Ausführung zurückgehalten wurde. Je mehr und je unbefangner ich die mir bekannt gewordenen Verhältnisse, das Zögern der Regierung und die Notwendigkeit dessen, was ich beanspruchen müßte, gegen einander abwäge, um so deutlicher wird mir die Aussichtslosigkeit weiterer Verhand|lungen, die sich nun auch durch etwaige hiesige Angebote verwickeln müßten. Eben wegen dieser meiner Ueberzeugung kann ich es aber auch nicht verantworten, Ihre so gütig in Aussicht genommene Einwirkung zu veranlassen. ich werde daher morgen – oder wenn ich sehr viel angehäufte Rectoratssachen vorfinde, übermorgen – an Herrn Kleemann unter genauer Darstellung und Begründung den Wunsch aussprechen[2], daß ich die Sache als erledigt ansehen dürfe. Zugleich werde ich noch Ihnen | meine Ueberlegungen im Genaueren darlegen; heute bin ich, eben zurückgekehrt, dazu nicht mehr im Stande: aber ich lege Werth darauf, Ihnen durch diesen meinen morgen mit dem frühsten abzusendenden Brief den Entschluß, ehe ich hier die Regierung gesprochen habe, mitzuteilen. ich thue es nicht, ohne zugleich auch in dieser vorläufigen Form meinen herzlichsten Dank für alle Ihre gütige Gesinnung und Bemühung und das herzliche Bedauern darüber auszudrücken, | daß aus der mir schnell wertvoll gewordenen Bekanntschaft sich ein Zusammenwirken nicht entwickeln soll. Indem ich mir weiteres für die folgende ausführlichere Mitteilung vorbehalte, schließe ich diese eiligen Zeilen mit dem Ausdruck der ausgezeichneten Hochachtung, mit der ich bin Ihr ergebenster
Windelband
Kommentar der Herausgeber
1↑Entschluß ] zur Ablehnung des Rufes an die Universität Wien, einem Politikum 1. Ranges, vgl. die nachfolgenden Schreiben Windelbands an v. Hartel. 1884 hatte Franz Brentano (1838–1917) sein Ordinariat aufgeben müssen, da er, obwohl Priester, aus Protest gegen das päpstliche Unfehlbarkeitsdogma aus der katholischen Kirche ausgetreten war und geheiratet hatte, worauf er die österreichische Staatsbürgerschaft verlor. Brentano lehrte weiter als Privatdozent, gab seine Privatdozentur jedoch 1895 auf, da er sein Ordinariat nicht wiedererlangen konnte. Sein Schüler Anton Marty (1847–1914) wurde 1894 ebenfalls nicht berufen, Windelband lehnte ab, vgl. die Meldung in Hochschul-Nachrichten (Paul von Salvisberg) vom Juli 1894 sowie die Notiz: Eine Universitäts-Affaire. In: Tages-Post (Linz), Nr. 275 v. 1.12.1894, S. 3 (ANNO): Es fehlte nicht an Versprechungen mannigfacher Art, die auch dahin giengen, daß ein psychologisches Institut, mit Brentano an der Spitze, errichtet werden sollte. Die Facultät schlug wiederholt Brentano unico loco für die Besetzung der zweiten philosophischen Lehrkanzel vor, ja, sie beantragte sogar, um Brentanos Kraft für Wien zu erhalten, die Errichtung einer dritten philosophischen Lehrkanzel, indem sie gleichzeitig zur Besetzung der zweiten Lehrkanzel die Professoren Marty und Jodl aus Prag und Windelband (Stuttgart [!]) vorschlug. Von Seite der Unterrichtsverwaltung geschah aber weder das eine, noch das andere. Man trat sogar, ohne mit der Facultät Fühlung zu nehmen, mit Professor Bäumker in Breslau in Verbindung, den Professor Brentano als „Kathologen“ bezeichnet, d. h. man wollte einen Philosophen clericaler Richtung. Berufen wurde schließlich 1895 Ernst Mach (vgl. Georg-Simmel-Gesamtausgabe Bd. 22, S. 162–163).▲