Bibliographic Metadata
- TitleWindelband an Heinrich Rickert, Straßburg, 24.3.1892, 3 S., hs. (dt. Schrift), UB Heidelberg, http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/heidhs2740IIIA-224_7
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Windelband an Heinrich Rickert, Straßburg, 24.3.1892, 3 S., hs. (dt. Schrift), UB Heidelberg, http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/heidhs2740IIIA-224_7
Strassburg, 24. März 1892.
Lieber Herr College,
Seien Sie also nochmals um Verzeihung gebeten dafür, daß ich Ihr Werk[1] so lange bei mir habe lagern lassen und daß Ihnen nun – ridiculus mus[2] – ein Häufchen fragmentarischer Glossen[3] daraus entgegenkommt. Natürlich treffen diese Bemerkungen in der Hauptsache solche Puncte, wo ich Schwierigkeiten gefunden habe; sie bringen daher in keiner Weise die Gesammtwirkung zum Ausdruck, welche Ihre Arbeit auf mich gemacht hat. Ich habe sie im Ganzen dreimal gelesen und habe jedesmal mehr Freude daran gehabt. Davon, wie sympathisch mir Art und Richtung Ihres Denkens und auch die bewegte Form der Darstellung sind, will ich nicht erst reden; das versteht sich von selbst. Um so mehr muß ich sagen, daß ich Ihrer Untersuchung vielfache Anregung | verdanke und viele Ihrer Ausführungen für ergiebige Angriffe auf die letzten Probleme der Ph[ilosophie] halte. Ihre dreifache Sonderung des Verhältnisses von Subject und Object ist – trotz der Aporien, die ich erwähnt habe – sehr fein und instructiv, man könnte nach ihr geradezu eine historisch-kritische Beleuchtung aller erkenntnißtheoretischen Standpuncte vornehmen. Besonders förderlich aber erscheint mir der Gedanke, die neuere Theorie vom Urtheil zum Nachweis der Transzendenz zu verwenden: die „Urtheilsnothwendigkeit“ kommt damit in neues Licht. Freilich thun sich da ebenfalls wieder die alten Probleme auf, welche in dem Gegensatz des Thatsächlichen und des Normativen ihren Ursprung haben, und diese Perspective habe ich nicht im Besondern verfolgt. Denn Sie thun sehr recht daran, | darauf nicht erst genauer einzugehen, sondern die Constatirung der normativen Nothwendigkeit für Ihre Aufgabe zu verwerthen. Mit den Gegnern oder falschen Freunden haben Sie Sich famos aus einander gesetzt. Genug, ich glaube Ihnen zu dem Wurf gratuliren zu können und hoffe, man wird es bald gedruckt sehen. Es sind gar Viele, die daraus lernen sollten.
Es freut mich, durch verschiedene Nachrichten von dem guten Bestande Ihrer Gesundheit gehört zu haben: mag es so bleiben! Ich habe ein böses, viel beschäftigtes Semester[4] hinter mir und will morgen fort, um ein paar Tage Südluft zu schnuppern.
Mit herzlichem Gruß Ihr getreuer
Windelband
Kommentar der Herausgeber
2↑ridiculus mus ] vgl. Horaz: De arte poetica 139: Parturient montes, nascetur ridiculus mus: Die Berge kreißen, geboren wird eine lächerliche Maus.4↑viel beschäftigtes Semester ] vgl. z. B. die Meldung der Hochschul-Nachrichten (Paul von Salvisberg) WS 1892/93, Nr. 22 vom 26.11.1892, S. 17: Straßburg. Populäre Vorträge. Nach der günstigen Aufnahme, welche die im vorigen Winter [1891] stattgehabten gemeinverständlichen Vorträge hatten, erklärten sich die Professoren Windelband, Varrentrapp, Schwalbe, Gerland u. Dehio bereit, auch im kommenden Winter derartige Vorträge an den Sonntagsnachmittagen im großen Saale des Civilcasinos zu halten.▲