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- TitleWindelband an Eduard Zeller, Straßburg, 14.5.1888, 3 S., hs. (dt. Schrift), UB Tübingen, Autographensammlung Md747-846
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Windelband an Eduard Zeller, Straßburg, 14.5.1888, 3 S., hs. (dt. Schrift), UB Tübingen, Autographensammlung Md747-846
Strassburg i.E 14 Mai 1888
Sehr verehrter Herr Geheimrath!
Indem ich mir gestatte, Ihnen einen Abdruck der Uebersicht über die Geschichte der alten Philosophie, welche ich für das Iwan Müller-Becksche Handbuch der Alterthumswissenschaft geliefert habe, mit der Bitte um gütige Aufnahme zu übersenden, füge ich dem Berichte meines Vorworts[1] über die Entstehung der Schrift persönlich das Geständniß hinzu, daß es mir große Ueberwindung gekostet hat, unter diesen Umständen den Leitern jenes Unternehmens gegenüber nicht wortbrüchig zu werden. Denn nach außen hin mußte ich fürchten, in die lächerliche Situation zu kommen, daß doch Einer oder der Andre meinen wird[2], ich hätte mit Ihnen auf Ihrem Gebiete concurrieren wollen, – und innerlich ist es eine schwere Pönitenz, ein Buch zu schrei|ben, welches soeben von der berufensten Feder geschrieben worden ist. Mochte auch der Gesammttenor des „Handbuchs“ meine Aufgabe (namentlich in Bezug auf Auswahl aus Literatur, Streitfragen etc.) etwas verschieben, in der Hauptsache mußte doch auch ich den Studenten und den in einiger Abgeschlossenheit sich weiter bildenden Philologen als Leser im Auge haben.
So will ich denn nicht verschweigen, daß ich, um jede unbewußte Abhängigkeit von Ihrem „Grundriß“[3] zu vermeiden, mir die Lektüre desselben versagt habe bis nach Abschluß meines Manuskripts. Um so bewußter und um so dankbewußter ist, wie Sie sehen werden, meine Abhängigkeit von Ihrem großen Werk: sie ist es auch an solchen Stellen, wo meine Auffassung der Quellen mich zu anderen Ansichten geführt, als die Ihrigen.
Und so ist mir der Abschluß dieser Arbeit, | die unter einer mühseligen Ueberlastung mit Amtsgeschäften langsam erwachsen ist, von Neuem erwünschter Anlaß, Ihnen die hohe Verehrung auszusprechen, mit der ich allzeit bin Ihr ganz ergebenster
Windelband
Kommentar der Herausgeber
1↑Vorworts ] im Nachwort, S. 336f. aus Windelband: Geschichte der alten Philosophie. In: Geschichte der antiken Naturwissenschaft und Philosophie, bearbeitet v. Sigmund Günther u. W. Windelband. Nördlingen: C. H. Beck 1888 (Handbuch der klassischen Altertums-Wissenschaft in systematischer Darstellung mit besonderer Rücksicht auf Geschichte und Methodik der einzelnen Disziplinen. In Verbindung mit … hg. v. Iwan Müller. Bd. 5, 1. Abt.) heißt es: Als vor mehr als fünf Jahren an mich der Auftrag erging, für dies Handbuch der klassischen Altertumswissenschaft eine Übersicht der Geschichte der Philosophie im Altertum auf etwa 10 Bogen zu geben, existierte ein für den damit umschriebenen Zweck berechnetes und ihm genügendes Kompenium der antiken Philosophie noch nicht. Hätte ich damals gewusst, dass der Meister der „Philosophie der Griechen“ im Begriffe war, dies Bedürfnis zu befriedigen, so würde dies die Bedenken, welche ich ohnehin hegte, sicher zu negativer Entscheidung gesteigert haben. Der einmal eingegangenen Verpflichtung habe ich mich nicht entziehen zu dürfen geglaubt, auch nachdem das Erscheinen von Zellers Grundriss meine Arbeit gegenstandslos zu machen schien. Ich habe meine Aufgabe lediglich darin gesehen, denjenigen, die dies Handbuch studieren, den philosophischen Gehalt des Altertums in möglichst klaren, scharf ausgeprägten Zügen zum Bewusstsein zu bringen. Im besonderen wünsche ich zu konstatieren, dass die Bogen, welche über Platon handeln, bereits im Dezember vorigen Jahres gedruckt waren, dass ich also auch bei der Korrektur noch nicht die geringste Kenntnis von der Schrift Edmund Pfleiderer’s „Zur Lösung der platonischen Frage“ (Freiburg i.B. 1888) hatte, in der ich jetzt eine Auffassung der Republik finde, welche sich mit der meinigen, übrigens seit Jahren auf dem Katheder vorgetragenen, in einigen Punkten berührt. Strassburg i./E., Ostern 1888. Windelband hat Zeller wahrscheinlich den Sonderdruck seines Beitrags (Nördlingen 1888) geschickt, dem dieses Nachwort als Vorwort vorangestellt ist.2↑meinen wird ] vgl. Wilhelm Dilthey an Paul Graf Yorck von Wartenburg von Anfang Juni 1888: Mache aufmerksam, daß von Windelband (in der Sammlung philosophischer Handbücher) eine Geschichte der alten Philosophie, so entstanden aus Exzerpten aus Zeller, dann geistreich komplettiert, in manchem gescheit, in allem oberflächlich, doch hübsch zu lesen (Wilhelm Dilthey Briefwechsel Bd. 2 1882-1895. Hg. v. G. Kühne-Bertram u. H.-U. Lessing. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2015, S. 181).▲