Bibliographic Metadata
- TitleWindelband an Friedrich Theodor Althoff, Straßburg, 30.11.1882, 6 S., hs. (dt. Schrift), Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin, VI. HA Nl Althoff, F. T. Nr. 1020
- Creator
- Recipient
- ParticipantsAlfred Dove ; August Krohn ; Benno Erdmann ; Carl Ledderhose ; Christoph Sigwart ; Eduard Zeller ; Ernst Laas ; Friedrich Heinrich Geffcken ; Friedrich Paulsen ; Friedrich Theodor Althoff ; Georg Elias Müller ; Gustav Glogau ; Gustav Thaulow ; Hans Vaihinger ; Heinrich Jordan ; Heinrich Karl von Stein ; Hermann Helmholtz ; Hermann Lotze ; Johann Gustav Droysen ; Julius Walter ; Julius Weizsäcker ; Karl Dilthey ; Kuno Fischer ; Otto Liebmann ; Paul Yorck von Wartenburg ; Richard Schöne ; Sokrates ; Theodor Hubert Weber ; Victor Ehrenberg ; Wilhelm Dilthey
- Place and Date of Creation
- Series
- Physical LocationGeheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin
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Windelband an Friedrich Theodor Althoff, Straßburg, 30.11.1882, 6 S., hs. (dt. Schrift), Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin, VI. HA Nl Althoff, F. T. Nr. 1020
Strassburg[a] i/Els. 30 Nov[ember] 1882
Sehr verehrter Herr Geheimerath!
Empfangen Sie meinen herzlichen Dank für Ihr überaus liebenswürdiges Schreiben, das mir sehr große Freude bereitet hat, – theils wegen der Aussicht, daß Gl[ogau] in absehbarer Zeit aus seiner prekären Lage[1] befreit werden soll, theils wegen Ihrer freundlichen Äußerung über meine eigne Angelegenheit, in der ich Sie bitte, mir eine vertrauliche Rechtfertigung meiner Anspielung gütigst erlauben zu wollen.
In der That war ich in Gefahr, von einer Stimmung nicht des Grolls – denn ich hätte nicht gewußt gegen wen –, wol aber des Mißmuths erfaßt zu werden. Von der Breslauer Angelegenheit[2] waren mir, solange ich Sie hier sah, nur Pläne und Anfragen bekannt: erst am Tage nach Ihrer Abreise erfuhr ich aus Br[eslau], daß man mich dort in erster Linie[3] vorgeschlagen hatte. Es widerstrebte mir, unsre eben gemachte, von Ihnen in so freundlicher Weise eröffnete Bekanntschaft vorher durch ein Besprechen unsicherer Möglichkeiten oder nachher durch | persönliche Vorstellungen für mich zu fructifiziren; um so mehr, als ich mir alle die sachlichen Bedenken vorhielt, die Sie jetzt selbst andeuten, die ich vollkommen anerkenne, und nach denen ich in Ihrer Stelle selbst gehandelt haben würde. Deshalb beschränke ich mich darauf, nur meinen alten Freund Jordan[4] darauf hinzuweisen, meine hiesige Stellung sei durchaus nicht so glänzend, daß ich in dieser Rücksicht um ihretwillen übergangen zu werden verdiente. Jordan hat – wie es bei der ihm eignen feinen Discretion nicht anders von mir erwartet worden war – mir über den Verlauf der Sache kein Wort berichtet, und um so werthvoller ist mir Ihrer heutige Mittheilung als die erste zugleich und die denkbar authentischste. Denn das Einzige, was ich sonst noch gehört, war vor etwa 14 Tagen durch einen Breslauer Freund die Nachricht, daß die Sache für Paulsen entschieden[5] sei.
Daß ich nicht darüber erfreut war, mich einfach, wie ich meinen mußte, übergangen zu sehen, wird Sie nicht Wunder nehmen. Weiß ich doch auf das Positivste, daß ich in Freiburg, hätte ich den hiesigen Ruf abgelehnt, wie es der Minister in vielen Hinsichten dringend wünschte, ein Gehalt von der absoluten Höhe des hiesigen, | also relativ mehr, und wer weiß was sonst noch Alles leicht erreicht hätte: ich muß froh sein – und ich habe das bei der Annahme gewußt –, wenn ich hier in den äußeren Verhältnissen ebenso hoch komme wie dort. In der akademischen Stellung kann ich nicht einmal Dies hoffen: dort der alleinige Vertreter meines Faches, der selbständige Herr eines von mir geschaffenen Seminars, in befestigter Stellung unter den Collegen, dicht am Dekanat – hier ein jüngstes Fakultätsmitglied, das seine Lehrthätigkeit mit einem älteren Collegen[6] theilt und seine Seminarübungen, da die Direction nicht theilbar sei noch alterniren könne, halb und halb unter Aegide des Anderen abhält. Dazu erfahre ich, da ich darum nicht zu ambiren gewöhnt bin, aus der Zeitung, daß an Liebmann’s Stelle nicht ich, sein Nachfolger, in die Prüfungscommission eingetreten ist. Muß da nicht bei den Studenten, bei denen ich mich sonst meines Erfolges sehr freuen darf, die Vorstellung entstehen, als bekleide ich eine Art von „Professur zweiter Güte“? – eine Wirkung, von der ich nicht weiß, wie sie mit dem Wunsche derjenigen sich verträgt, die eine weniger positivistische Richtung in der Bildung der Studenten für angezeigt halten. Und wenn ich mir nun sagen mußte, daß ich mit der Annahme dieser Stellung mit eine so ganz andere | Position, die Breslauer, verdorben hätte, wenn ich befürchten mußte, daß sich Aehnliches wiederholte; mußt’ ich mich da nicht fragen, ob ich nicht die Ehre, Mitglied der Reichsuniversität zu werden, etwas theuer bezahlt hätte? mußt’ ich nicht meinen Entschluß vor Pfingsten zu bereuen anfangen und Verständniß für Liebmann gewinnen, der schließlich eine kleine Universität[7] vorgezogen hat?
Um mich aus dieser Stimmung, die mich zu umspinnen drohte, zu befreien, ging ich zu unsrem Kurator, der mir mit der größten Liebenswürdigkeit entgegenkam. Ihm schien die Br[eslauer] Sache neu zu sein; er versprach, daß alle meine Wünsche berücksichtigt werden sollten, sobald und soweit es möglich sei; und stellte in Aussicht, daß mir das höhere Gehalt, welches nach den Berufungsverhandlungen mir erst von 1 Oct[ober] 83 an zustehen sollte, schon sofort mit meinem Eintritt in Kraft treten solle. Noch vor Weihnachten, denke er, solle das erledigt werden. Das ist nun freilich nicht eine „Gehaltserhöhung“, sondern nur, wenn ich so sagen darf, eine einmalige Abschlagszahlung (im Betrage von 600 Mk.). Wenn nun inzwischen auch Sie die Güte gehabt haben, ihn für mich zu interessiren[8], so zweifle ich | nicht, daß mir wenigstens diese kleine Genugthuung zu Theil werden wird: ob mir unter dem Eindruck Ihres Schreibens weitere Concessionen, auf die ich natürlich nicht dringen kann, zu machen sind, bleibt dahingestellt.
Jedenfalls hat das sehr liebenswürdige Entgegenkommen, das ich dort fand, schon den Zweck erreicht, den ich verfolgte: die Befreiuung von jener mißmuthigen Stimmung; und die letzten Schatten derselben sind nun durch Ihren gütigen Brief verscheucht worden. Herzlich danke ich Ihnen für die große Freundlichkeit, mit der Sie, ohne daß ich bisher etwas davon geahnt, zu meinem Vortheil thätig gewesen sind, wo Sie doch einmal durch die Sachlage, wie ich wohl einsehe, außer Stande waren, mich nach Br[eslau] zu berufen: nicht minder herzlich aber danke ich für den Ausdruck des Vertrauens, den Ihre lieber Brief für mich enthält! – –
Hätten Sie doch irgendwo an einer Universität, wo sonst schon für die Philosophie gesorgt ist, auch ein Extraordinariatchen für unsern Vaihinger bereit! Es geht ihm, wie es scheint, doch garnicht gut; er ist doch nun einmal in der Laufbahn, und für | die Fakulät, die immerhin doch daran betheiligt ist, fängt er, wenn ich vertraulich darüber sprechen darf, an, eine Calamität[9] zu werden. Wird nicht vielleicht Paulsen’s Stelle wiederbesetzt?
Mit meinen Vorlesungen bin ich sehr zufrieden: ich habe in der Logik über 40 Zuhörer, worunter auch viel Juristen, und mit meinem Publicum habe ich ins größte Auditorium wandern müssen. – Auch die Vorträge des Frauen-Vereins kommen in der Anzahl von 6 zu Stande; ich werde im Januar über Socrates[10] sprechen. Vorgestern hat Geffken[11] mit „Freiherr von Stein“ angefangen; leider war ich nicht dabei, weil ich mehrere Tage durch eine heftige Neuralgie an’s Zimmer gefesselt war, – eine Art der Acclimatisation, der leider auch meine Frau unterliegt; während sonst wir und die Kinder uns recht gut in die neue Existenz eingelebt haben. Mögen Sie und Ihre verehrte Frau Gemahlin Sich in Berlin recht wohl fühlen: ich bitte, Ihnen beiden meine Frau und mich anlegentlichst empfehlen zu dürfen und bleibe in treuer Verehrung Ihr dankbar ergebner
Windelband
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
2↑Breslauer Angelegenheit ] Windelband war als Nachfolger Wilhelm Diltheys, der nach Berlin berufen war, im Gespräch, vgl. W. Dilthey an Richard Schöne vom 21.9.1882, es bedürfe dort eines Philosophen, welcher ein auf umfassenderem Studium beruhendes Verständniß der positiven Wissenschaften der Natur und des Geistes besitzt, um neben dem katholischen Kollegen Theodor Hubert Weber, der v. a. von Theologen gehört werde, die Mathematiker, Naturforscher, Historiker und Philologen zu unterrichten. In Bezug auf die Personen, welche hiernach in Vorschlag kommen konnten, schienen Windelband und Paulsen keinen Widerstand zu finden (Wilhelm Dilthey Briefwechsel Bd. 2 1882–1895. Hg. v. G. Kühne-Bertram u. H.-U. Lessing. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2015, S. 11–12); dazu auch W. Dilthey an Eduard Zeller vom 26.7. u. 8.10.1882 sowie schließlich an Graf Paul Yorck von Wartenburg vom 1.11.1882: Nach Breslau waren Windelband, Paulsen und Siebeck […] vorgeschlagen. Die Regierung will nicht nur Windelband nicht, sondern hat sich von seinen Procedés, eben in Straßburg etc. sehr verletzt gefunden (Wilhelm Dilthey Briefwechsel Bd. 2 1882–1895, S. 18). Zuvor war Windelband in der Berliner Fakultät im Gespräch gewesen, nachdem die Verhandlungen mit Christoph Sigwart und Kuno Fischer gescheitert waren (Mitteilung durch das Ministerium am 27.4.1882). Am 25. Mai schlug die aus Eduard Zeller, Julius Weizsäcker, Hermann Helmholtz und Johann Gustav Droysen bestehende Kommission Benno Erdmann, Wilhelm Dilthey, Otto Liebmann, Windelband und Georg Elias Müller vor. Die Fakultät beschloß gleichrangig Erdmann und Dilthey vorzuschlagen (UA HU Berlin).3↑mich dort in erster Linie ] die erste Vorschlagsliste der Breslauer philosophischen Fakultät mit Windelband auf Platz 1 wurde von der Regierung zurückgewiesen, vgl. den vertraulichen Bericht über die Bildung der 2. Liste von Alfred Dove (1879–84 an der Universität Breslau) an Wilhelm Dilthey vom 15.1.1883: Die Sache ist nun folgendermaßen gegangen. Schon in der Kommission ist […] eine Mehrheit erwirkt worden, deren Wünsche denn im wesentlichen auch in der Fakultät dahin durchgedrückt worden sind, daß [Benno] Erdmann, über den allerdings wirklich neben vielem Günstigen auch viel Ungünstiges einberichtet worden war, von der Liste gestrichen ward und die letztere vielmehr also lautet: 1, [Wilhelm] Wundt – ja, ja Wundt, lesen, staunen und lachen Sie über diesen herrlichen Schlag ins Wasser! 2 und 3, zu gleichen Rechten neben einander [Hermann] Siebeck und [Julius] Walter. Diese riskante Strategie sollte auf Julius Walter als einzig in Frage kommenden Kandidaten hinauslaufen, was Dove zu dem ihm selbst unwahrscheinlich scheinenden Gedankenspiel veranlaßte: Ich halte für möglich, daß die Regierung, […] uns noch jetzt dafür beschiede: es sei ihr gelungen, die einer Berufung Windelbands bisher entgegenstehenden äußeren Bedenken nunmehr zu überwinden und sie käme daher auf diesen unseren ersten und vornehmsten Vorschlag gern zurück u. s. w. […] Wir haben da eine nach aller Urtheil – auch Sigwart rühmte ihn soeben wieder unbedingt als den nächsten nach Ihnen – trefflich geeigneten Mann in frischestem Alter, der den hiesigen geistig politischen Schwierigkeiten mit Energie und zugleich mit gutem und feinem Humor begegnen würde. Wir haben einen namhaften Gelehrten, der so preußisch empfindet, daß er überaus gern aus Süddeutschland hierher zurücksiedeln möchte und der deshalb verhältnißmäßig billig zu haben wäre. Und was steht ihm nur im Wege? Mittlerweile ist er ein Semester in Straßburg und ein Ruf an ihn käme nun doch gar nicht mehr so beispiellos früh; ihm zu folgen wäre durchaus nicht unschicklich. Daß damals in unserem ersten Anschreiben auf seine innere Bereitwilligkeit hingewiesen ward, kann ihm doch nicht zu Last gelegt werden. Hat man’s ihm in Berlin verdacht, so kommt uns höchstens dieser unzarte Schritt zuschulden. […] Es entsprang dieser Schritt recht eigentlich aus Ihrer Forderung, lieber Dilthey, uns vorher über Windelbands ernste Gesinnung Gewißheit zu verschaffen. Er hat uns diese Gewißheit gegeben, obwohl er wußte, wieviel er sich dadurch schaden könne. […] Ich und, wie mich dünkt, Sie selbst sind ihm verpflichtet, das zu verhindern; ja Sie schrieben mir ja schon, daß Sie in solchem Sinne das Ministerium bereits begütigt hätten. Ist es Ihnen nicht möglich, nun, wo Ihre besonderen Wünsche inbezug auf Paulsen und Erdmann leider doch vereitelt sind, nach jener Richtung um der Sache willen weiter zu wirken? Da Windelband sich auch jetzt in Straßburg keineswegs recht gefällt – gegen Freiburg kommen ihm Land und Leute durchaus fremdartig vor –, so wäre er auch jetzt noch aufs glatteste zu gewinnen; die Sache könnte in wenigen Tagen abgemacht und die böse Frage, deren Hinausziehen ja selbst politisch unbequem werden kann, aus der Welt sein. Es entzieht sich natürlich durchaus meiner Beurtheilung, inwieweit etwa Rücksichten auf das wiederum nationalpolitische Interesse der Reichslands es geradehin verbieten, einen neuen raschen Wechsel in Straßburg hervorzurufen (Wilhelm Dilthey Briefwechsel Bd. 2 1882-1895. Hg. v. G. Kühne-Bertram u. H.-U. Lessing. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2015, S. 22–26). Berufen wurde im Sommer 1884 schließlich Benno Erdmann, als von der Regierung oktroyierter Kandidat.8↑ihn für mich zu interessiren ] vgl. den Kurator der Universität Straßburg, Carl Ledderhose, an Althoff vom 29.10.1882: Verehrter Freund! Zugleich im Namen des Statthalters, der Sie freundlichst grüßen läßt, sage ich Ihnen besten Dank für Ihre erste und die ihr heute nachgefolgte zweite vertrauliche Mittheilung. Je größer unsere Verlegenheit bei etwaigem Fortgange W.’s [am Rand mit Bleistift von vermutlich Althoffs Hd.: Windelband] gewesen wäre, um so wertvoller ist es mir, daß wir beide solche Correspondenzen streng geheim halten; sonst würden wir sehr bald als Cartellbrüder und gemeingefährliche Consorten ausgeschrien werden. Die Depesche hatte ich, wie Sie sofort erkannt haben werden, so eingerichtet, daß Sie dieselbe vorzeigen könnten, ohne ersichtlich zu machen, daß das „Vernehmen“ sich auf eine Mittheilung von Ihnen zurückführte. Übrigens ist es richtig, daß ich am 2ten Pfingsttage d. J. mit einer Zähigkeit in der Geldfrage behaftet war, die über das sonst übliche Maß etwas hinausging. Ich habe deshalb, als ich noch am Tage des Abgangs der Depesche den Familien-Besuch bei W. erwiderte, anknüpfend an die Frage, wie er mit den Umzugsgeldern ausgekommen sei, mit leichten Scherzensworten angekündigt, daß etwelche Nachhülfe bei ihm am Platze sei; eine Zusage, welche er sofort strahlend erfaßte und kranpfhaft festhielt. Gegen Weihnachten also, wenn die Breslauer Gefahr definitiv beseitigt sein wird, werde ich die von Ihnen befürwortete Gehaltserhöhung beantragen. … Ihnen aber, lieber Althoff, nebst freundlichen Empfehlungen von all den Meinigen die besten und treuesten Wünsche von Ihrem alten Freunde Le. (Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Rep 92 Althoff C Nr. 1055).9↑Calamität ] vgl. den Kurator der Universität Straßburg, Carl Ledderhose, an Althoff vom 29.10.1882: Dem Vaihinger [mehrfach korrigiert aus: Wayinger] habe ich sein Privatdocentenstipendium für dieses Semester bereits überwiesen; wenn irgend thunlich, werde ich ihm noch etwas zulegen. Ihn hier als Professor anzubringen, wird kaum möglich sein. Freund Richter rechnet es ihm an, daß er die vortheilhafte Berufung nach Genf nicht angenommen hat, und plaidiert mit Leidenschaft dafür, daß, wenn überhaupt noch ein Philosoph hier anzustellen wäre, nur von einem den Catholiken genehmen Dozenten die Rede sein könne! (Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Rep 92 Althoff C Nr. 1055). Anläßlich der Ernennung Hans Vaihingers zum Extraordinarius (mit Lehrauftrag u. Gehalt) zum 5.6.1883 versuchte die Fakultät, vom Kuratorium der Universität Straßburg die Einrichtung eines weiteren etatmäßigen Extraordinariats zu erlangen. Dazu kam es nicht (vgl. ADBR Strasbourg, 103 AL 260 Bl. 76). Vgl. für den Kontext der Kalamität den vergleichbaren Fall der Privatdozenten an der medizinischen Fakultät in Straßburg 1888: Ich hatte unter den Straßburger Privatdozenten große Unzufriedenheit gefunden. Es gab da eine ganze Anzahl schon etwas älterer Herren, die sich bald nach der Gründung der Universität habilitiert hatten. Sie waren nach Straßburg gegangen, als in unserem Vaterlande noch einer schöner Rausch von fröhlicher siegesfroher Begeisterung herrschte, der der deutschen Hochschule im wiedergewonnenen Reichslande entgegenjubelte als einer Vorburg deutscher Wissenschaft […] Der Erfolg des Privatdozenten ist die Berufung auf einen Lehrstuhl und es gibt Zeiten, wo die Vakanzen fehlen, und es gibt auch Zeiten, wo eine Fakultät einer Universität auffallend lange leer ausgeht, ohne daß man immer sagen kann warum? […] Da aber der Privatdozent bei solcher Verstimmung den selbstverständlicherweise für das Unheil verantwortlichen Ordinarius in erreichbarer Nähe zu haben wünscht, so mußten jetzt in Straßburg die Häupter der eigenen Fakultät herhalten, und da man ihnen sonst nichts Böses nachsagen konnte, so machte man ihnen daraus einen schweren Vorwurf, daß sie mit der Verleihung des Prof. extraord. geizten. Es war richtig, daß in dieser Hinsicht ein starkes Mißverhältnis bestand zwischen Straßburg und den benachbarten badischen Universitäten Freiburg und Heidelberg. Dort wurde […] dem Privatdozent, falls er sich nichts zuschulden kommen läßt, nach ungefähr fünf Jahren der Charakter des Prof. extraord verliehen. Die Verleihung eines solchen Titels hat nichts zu tun mit der Beförderung des Privatdozenten zum Extraordinarius, wenn diese unter gleichzeitiger Verleihung eines Lehrauftrags geschieht […]. In Straßburg hatte man bisher nur ganz ausnahmsweise den Extraordinarius als Titel verliehen, man suchte es als Regel festzuhalten, daß das Extraordinariat mit einem Lehrauftrag verbunden sei. […] Das half aber nichts, sie blieben dabei, daß sie durch die Haltung der Straßburger Fakultät benachteiligt würden, bei Berufungen frage man danach, ob der Kandidat bereits Extraordinarius sei (Bernhard Naunyn: Erinnerungen, Gedanken und Meinungen. München: J. F. Bergmann 1925, S. 421–422). Dazu kam, wie die Hochschul-Nachrichten (Paul von Salvisberg) in Nr. 100 vom Januar 1899, S. 75 feststellten, dass sich Strassburg für jüngere Docenten mehr und mehr zur „academischen Sackgasse“ entwickelt; es ergeht selten an Strassburger Docenten und Extraordinarien ein Ruf nach Altdeutschland, ein Verhältnis, das seine Gründe hauptsächlich im preussischen Kultusministerium hat, an dessen Schaltstelle wiederum Althoff saß. Vaihinger (geb. 1852) hatte sich 1877 habilitiert. 1884 waren an der Universität Kiel durch die Berufung Benno Erdmanns nach Breslau und den Tod Gustav Thaulows zwei ordentliche Professuren freigeworden, für die Althoff geignete Nachfolger suchte. Vaihinger war als Nachfolger für Benno Erdmann in Kiel im Gespräch. Eduard Zeller warb bei Althoff für Vaihinger, Windelband und Otto Liebmann votierten für Gustav Glogau. Glogau wurden gegen den Protest Erdmanns und der philosophischen Fakultät der Universität Kiel berufen, als Nachfolger Thaulows rückte der Kieler ao. Prof. August Krohn nach (Ulrich Jahnke: Promotor des Fortschritts!? Friedrich Althoff und die deutsche Universitätspsychologie. In: Bernhard vom Brock (Hg.): Wissenschaftsgeschichte und Wissenschaftspolitik im Industriezeitalter. Das „System Althoff“ in historischer Perspektive. Hildesheim: Lax 1991, S. 319). Vaihinger ging 1884 als ao. Prof. nach Halle und wurde dort 1894 o. Prof. (BEdPh). Es ist für das „System Althoff“ bezeichnend, daß Vaihinger im Oktober 1893 ein umfangreiches Dossier über die Dozenten der Philosophie in Deutschland, Österreich und der Schweiz, sortiert nach Richtungen, für Althoff anfertigte, in dem Windelband als von der Richtung Lotzes firmiert (abgedruckt in: Reinhardt Pester (Hg.): Hermann Lotze Briefe und Dokumente. Mit einem Vorwort v. E. W. Orth. Würzburg: Königshausen & Neumann 2003, S. 723–733).10↑im Januar über Socrates ] vgl. den auf Freiburger u. Straßburger Vorträge zurückgehenden Aufsatz Windelbands: Ueber Socrates. Ein Vortrag. In: Präludien seit 1. Aufl. 1884.▲