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- TitleWindelband an Eduard Zeller, Freiburg i. Br., 10.6.1882, 2 S., hs. (dt. Schrift), UB Tübingen; Autographensammlung Md747-846
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Windelband an Eduard Zeller, Freiburg i. Br., 10.6.1882, 2 S., hs. (dt. Schrift), UB Tübingen; Autographensammlung Md747-846
Freiburg i. B. 10 Juni 1882
Hochzuverehrender Herr Geheimrath!
Verzeihen Sie gütigst, wenn ich mir gestatte, in einer persönlichen Angelegenheit Ihre freundliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen.
Nachdem ich für den Winter eine Berufung nach Straßburg angenommen habe, ist für mich in der hiesigen Fakultät ein Nachfolger[1] zu wählen. Bei den besonderen Verhältnissen unserer Universität jedoch, an der es kaum irgend welche auf das Studium der Philosophie direct angewiesenen Zuhörer giebt, kommt es in erster Linie darauf an, einen Mann zu finden, der durch Persönlichkeit und Lehrgabe die Studenten anzuregen und festzuhalten weiß – Eigenschaften, deren Beurtheilung aus der Ferne unmöglich und nur von | persönlicher Bekanntschaft zu erwarten ist.
Für den Fall nun, daß wir aus äußeren Gründen unsre Aufmerksamkeit wesentlich den jüngeren Kräften[2] zuwenden müßten, käme auch Herr Prof. Paulsen in Betracht, und ich erlaube mir deshalb die ergebene Bitte an Sie, nach der erwähnten Richtung mir über denselben gütigst Auskunft geben zu wollen.
Zum voraus in meinem und meiner Collegen Namen bestens dankend, benutze ich diese Gelegenheit zum erneuten Ausdruck der besonderen Verehrung, mit der ich bleibe Ihr aufrichtig ergebener
W Windelband
Kommentar der Herausgeber
1↑Nachfolger ] vgl. UA Freiburg, B1/1259 Lehrstühle der Philosophischen Fakultät: Das Ministerium der Justiz, des Kultus und des Unterrichts teilt dem Senat der Universität Freiburg am 24.6.1882 mit, daß der Bitte Windelbands um Entlassung aus dem badischen Staatsdienst zum 1.10.1882 stattgegeben wurde. Die Berufungsvorschläge zur Nachfolge Windelbands der Philosophischen Fakultät lauten am 27.6.1882 pari loco: Hermann Siebeck (Basel), Alois Riehl (Graz): Herr Hofrath Prof. Dr. Windelband hatte die Güte, in der Anlage ein Verzeichnis der wichtigsten Schriften der genannten Herren zu geben und die Personalien anzuführen, soweit ihm diese bekannt sind. Die Einholung dieser Informationen sei zugleich Grund für die Verzögerung. Die Anlage enthält die Zusammenstellung von Windelband in Abschrift: Dr. Hermann Siebeck ca. 40 Jahre alt, evangelischer Confession, aus Norddeutschland gebürtig, früher Gymnasiallehrer u[nd] Privatdocent in Halle a. S., seit 1874 ordentlicher Professor der Philosophie an der Universität Basel, hat veröffentlicht: „Das Wesen der aesthetischen Erscheinung. Psychologische Untersuchungen zur Theorie des Schönen u[nd] der Kunst.“ Berlin 1875. „Geschichte der Psychologie.“ Von diesem auf 3 Bände angelegten Werke ist die erste Abteilung des ersten Bandes (Gotha 1880), enthaltend die Psychologie vor Aristoteles erschienen; aus der zweiten Hälfte, welche bis zum Ende des Mittelalters reichen u[nd] im nächsten Winter fertig sein soll, sind einzelne Stücke als besondere Abhandlungen gedruckt worden. Die kleineren Abhandlungen Siebeckʼs beziehen sich auf psychologische, paedagogische, erkenntnißtheoretische und philosophiegeschichtliche Gegenstände. Besonders zu erwähnen sind: „Ueber das Bewußtsein als Schranke der Naturerkenntniß.“ Basler Programm 1879. „Die metaphysischen Systeme in ihrem gemeinsamen Verhältnisse zur Erfahrung.“ (Vierteljahrsschrift für wiss[enschaftliche] Philos[ophie] Bd. II. Heft 1). | Dr. Alois Riehl. ca. 40 Jahre alt, katholischer Confession, aus Kärnthen gebürtig. Früher Gymnasiallehrer dann in Graz habilitirt, dort zum außerordentlichen u[nd] 1879 zum ordentlichen Professor der Philosophie ernannt. Sein Hauptwerk ist: „Der philosophische Kriticismus u[nd] seine Bedeutung für die positive Wissenschaft“ Leipzig 1876 u[nd] 1879. Der erste Band, vorwiegend historischen Inhalts, enthält eine Entwicklung der kritischen Methode Kantʼs, der zweite, von welchem die erste Hälfte erschienen ist, einen Ausbau der kritischen Methode mit besonderer Beziehung auf die Aufgaben der modernen Naturforschung. Die Abhandlungen und Recensionen Riehlʼs beziehen sich auf logische, erkenntnißtheoretische und naturphilosophische Gegenstände. Besonders hervorzuheben ist: „Die englische Logik der Gegenwart.“ (Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie Bd. I.). Riehl wurde zum 1.10.1882 berufen und blieb bis 1.4.1896. Riehls Nachfolger (bis dahin kommissarisch) wurde Heinrich Rickert (berufen am 18.9.1896 zum 1.10.1896). Zum 1.4.1916 wurde Rickert als Nachfolger Windelbands nach Heidelberg versetzt.2↑jüngeren Kräften ] zu denen sich neben Hermann Wolff aus Leipzig (vgl. dessen Schreiben an Windelband vom 1./2.7.1882) auch Gustav Glogau zählte, vgl. Windelband an Glogau vom 27.7.1882 sowie Glogau an Heymann Steinthal vom 7.6.1882: Übrigens steigen die Actien: ich war in Straßburg neben Windelband […] vorgeschlagen (Ingrid Belke (Hg.): Moritz Lazarus und Heymann Steinthal. Die Begründer der Völkerpsychologie in ihren Briefen Bd. 2/1. Mit einer Einleitung. Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1983, S. 150).▲