Bibliographic Metadata
- TitleWindelband an Wilhelm Nokk, Freiburg i. Br., 4.12.1880, 4 S., hs. (dt. Schrift), Generallandesarchiv Karlsruhe, 52 Nokk 201
- Creator
- Recipient
- Participants
- Place and Date of Creation
- Series
- Physical LocationGenerallandesarchiv Karlsruhe
- URN
- Social MediaShare
- Archive
- ▼
Windelband an Wilhelm Nokk, Freiburg i. Br., 4.12.1880, 4 S., hs. (dt. Schrift), Generallandesarchiv Karlsruhe, 52 Nokk 201
Freiburg i/B. 4. Dec[ember] 1880
Hochverehrter Herr Oberschulrathsdirector,[a]
[b]Die große Liebenswürdigkeit Ihres geehrten Schreibens vom 3. d[es] M[onats] legt mir in erster Linie die Verpflichtung auf, Euer Hochwohlgeboren, soviel an mir ist, mit aller Offenheit über Ursprung und Inhalt der Nachricht aufzuklären, welche, wie ich mit Ueberraschung erfahre, schon bis zu Ihnen gedrungen ist. Es ist allerdings von verschiedener Seite, aber durchaus nicht in übereinstimmender Weise aus Göttingen an hiesige Collegen berichtet worden, daß hinsichtlich der Besetzung der Lotze’schen Professur lebhaft von mir, der ich ein Schüler Lotze’s bin, die Rede sei[1]. Allein nach dem, was ich erfahre, habe ich nicht die geringste Handhabe zu beurtheilen, in welchem Grade es etwa | wahrscheinlich sei, daß die dort schwebenden Verhandlungen schließlich zu meiner Vocation führen. An mich selbst ist über die ganze Frage auch nicht die geringste Mittheilung gelangt, und Euer Hochwohlgeboren mögen daraus entnehmen, wie unangenehm es mir gewesen ist, daß eine noch so völlig unentschiedene Angelegenheit sich hier in kurzer Zeit allgemein herumgesprochen hat.
Um so peinlicher berührt es mich, daß nun schon Euer Hochwohlgeboren in dieser problematischen Sache bemüht worden sind, und das Bedauern, daß ich darüber empfinde, wird für mich nur durch die große Freude aufgewogen, welche mir der durch diese Gelegenheit hervorgerufene, so überaus liebenswürdige Ausdruck Ihrer gütigen Gesinnung bereitet hat. Ich beeile mich, Euer Hochwohlgeboren für diesen erneuten Beweis Ihres mir so sehr werthvollen Wohlwollens meinen aufrichtigen | und herzlichen Dank zu sagen und die ergebne Bitte hinzuzufügen, Euer Hochwohlgeboren wollen überzeugt sein und, sofern es wünschenswerth erscheint, an geeigneter Stelle der Ueberzeugung Ausdruck zu geben, daß ich die dadurch bethätigte Güte der Großherzoglichen Regierung in ihrem vollen Werthe dankbar zu schätzen weiß und daß, falls ein solcher Ruf an mich erginge, ich bei meiner großen Anhänglichkeit an das aufblühende Freiburg in eine schwere Wahl versetzt sein würde. Es ist selbstverständlich und wäre bei dem Wohlwollen, daß ich hier erfahren habe und ferner zu erfahren hoffe, auch ohne Euer Hochwohlgeboren ausdrückliche Aufforderung für mich selbstverständlich, daß ich nicht einer auswärtigen Regierung eine bindende Zusage geben werde, ehe ich Euer Hochwohlgeboren von den etwa mit mir angeknüpften Verhandlungen Mittheilung gemacht und Ihre Äußerung darüber empfangen habe. |
Auf der andern Seite aber hoffe ich, daß Euer Hochwohlgeboren es mir nicht verargen wollen, wenn ich einer noch so völlig unbestimmten Möglichkeit gegenüber mich nicht in der Lage sehe, auch nur die allgemeinsten Grundlagen der Bedingungen zu bezeichnen, unter welchen ich einen solchen Ruf ablehnen könnte, der ja, wenn er überhaupt an mich kommen sollte, in den verschiedensten Formen und Verhältnisse an mich herantreten kann. Ich kann in dieser Hinsicht nur die Versicherung wiederholen, daß nur die zwingende Nothwendigkeit einer Aussicht auf ganz wesentliche Verbesserungen mich jemals bestimmen wird, auf das schöne Freiburg zu verzichten.
Genehmigen Sie, hochverehrter Herr Oberschulrathsdirector, mit der Wiederholung meines verbindlichen Dankes den Ausdruck der ausgezeichneten Hochachtung, mit er ich bleibe
Euer Hochwohlgeboren[c]
ganz ergebner
Windelband
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑die Rede sei ] ein weiterer Schüler Hermann Lotzes, Richard Quäbicker, wandte sich am 5.12.1880 an Lotze in der Göttinger Nachfolgerfrage: Würdig, Ihr Nachfolger zu werden, ist allerdings Niemand, von den jüngeren Gelehrten dürften doch wohl nur Schuppe und Stumpf in Frage kommen. […] Windelband kann doch noch schwerlich in Frage kommen, das bißchen Zusammenstylisiren, was er sich in seiner Geschichte der neuern Philosophie geleistet hat, langt doch selbst für das gegenwärtige Göttingen nicht aus (abgedruckt in: Reinhardt Pester (Hg.): Hermann Lotze Briefe und Dokumente. Mit einem Vorwort v. E. W. Orth. Würzburg: Königshausen & Neumann 2003, S. 697–699). Carl Stumpf seinerseits war schwer enttäuscht (er sprach von einemStreberconsortium Liebmann-Windelband), daß er aus bloßer Rücksicht auf sein katholisches Bekenntnis nicht auf die Berufungsliste kam und stattdessen Georg Elias Müller Nachfolger Lotzes in Göttingen wurde (Helga Sprung: Carl Stumpf – Eine Biographie. Von der Philosophie zur Experimentellen Psychologie. Unter Mitarb. v. L. Sprung. München/Wien: Profil 2006, S. 85–87).▲