Bibliographic Metadata
- TitleWindelband an Karl Dilthey, Freiburg i. Br., 17.12.1879 u. 31.12.1879, 4 S., hs. (dt. Schrift), Niedersächsische Staats- und UB Göttingen, Dilth. 141
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- Physical LocationNiedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen
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Windelband an Karl Dilthey, Freiburg i. Br., 17.12.1879 u. 31.12.1879, 4 S., hs. (dt. Schrift), Niedersächsische Staats- und UB Göttingen, Dilth. 141
Freiburg i B. 17 Dec[ember] 79.
Lieber Karlo,
Die äußere Veranlassung dieses Briefes ist der Umstand, daß – was mich bei meinen Freiburger Gewerbetreibenden einigermaßen in Erstaunen gesetzt hat – der Mann, der es damals versprach, jetzt wirklich zunächst zwei Arten griechischen Tabaks hat kommen lassen. Du findest von beiden Proben, wie sie sich im Briefe schicken ließen; sie genügen hoffentlich, um Dir eine Beurtheilung zu ermöglichen. Der Preis ist bei beiden ganz gleich: das Pfund 4 Mrk. Wenn Du Gefallen dran findest, kann ich ja nach Deinem Wunsche Dir mehr besorgen, oder Du kannst auch direct von ihm beziehen: Asmus und Ochsenreuter, Freiburg i/B Schiffstraße 18. Ich selbst rauche seit einigen Tagen mit entschiedenem Behagen davon.
31/12 79. Dieser lobenswürdige Briefanfang, liebster Karlo, ist nun freilich unter den Semesterfeierlichkeiten mit Anschluß derjenigen von Weihnachten beinahe vierzehn Tage liegen geblieben, und der Tabak wird in meinem Schrank etwas ausgetrocknet sein. Mir gefällt er dauernd, ich habe schon mehr davon verraucht, als sonst von solchem orientalischen Gewächs.
Nun macht es sich so, daß ich Dir gleich ein frohes neues Jahr mit diesen Zeilen wünschen kann; welchem Wunsche sich meine Frau mit bestem Gruße anschließt. Das Semester ist uns bisher nach gewohntem Gange verflossen, die Kinder und wir wohl, obgleich in der Stadt und sogar unten in unserm Hause mancherlei epidemisches Ungemach herrscht. Nur die Kälte hat uns aus der unaufheizbaren Nordhälfte unserer Wohnung vertrieben und ziemlich zusammengedrängt: jetzt aber waltet ja wieder segensreicher Föhn.
Auch äußere Ereignisse haben unser Dasein nicht behelligt; selbst die Würzburger Gerüchte[1] schlummern friedlich. Von Berufungsangelegenheiten haben mich | nur Freunde beschäftigt, indem ich das Meinige gethan habe, um an die hier erledigte Physiologenstelle Hermann[2] zu empfehlen. Bisher ist aber noch Nichts entschieden, da die medicinische Facultät mit dieser Geburt sehr schwer geht und noch zu keinem Effect gekommen ist. Hermann wünschte ich sehr, an diese Stelle, wo ihm der Berliner Einfluß nicht entgegenwirkt, zu kommen; doch ist es merkwürdig – entre nous –, aus wie vielen Quellen über ihn bei aller Anerkennung seiner wissenschaftlichen Bedeutung berichtet wird, er sei ein unliebenswürdiger Mensch. Nur daran, wenn überhaupt, wie ich noch nicht glaube, scheitert seine hiesige Candidatur; – theilweise freilich auch an seiner Racenzugehörigkeit[3], deren ausgesprochenen Character man ja nicht bestreiten kann.
Was hast Du denn aus Deiner häuslichen Einrichtung gemacht? Bist Du mit der abgeschlossenen Existenz zufrieden? Und spinnen sich allmälig die Fäden enger zwischen Dir und dem Göttinger Leben? Ich | wollte es wünschen, damit Du das Bewußtsein Deiner Anerkanntheit und das freudige Gefühl erfolgreicher Thätigkeit gewönnest. Unsre Verhältnisse hier sind und bleiben klein; und die höchsten Erfolge[4] darin stoßen auf sehr enge Schranken. Man muß sich darin finden und seine Entschädigung in der eignen Arbeit suchen. Wollte sie nur so gehen, wie man wünschte! Aber die Landwirthe haben recht, welche einen Acker der eine Zeitlang getragen hat, wieder eine Weile brach liegen oder nur von Schaf und Rindvieh beweiden lassen!
Gönne mir, liebster Freund, bald wieder einmal erfreuliche Nachricht, grüße Hartmann[5] und behalte lieb Deinen treuen
W Windelband
Kommentar der Herausgeber
1↑Würzburger Gerüchte ] vgl. Karl Ludwig Urlichs an August Schenk, Würzburg, 24.12.1879: An der Universität regieren die Jungen, es geht aber doch. In der Facultät, die jetzt in 2 Sectionen getheilt ist, haben wir Alten, zu denen ich Wegele und Landberger zähle, unser altes Gewicht. […] Wir haben primo loco den Prof. Windelband in Freiburg vorgeschlagen, der sehr tüchtig sein soll (UB Leipzig, Nachlass August Schenk, NL 43/UV/1).2↑Hermann ] vermutlich der Physiologe Ludimar Hermann (1838–1914), 1855–59 Studium der Medizin in Berlin, habilitiert 1865 für Physiologie. 1868 o. Prof. in Zürich, 1884 in Königsberg (Wer ist’s? (1912), S. 641; NDB).5↑Hartmann ] Gustav Hartmann (1835–1894), Jurist, 1857 in Göttingen promoviert, 1860 habilitiert, 1864 o. Prof. in Basel, 1872 in Freiburg für Römisches Recht, 1878 in Göttingen, 1885 in Tübingen (ADB).▲