Bibliographic Metadata
- TitleWindelband an Victor Ehrenberg, Leipzig, 6.7.1879, 3 S., hs. (dt. Schrift), Staatsbibliothek zu Berlin, Haus Potsdamer Straße, NL Ehrenberg acc. Darmst. 1924.138
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- Physical LocationStaatsbibliothek zu Berlin, Haus Potsdamer Straße
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Windelband an Victor Ehrenberg, Leipzig, 6.7.1879, 3 S., hs. (dt. Schrift), Staatsbibliothek zu Berlin, Haus Potsdamer Straße, NL Ehrenberg acc. Darmst. 1924.138
Freiburg i B. 6 Juli 79.
Lieber Freund,
Mit großer Freude und herzlichem Glückwunsch begrüße ich das schöne Ereigniß, das Sie uns soeben mitgetheilt haben. Möge es eine ganze Zukunft von ungetrübtem Glück, von heitrer Erfüllung all der Hoffnungen in sich tragen, die Ihr Herz jetzt freudig bewegen! Haben Sie die Güte, Ihrer verehrten Frl. Braut[1] meine Huldigung auszurichten und meine Gratulation auszusprechen. Ich bedaure es jetzt doppelt, daß ich zu Pfingsten zu anderen Besuchen engagirt und deshalb nicht in der Lage war, Rümelin’s freudliche Aufforderung zum Besuche des Juristenconvents[2] zu folgen, der sich damals in Baden um die Familie Ihres verehrten Herrn Schwiegervaters[3] versammelte; und ich gebe die Hoffnung, nicht auf, das Versäumte gelegentlich nachzuholen und Ihr Glück mit eignen Augen, mit frohen Freundesaugen zu sehen! |
Meine alte Schreibfaulheit hat nun seit dem vorigen Herbst doch wieder selbst Ihren liebenswürdigen Zuschriften widerstanden, und ich kann nur hoffen, daß Sie den von diesem Dämon Besessenen besser kennen und entschuldigen! Von Rümelin werden Sie wissen, daß sich nichts sonderlich Bemerkenswerthes bei uns zugetragen hat, – für mich insofern sogar in unangenehmstem Grade Nichts, als ich es nicht erreichen kann, auch nur unter leidlich anständigen Bedingungen ein Extraordinariat zu erhalten[4]. So sind die Gedanken[5], die wir mit Freund Jellinek zusammen faßten, noch zu keiner Lebenskräftigkeit gediehen. Um so mehr freue ich mich darüber, daß er durch alle Hemmnisse hindurch, „über absolutes und relatives Unrecht“[6] hinweg nun doch in Wien selbst den eigenen Weg geht und das erste Ziel erreicht hat. Wünschen wir ihm das vollste, reichste Gelingen!
Was mich betrift, so muß ich leider meine Nerven anklagen, die manchmal recht rebellisch sind. Die Racker, in ihrer jähen Indolenz und mit ihrer Politik der Nadelstiche; haben denn auch glücklich meine Arbeit so gründlich verzögert, daß ich kaum noch hoffe, zur selben Zeit wie im vorigen Jahre zur Beendigung meines zweiten Bandes[7] zu gelangen. Indessen hab’ ich in den Ferien schöne Arbeitszeit vor mir. Wir kommen diesmal nicht zum Reisen, weil wir – vielleicht schon zu Anfang der Ferien – einen kleinen Gast[8] erwarten, der mich dann auch festhalten wird, sodaß höchstens etwa Ende September ich noch zu einem Ausfluge komme. Vermöge dieser Seßhaftigkeit denke ich aber manchen lieben Besuch auf der Durchreise zu empfangen, und so hoffe ich auch auf Sie. Ihre Reise wird selbstverständlich durch diejenige Ihrer Schwiegereltern bestimmt sein. Da aber doch die Schweiz der wahrscheinlichste Zielpunct ist, so hege ich Hoffnung und Bitte, daß Sie von dem Character Freiburgs, Vorstation für Schweizerreisende zu bilden, wieder erwünschten Gebrauch machen möchten!
Meine Frau schließt sich meinen Grüßen und Glückwünschen herzlichst an! Leben Sie wohl und behalten Sie in dem so schon erfüllten Herzen ein kleines Plätzchen für Ihren
W Windelband
Kommentar der Herausgeber
6↑„über absolutes und relatives Unrecht“ ] vgl. zum Kontext der Anspielung die im Kommentar zu Windelband an Jellinek vom 26.8.1878 genannten Karrierehindernisse sowie Jens Kersten: Georg Jellinek. In: Enzyklopädie zur Rechtsphilosophie (online): Nach der juristischen Dissertation in Wien und einem kurzen Zwischenspiel in der österreichischen Verwaltung begann Jellinek seine akademische Laufbahn, die von Beginn an durch antisemitische Diskriminierung überschattet war: 1878 lehnte die Wiener Juristische Fakultät Jellineks Arbeit über Die sozialethische Bedeutung von Recht, Unrecht und Strafe als Habilitationsschrift ab. […] Erst mit seiner Arbeit über Die Klassifikation des Unrechts und dem Probevortrag über Absolutes und relatives Unrecht wurde Jellinek 1879 für das Fach Rechtsphilosophie habilitiert. Die Erstreckung der Lehrbefugnis auf das Völkerrecht aufgrund der Monographie Die rechtliche Natur der Staatenverträge wurde 1880 erneut – wiederum antisemitisch motiviert – abgelehnt. Erst für die Publikation seiner Lehre von den Staatenverbindungen erhielt Jellinek 1882 die Lehrbefugnis für allgemeines Staatsrecht und Völkerrecht. Zwischen 1883 und 1889 scheiterte zunächst die Berufung Jellineks zum außerordentlichen und sodann zum ordentlichen Professor an der Wiener Fakultät. Im August 1889 reichte Jellinek seine Demission an der Wiener Fakultät ein. Im November 1889 erklärte die Berliner Juristische Fakultät Jellinek unter Erlass aller Formalitäten für habilitiert (http://www.enzyklopaedie-rechtsphilosophie.net/neue-beitraege/19-beitraege/102-jellinek-georg; 12.2.2018).7↑zweiten Bandes ] von: Die Geschichte der neueren Philosophie in ihrem Zusammenhang mit der allgemeinen Cultur und den besonderen Wissenschaften; erschien 1880.▲