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- TitleWindelband: Gutachten über die Eingabe des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins zu Leipzig zur Zulassung von Frauen zum Universitätsstudium, Straßburg, 15.7.1889, 2 S., hs. (lat. Schrift), ADBR Strasbourg, 62 AL 10 (Dekanat Windelband 1889/90), Nr. 76
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- Physical LocationArchives Departementales du Bas-Rhin Strasbourg
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Windelband: Gutachten über die Eingabe des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins zu Leipzig zur Zulassung von Frauen zum Universitätsstudium, Straßburg, 15.7.1889, 2 S., hs. (lat. Schrift), ADBR Strasbourg, 62 AL 10 (Dekanat Windelband 1889/90), Nr. 76
Mundirt und abgeschickt:[c] 19/7 89
mundirt H.[d]
Concept
vgl. Nr. 58 u. 58a[e]
Strassburg, den 15 Juli 1889.
Unter ergebenster Bezugnahme auf die uns mit Anschreiben und Beilagen zugestellte und inzwischen zurückgegebene Eingabe des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins zu Leipzig in Betreff der Zulassung von Frauen zum Universitätsstudium (I. N. 325) beehre ich mich Ew. Magnificenz im Auftrage der philosophischen Facultät wie folgt zu berichten.
Die Facultät hat es bei dem gegenwärtigen Stande der beregten Angelegenheit und im Hinblick auf die bestimmten Anträge, welche in der vorgelegten Eingabe gestellt werden, nicht für erforderlich erachtet, in eine Discussion der dabei berührten Principienfragen einzutreten. Sie will also weder im Allgemeinen das sociale Bedürfniss academischer Frauenbildung, noch im Besondern die paedagogische Zweckmässigkeit einer Uebertragung des höheren Unterrichts an den Mädchenschulen an academisch vorgebildete Frauen erörtern, noch endlich die Frage erwägen, ob zur Erfüllung der von der Eingabe vorgetragenen Zwecke die Errichtung einer weiblichen Hochschule und der dazu erforderlichen Vorbereitungsanstalten anzustreben wäre. In allen diesen Fragen, welche ebensoviele schwere Probleme bedeuten, ist wenig Aussicht, zu einer gemeinsamen[f], allen Abstufungen der Ansichten genügenden gutachterlichen Formulirung zu gelangen.
Die Facultät glaubt sich vielmehr nur über die unmittelbar praktische Frage äussern zu sollen, ob bei den jetzigen Verhältnissen die Zulassung von Frauen unter die Studirenden der Universitäten und speciell der unsrigen angezeigt erscheint, und sie sieht sich genöthigt, diese Frage zu verneinen. Die Aufnahme von Frauen in den academischen Verband würde unseres Erachtens, insbesondere zur Regelung des gemeinsamen Besuchs der Vorlesungen und der gemeinsamen Benutzung der Lehrmittel, eine Anzahl von Massnahmen nothwendig machen, welche theils an sich grosse Schwierig|keiten darbieten theils tief eingreifende Veränderungen in den bisherigen academischen Gewohnheiten und Einrichtungen mit sich führen würden. Der Versuch, derartige Massregeln dem Rahmen der bestehenden Institutionen einzufügen, kann aber für die hiesige Universität nicht empfohlen werden, welche bei der exponirten Stellung, die sie hier im Lande einnimmt, Alles zu vermeiden hat, was die Sicherheit und Stetigkeit ihrer Entwicklung in Frage zu stellen geeignet sein könnte.
Die Facultät ist daher der Meinung, dass paedagogische Neuerungen von solcher Tragweite unter den obwaltenden Umständen für die Universität des Reichlandes nicht zuträglich sein würden. Da zumal die betreffenden Anregungen bisher nicht aus dem Reichslande ergehen, so könnte es befremden und zu falschen Schlüssen Anlass geben, wenn wir uns in dieser Angelegenheit anders als zuwartend[1] verhalten wollten.
Der Decan | der philos[ophischen] Fac[ultät]
Windelband
An Se Magnificenz | den Rector[g] der Kais[er] Wilh[ems][h] | Universität | Herrn Prof. Dr. Merkel[i][2] | hier[j]
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑zuwartend ] es kam schließlich zu einer bloß passiven und deswegen angreifbaren Lösung der Frage, vgl. Verzeichniss der Vorlesungen welche an der Kaiser-Wilhelms-Universität Strassburg … gehalten werden, WS 1900/01, Vorsatz: Bei den mit einem Stern (*) versehenen Vorlesungen und Uebungen werden Frauen nicht zugelassen. Die übrigen Vorlesungen können von Frauen nur mit besonderer Erlaubniss der Dozenten belegt werden. Windelbands Lehrveranstaltungen sind ausnahmslos mit einem Stern gekennzeichnet. Dazu ein Kommentar in: Hochschul-Nachrichten (Paul von Salvisberg), Heft 125 vom Februar 1901, S. 105–106: Das Frauenstudium. Der Verein für Frauenstudium hat an die sämtlichen deutschen Universitäten, an denen die Immatrikulation von Frauen noch nicht erreicht ist, das Ersuchen gerichtet, nach dem Beispiele von Kiel und Strassburg im Vorlesungsverzeichnisse diejenigen Professoren durch Sterne kenntlich zu machen, welche Frauen von ihren Vorlesungen noch ausschliessen. […] Inzwischen haben in der That verschiedene Universitäten, darunter auch Strassburg, begonnen, den Namen der „Frauenfeinde“ im Vorlesungsverzeichnis Sternchen vorzudrucken. Wie dies bereits ausgenützt wird, zeigt nachstehender Artikel der „Frft. Ztg.“ [Frankfurter Zeitung]: Die Sterne der Strassburger Universität und die Frauen. Soeben ist das Vorlesungsverzeichnis der Strassburger Hochschule für das Sommersemester 1901 erschienen, in dem wiederum diejenigen Kollegen, die sich den Frauen prinzipiell verschliessen, durch einen Stern hervorgehoben sind. Von den im ganzen 337 Vorlesungen zeigen 26 das böse Zeichen (nicht ganz 8 pCt. [%]); diese 26 Sterne verteilen sich auf 6 Professoren unter 126 Universitätslehrern (nicht ganz 5 pCt.); es entfalten also die damenfeindlichen Docenten eine ganz besondere Rührigkeit. Die Vorlesungen der theologischen, juristischen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät sind nicht gestirnt; 23 entfallen auf die philosophische Fakultät, 3 auf die Medizin, und zwar auf den Vertreter der pathologischen Anatomie, der damit ein systematisches Studium der Medizin für die Frauen überhaupt vereitelt. Die Damen, denen der Philosoph Windelband seine Pforten verschliesst, finden wenigstens bei seinem Fachkollegen Ziegler […] offene Arme; andere Vorlesungen, wie z. B. über die Rhethorik des Aristoteles, würden wohl auch ohne Stacheldrahtzaun von Damen nicht überlaufen worden sein. Ein Vermerk auf dem ersten Blatte des Verzeichnisses giebt den Sternen besondere Leuchtkraft; es steht da zu lesen, das alle Vorlesungen nur mit besonderer Erlaubnis der Docenten belegt werden können. Wozu die einzelnen Sternchen? Sollten sie nur demonstrativen Zwecken dienen, als Separatvota einer überstimmten Minorität, selbstverliehene Dekorationen für Konsequenz und Prinzipientreue? Sterne sind ja immer nett, aber je grösser der Mann, um so kleiner macht sich so ein Sternchen. Ein Stern war es, der den Weisen aus dem Morgenlande den Weg zeigte; in Strassburg ist es ein Stern, der die studierenden Engel von der Pforte des ersehnten Paradieses des Wissens hinwegscheucht, jedenfalls ist es nicht der Morgenstern, der das Nahen des Lichtes verkündet!▲