Bibliographic Metadata
- TitleWalter Bloem an Vaihinger, Burg Rieneck oberhalb Rieneck, 14.7.1928, 2 S., Ts. mit eU, Briefkopf Dr. Walter Bloem | Burg Rieneck | Unterfranken, Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 3 a, Nr. 2
- Creator
- Recipient
- Participants
- Place and Date of Creation
- Series
- Physical LocationStaats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 3 a, Nr. 2
- URN
- Social MediaShare
- Archive
- ▼
Walter Bloem an Vaihinger, Burg Rieneck oberhalb Rieneck, 14.7.1928, 2 S., Ts. mit eU, Briefkopf Dr. Walter Bloem | Burg Rieneck | Unterfranken, Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXI, 3 a, Nr. 2
14. Juli 1928.
Sehr geehrter Herr Geheimrat,
mit herzlichem Dank empfing ich Ihre gütigen Zeilen[1] vom 20. v. Mts.[a] mit Ihren Glückwünschen zu meinem 60. Geburtstag[2].
Ich höre besonders gern Gutes über meinen Roman „Brüderlichkeit“[3]; denn dieses Buch ist unter allen meinen Werken mein ausgesprochenes Schmerzenskind. Sie haben vollkommen recht, es hat den akademischen Kreisen noch lange nicht die Beachtung gefunden, auf die es, glaube ich, Anspruch hat. Dafür sind mir Anfeindungen[4] zuteil geworden, von deren Schärfe Sie sich kaum eine Vorstellung machen. In der letzten Zeit freilich habe ich den Eindruck, als ob die Saat, die ich damals auszustreuen versuchte, in die Halme zu schießen begönne.
Der Aufsatz über meine politische Entwicklung[5], der Ihnen zu Gesicht kam, ist von meinem Sohn[6]. Bis auf einige jugendliche Gewagtheiten – er ist ohne meine Mitwirkung entstanden – stellt er sein Thema zutreffend dar. Ich habe wirklich am 1. August 1914 das Schwert gezogen im vollkommen kritiklosen Glauben an die herrschende Ordnung, und in der vollen Ueberzeugung – die ich übrigens auch heute noch aufrecht erhalte – daß unser Krieg ein uns mit unerhörter Brutalität und Tücke aufgezwungener Verteidigungskrieg war. Daß unsere Vorkriegspolitik jämmerlich war, davon bin ich allerdings heute fest durchdrungen.
Uebrigens habe ich meine Stellung zu allen auf den Weltkrieg und seine Vorgeschichte bezüglichen Fragen in meiner zweibändigen Geschichte des Weltkrieges „Der Weltbrand“[7] (Verlag Reimar Hobbing, Berlin) in aller nur wünschenswerten Klarheit dargelegt.
Ich danke Ihnen recht herzlich für Ihre Anteilnahme, die aus Ihren[b] | gütigen Zeilen spricht, und begrüße Sie, als Ihr ganz ergebener
Walter Bloem
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
3↑„Brüderlichkeit“ ] Bloem: Brüderlichkeit. Roman. Erstes bis fünfzigstes Tausend Leipzig/Zürich: Grethlein & Co. 1922.4↑Anfeindungen ] Bloem wurde von antisemitischer Seite u. a. des „verdeckten Judentums“ beschuldigt (vgl. darüber Rodler F. Morris: From Weimar philosemite to Nazi apologist. The case of Walter Bloem, Lewiston, N.Y.: Mellen 1988; Horst Heidermann: Auf dem Weg zum Führer. In: Geschichte im Wuppertal 15 (2006), S. 28–44). Bloems Roman über die Anfeindungen eines jüdischen Frontsoldaten in einer schlagenden Verbindung nimmt Stellung zum Antisemitismus in akademischen Kreisen.5↑Aufsatz über meine politische Entwicklung ] vgl. z. B. Walter Julius Bloem: Der politische Dichter. (Zu Walter Bloems 60. Geburtstag am 20. Juli 1928). In: Villacher Zeitung, Nr. 50 vom 20.6.1928, S. 2–4 (https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=viz&datum=19280620&seite=2 (27.9.2024)). Weitere Abdrucke in anderen Zeitungen wahrscheinlich, jedoch nicht ermittelt.6↑Sohn ] Walter Julius Bloem (1898–1945), Schriftsteller, veröffentlichte auch unter dem Pseudonym Kilian Koll (NDB).7↑„Der Weltbrand“ ] Bloem: Der Weltbrand. Deutschlands Tragödie 1914–1918. Mit Zeichnungen von Ludwig Dettmann. 2 Bde. Berlin: Reimar Hobbing 1922.▲