Bibliographic Metadata
- TitleVaihinger an Julie Braun-Vogelstein, Halle, 1.12.1927, 2 S., Ts. mit eU, Briefkopf Prof. Dr. phil. Hans Vaihinger | Geh. Reg.-Rat | Dr. rer. techn. h. c. Dr. med. h. c. | Dr. jur. h. c. | Halle a. d. S., den … 192… | Reichardtstr. 15., Leo Baeck Institute, Julie Braun-Vogelstein Collection: https://ia800303.us.archive.org/1/items/juliebraunvogels004brau/juliebraunvogels004brau.pdf (S. 354–355)
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- Physical LocationLeo Baeck Institute, Julie Braun-Vogelstein Collection
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Vaihinger an Julie Braun-Vogelstein, Halle, 1.12.1927, 2 S., Ts. mit eU, Briefkopf Prof. Dr. phil. Hans Vaihinger | Geh. Reg.-Rat | Dr. rer. techn. h. c. Dr. med. h. c. | Dr. jur. h. c. | Halle a. d. S., den … 192… | Reichardtstr. 15., Leo Baeck Institute, Julie Braun-Vogelstein Collection: https://ia800303.us.archive.org/1/items/juliebraunvogels004brau/juliebraunvogels004brau.pdf (S. 354–355[1])
1. Dezember 1927[2]
Sehr geehrte Frau Julie Braun-Vogelstein!
Im Frühjahr 1877, also vor etwas mehr als 50 Jahren, hatte ich mich als 24 resp. 23 jähriger an der Universität Strassburg habilitiert. Kurz darnach[a] muss es gewesen sein, dass Heinrich Braun als 22 resp. 23 jähriger Student eben dahin kam. In dem damals geistig sehr regsamen Strassburg lernte ich bald eine Anzahl strebsamer Jünglinge kennen, unter denen Heinrich Braun entschieden der Bedeutendste war. Gern stellte ich daher zwischen ihm und dem hervorragenden Professor der Philosophie Dr. Ernst Laas die Beziehung her, denn Laas war derjenige, dem ich meine so frühe und rasche Habilitation verdankte. Hatte er doch bald die nahe Verwandtschaft unserer philosophischen Anschauungen erkannt. Dagegen stehe ich den nach links gehenden politischen Anschauungen von Laas ferner, mit denen aber gerade Heinrich Braun näher sympathisierte. Dem damals in Strassburg durch Schmoller und Knapp vertretenen Katheder-Sozialismus standen sowohl Laas als Braun innerlich und äusserlich nahe. Braun, der schon durch sein Äusseres, sein wallendes Haupthaar und seinen ausgeprägten Denkerkopf auffiel, machte geistig sofort einen hervorstechenden Eindruck auf Alle. Er war in allen Fächern gut orientiert und wusste seine Anschauungen mit dialektischer Gewandtheit zu vertreten. Dabei hatte er etwas Pathetisches an sich, wie es bei den Österreichern öfter der Fall ist. Auf sein Österreichertum war er stolz, und konnte empfindlich werden, wenn man an den Österreichern Kritik übte. Ich habe Braun aber bald aus den Augen verloren: seine Interessen waren schon damals vorzugsweise sozial-politisch, während die Meiningen ausschliesslich philosophisch waren. |
Die weitere Laufbahn von Heinrich Braun habe ich trotzdem mit Interesse verfolgt. Näheres über ihn erfuhr ich dann aus der mehrbändigen Autobiographie von Lily[b] Braun[3]. Ausser einer kurzen schriftlichen Beziehung[4] vor etwa 20 Jahren fand aber sonst zwischen uns kein Verhältnis statt.
Indem ich Ihnen, sehr geehrte Frau, für Ihre bevorstehende Arbeit an der Biographie Ihres verstorbenen Gatten besten Fortgang und Erfolg wünsche, zeichne ich mit vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebener
Vaihinger[c]
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
3↑Autobiographie von Lily Braun ] vgl. Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Roman. Bd. 1 Lehrjahre. Bd. 2 Kampfjahre. München: Albert Langen 1909 u. 1911.4↑schriftlichen Beziehung ] es sind keine Korrespondenzen zwischen Vaihinger und Heinrich Braun überliefert.▲