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- TitleVaihinger an Ernst Simmel, Halle, 3.5.1926, 2 S., Ts. mit eU, Briefkopf PROF. DR. HANS VAIHINGER | Geh. Reg.-Rat | Dr. rer. techn. h. c. Dr. med. h. c. | Halle a. S., den … 192… | Reichardtstr. 15., Wasserzeichen MANILA | SCHREIBMASCHINEN, darunter Flügelrad, Beilage: Gedicht Sigmund Freud, dem Siebzigjährigen (2 Ausfertigungen à 1 S., Ts.), Library of Congress, Sigmund Freud Papers: Subject File, 1856–1988; Birthday celebrations; 1926; Correspondence and tributes; Folder 3. https://www.loc.gov/item/mss3999001329/ (Image 39–42)
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- Physical LocationLibrary of Congress, Sigmund Freud Papers: Subject File, 1856–1988; Birthday celebrations; 1926; Correspondence and tributes; Folder 3. https://www.loc.gov/item/mss3999001329/ (Image 39–42)
Library of Congress, Sigmund Freud Papers: Subject File, 1856–1988; Birthday celebrations; 1926; Correspondence and tributes; Folder 3. - URN
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Vaihinger an Ernst Simmel, Halle, 3.5.1926, 2 S., Ts. mit eU, Briefkopf PROF. DR. HANS VAIHINGER | Geh. Reg.-Rat | Dr. rer. techn. h. c. Dr. med. h. c. | Halle a. S., den … 192… | Reichardtstr. 15., Wasserzeichen MANILA | SCHREIBMASCHINEN, darunter Flügelrad, Beilage: Gedicht Sigmund Freud, dem Siebzigjährigen (2 Ausfertigungen à 1 S., Ts.), Library of Congress, Sigmund Freud Papers: Subject File, 1856–1988; Birthday celebrations; 1926; Correspondence and tributes; Folder 3. https://www.loc.gov/item/mss3999001329/ (Image 39–42)
3. Mai 1926
Sehr geehrter Herr Dr. Ernst Simmel!
Herr Dr. Müller-Braunschweig[1] hat mich eingeladen zu der Feier des 70. Geburtstages von Sigmund Freud im Hotel Esplanade in Berlin irgendeinen Beitrag zu leisten. Da ich wegen hohen Alters zumal bei meiner Erblindung an Derarti[a]gem nicht mehr persönlich teilnehmen kann, so sende ich Ihnen als dem Festleiter[b] ein kleines anspruchsloses Gedicht, das mir von selbst in einer meiner schlaflosen Nächte sich gestaltet hat.[c] Das erste Exemplar habe ich an Herrn Prof. Sigmund Freud[2] direkt gesendet und ihm gleichzeitig zu seinem Ehrentag (der auch zugleich ein Ährenfest[3] für ihn ist) meine Glückwünsche ausgesprochen.
Ich nehme an, dass Sie den kurzen Festspruch bei der Feier im Hotel Esplanade zur Vorlesung bringen werden. So darf ich Sie resp. den Vorleser darauf aufmerksam machen, dass das Gedichtchen[4] ein früher bei den Klassikern häufigeres, jetzt aber selteneres Versmass hat, das ich nicht etwa absichtlich gewählt habe, sondern das sich unbewusst bei mir von selbst kristallisiert hat. Ich stelle das Versmass in der bekannten Weise dar:
◡⨩◡◡⨩◡[d]
So wird es dem Vorleser gelingen, durch richtige Betonung, den richtigen und wirksamen Rhythmus herauszubringen.[e]
Ich darf wohl annehmen, dass Sie mit dem vielgenannten, mir auch persönlich bekannten und befreundeten Philosophen Simmel, der in Strassburg nach dem Kriege verstarb, verwandt sind[5], und so darf ich wohl auch weiter annehmen, dass Sie auch Ihrerseits philosophisches Interesse haben, was ja auch ohnedies für jeden Freund der Freudschen Richtung sich von selbst versteht. |
Wenn über die Festfeier und deren Verlauf ein Bericht in einer Berliner Zeitung[6] gebracht wird, so kann mein kurzer Festspruch dabei abgedruckt werden, zu welchem Zweck ich noch ein zweites Exemplar des Spruches beilege.
Mit vorzüglicher Hochachtung
vaihinger[f]
P. S. Ein älterer populärer Artikel von mir[7] über Schopenhauer und die Psychoanalyse interessiert Sie vielleicht.[g] |
Sigmund Freud, dem Siebzigjährigen.[h]
(zum 6. Mai 1926).
[Leerzeile]
In dem, was wir suchen,
In dem, was wir finden,
Da mag sich wohl Irrtum
Mit Wahrheit verbinden.
[Leerzeile]
Die Zukunft, sie sondert
Die Spreu von dem Weizen;
Doch wollen wir heute
Mit Lobe nicht geizen.
[Leerzeile]
Wir wollen den Forscher
Den Sämann jetzt ehren!
Was keimt und was sprosset,
Die Zeit wird’s schon lehren.
Kommentar zum Textbefund
j↑Vaihinger ] auf einer weiteren S. folgt ein zweites Mal das Gedicht in Ts., darunter msl.: (gestrichen: gez.) Hans Vaihinger. Die hier wiedergegebene signierte 1. Beilage stellt das Geschenk an Freud persönlich dar (vgl. Freud an Vaihinger vom 10.5.1926), die 2., hier nicht wiedergegebene Beilage lag ursprünglich allein dem Schreiben an Ernst Simmel bei.Kommentar der Herausgeber
1↑Dr. Müller-Braunschweig ] d. i. der Psychoanalytiker Carl Müller aus Braunschweig (1881–1958), der sich ab 1925/1926 Müller-Braunschweig schrieb, seit 1920 Dozent am Berliner Psychoanalytischen Institut, seit 1925 im Zentralvorstand der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung (NDB). Keine Korrespondenz mit Vaihinger ermittelt.3↑ein Ährenfest ] Anspielung (Erntezeit) auf die letzte Strophe des mitgelieferten Gedichts; im allgemeinen auf den sprichwörtlichen Herbst des Lebens.4↑das Gedichtchen ] vgl. darüber zuerst (mit Briefzitat) Gerhard Fichtner: „Als Ob“ es Freud wäre. Ein angebliches Freud-Gedicht und sein Zusammenhang mit Freuds Menschenbild. In: Jahrbuch der Psychoanalyse 33 (1994), S. 49–71.5↑verwandt sind ] eine Verwandtschaft Ernst Simmels mit Georg Simmel bestand nicht, vgl. David Frisby: Georg Simmel in Wien. Texte und Kontexte aus dem Wien der Jahrhundertwende. Wien: WUV 2000, S. 23.6↑Bericht in einer Berliner Zeitung ] vgl. den Bericht: Zu Sigm. Freuds 70. Geburstag. In: Internationale Zeitschrift für Psychoanalyse 13 (1927), S. 81–84: Am 6. Mai fand im Esplanade-Hotel in Berlin eine Feier der „Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft“ unter dem Vorsitz von Dr. Ernst Simmel statt. Der Vorsitzende würdigte das Lebenswerk Freuds […]. Geheimrat Prof. His, Direktor der ersten Medizinischen Klinik an der Charité, setzt auseinander, daß es kaum eine Wissenschaft gibt, die nicht aus Freuds Anschauungen irgendwelche Anregungen zu schöpfen vermöchte. […] Es folgte ein längerer Vortrag des Dichters und Arztes Alfred Döblin. […] Staatssekretär z. D. Prof. Julius Hirsch sprach über den Einfluß unbewußter Seelenregungen auf Vorgänge der Wirtschaftsentwicklung. […] Für die bildenden Künste ergriff Prof. Emil Orlik das Wort. […] Der Bedeutung der Freudschen Lehre für die Musik gedachte in wenigen Worten der Komponist Prof. Franz Schreker. Des ferneren wurden verschiedene Zuschriften und Telegramme verlesen. Prof. Goldstein, Direktor des Neurologischen Universitätsinstitutes in Frankfurt a. M., gibt in seinem Briefe vor allem seiner Überzeugung Ausdruck, daß die Psychoanalyse sehr Wesentliches zu einer Vertiefung unserer Erkenntnisse auch auf dem Gebiete der organischen Erkrankungen bieten kann. […] Die Zuschrift von Lou Andreas-Salome ist seither an der Spitze des „Almanachs 1927“ des Internationalen Psychoanalytischen Verlages abgedruckt worden. – Aus der Zuschrift von Thomas Mann: […]. – Professor Max Scheler gedenkt in einem Telegramm des „tiefsten Triebpsychologen unserer Zeit, des großen Durchleuchters der menschlichen Herzen. “ – Jakob Wassermann schreibt: […]. – Aus der Reihe weiterer Zuschriften und Telegramme seien noch erwähnt die von Prof. Vaihinger, Prof. v. Mises, Hermann Hesse, Felix Hollaender, Dr. Max Marcuse, ferner die der ausländischen Psychoanalytischen Vereinigungen und des Zentralpräsidiums der I. PsA. V. Der Feier wohnten u. a. auch bei: Prof. Albert Einstein, Prof. Bier, Prof. v. Eycken, Artur Hollitscher, Alice Salomon, Prof. Paneth. Der preußische Minister für Volkswohlfahrt ließ sich durch Geheimrat Professor Lenz vertreten. Für die Gesandtschaft der Republik Österreich in Berlin erschien Legationsrat Bacher, der im Namen des Österreichertumes für die Ehrung des großen Mitbürgers dankte. Der preußische Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, der sein Erscheinen zugesagt hatte, konnte der Feier wegen dringender dienstlicher Inanspruchnahme nicht beiwohnen. […] Schließlich seien noch einige von den Aufsätzen angeführt, die anläßlich Freuds Geburtstag in deutschen Tageszeitungen erschienen sind. In der „Frankfurter Zeitung“ schreibt Dr. Robert Drill: […]. – Im „Hamburger Echo“ beschäftigt sich Paul Ziergardt […]. – Das „Hamburger Fremdenblatt“ veröffentlichte in zwei Fortsetzungen eine größere Studie von Hans Prinzhorn über Freud und die Psychoanalyse. – Freud-Würdigungen veröffentlichten ferner u. a.: „Vossische Zeitung“ (Döblin), „Berliner Tagblatt“ (Mamlock), „Deutsche Allgemeine Zeitung“ (Dr. Richard Wolf), „Berliner Börsen Courier“ (Löbell), „Neue Leipziger Zeitung“ (Bernfeld), „Münchener Neueste Nach richten“ (Stefan Zweig), „Ostdeutsche Morgenpost“ (Dr. Friedrich Rütgers), „Königsberg-Hartungsche Zeitung“ (Hans Rosenkranz); sowie den Abdruck des zugesandten Gedichtes von Vaihinger: [An Sigmund Freud]. In: Neue Freie Presse, Nr. 22141 vom 6.5.1926, Morgenblatt, S. 8, https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nfp&datum=19260506&seite=8 (11.3.2022).▲