Bibliographic Metadata
- TitleVaihinger an Paul Ernst, Halle, 2.10.1925, 2 S., Ts. mit eU, Briefkopf PROF. DR. HANS VAIHINGER | Geh. Reg.-Rat | Dr. rer. techn. h. c. Dr. med. h. c. | Halle a. S. den … 192… | Reichardtstr. 15., Wasserzeichen MANILA | SCHREIBMASCHINEN, darunter Flügelrad, Deutsches Literaturarchiv Marbach, A:Ernst, Paul
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- Physical LocationDeutsches Literaturarchiv Marbach, A:Ernst, Paul
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Vaihinger an Paul Ernst, Halle, 2.10.1925, 2 S., Ts. mit eU, Briefkopf PROF. DR. HANS VAIHINGER | Geh. Reg.-Rat | Dr. rer. techn. h. c. Dr. med. h. c. | Halle a. S. den … 192… | Reichardtstr. 15., Wasserzeichen MANILA | SCHREIBMASCHINEN, darunter Flügelrad, Deutsches Literaturarchiv Marbach, A:Ernst, Paul
2. Oktober 1925
Verehrter Herr Doktor!
Ich beglückwünsche Sie, dazu dass zu Ihrem 60. Geburtstag ein so zweckmässiger und gleichzeitig so wohlwollender Aufruf[1] gemacht wird. Soweit ich sehe sind 5 Arten von Subskribenten unterschieden: 1) solche, die in 6 Stufen 60.- M. bezahlen, 2) solche, die auf einmal 60.- M. bezahlen, 3) solche, die in 6 Stufen 360.- M. bezahlen, 4) solche, die auf einmal 360.- M. bezahlen, 5) solche, die höhere Spenden geben. Ich muss leider bitten, mich in die erste Gruppe einzureihen, obgleich ich gerne mich in eine andere Gruppe einreihen möchte, aber das ist mir unmöglich, da ich leider mit meinen Einnahmen und daher auch mit meinen Ausgaben sehr haushalten muss. Denn ich bin einerseits emeritiert und andererseits habe ich ausserordentliche Ausgaben, zunächst für einen nervenkranken Sohn[2], der in einem Sanatorium ist, sodann für eine wegen meiner Blindheit mir notwendige ständige Hilfe, resp. Hilfskraft.
Bei der jetzigen Geldknappheit glaube ich sogar, dass gar Mancher gerne seinen Namen zu der guten Sache hergeben würde, aber ohne die Verpflichtung, etwas abgeben zu müssen. Denn die Verhältnisse in Deutschland sind jetzt so schlecht, und werden im Laufe des Winters noch so viel schlechter werden, dass Viele in grosse Schwierigkeiten geraten werden. Auch die Druckkosten[a] werden sich erhöhen, schon jetzt sind in den letzten Tagen 15% Zuschlag von den Setzern und Druckern verlangt worden. Es ist eine böse, sehr böse Zeit.
Möchte daher der Aufruf guten Erfolg haben und möchte dadurch Ihnen zum 7. März berechtigte Freude geweckt werden.
Was die Nobelstiftung[3] betrifft, so autorisiere ich Sie, bei jeder | derartigen Eingabe nach Stockholm meinen Namen darunter zu setzen. Gerne würde ich es noch erleben, dass Sie den Preis erhalten. Da ich aber vor kurzem das 74. Lebensjahr begonnen habe, sind die Aussichten dafür zweifelhaft.
Recht gerne würde ich ausführlicher schreiben, aber meine Kräfte nehmen ab. In Augenblicken, in denen ich mich wohlfühle, schreibe ich wohl gelegentlich noch Feuilletons, wie die beiden beiliegenden[4], aber ich gestehe offen, dass ich das nur tue, um dadurch willkommene Nebeneinnahmen zu haben.
Wie es scheint, haben Sie Ihr Bayrisches Heim[5] aufgegeben, dass Sie einst bei Ihrer Anwesenheit hier uns so schön geschildert haben. Ihre neue Adresse habe ich in mein Adressenbuch eintragen lassen.
Leider wird durch die grosse Entfernung die Aussicht, Sie wieder einmal hier begrüssen zu können, sehr vermindert, um so mehr, als jetzt auch die literarischen Gesellschaften, wie z. B. die hiesige, wegen Mangel an Beiträgen eingehen. Es ist kaum zu erwarten, dass die neuen Verhandlungen in Locarno[6] dauernde Besserung bringen. Unter den schwierigen materiellen Verhältnissen leidet die geistige Kultur Deutschlands ausserordentlich.
Mit herzlichen Grüssen Ihr ergebener
Vaihinger.
Hoffentlich[b] ist es Ihnen möglich gewesen in die 15 Bände Ihrer „Gesammelten Schriften“ auch den Aufsatz über das Als Ob[7] aufzunehmen, den Sie einmal in einer Rheinischen Zeitschrift veröffentlicht haben. Sonst wäre es wünschenswert, wenn Sie solche und ähnlich Essays in einem besonderen Bande neu veröffentlichen würden.
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑Aufruf ] zum 7.3.1926; ergangen von der Vereinigung der Paul-Ernst-Spende zur Weiterfinanzierung des Druckes des dreiteiligen Kaiserbuches, vgl. Christiane Kussin (Bearbeiterin): Literarische Gesellschaften in Deutschland. Ein Handbuch. Hg. von der Arbeitsgemeinschaft Literarischer Gesellschaften e. V. Berlin: Aufbau 1995, S. 81. Mitgeteilt wurde der Aufruf z. B. in: Die schöne Literatur 27 (1926), Heft 1 von Januar, S. 47.5↑Bayrisches Heim ] in Sonnenhofen (Oberbayern), vgl. Paul Ernst vom 14.3.1919 sowie Vaihinger an Paul Ernst vom 28.11.1923.6↑Verhandlungen in Locarno ] die internationale Konferenz über europäische Sicherheit von Locarno, 5.–16.10.1925.▲