Bibliographic Metadata
- TitleVaihinger an Gottfried Meyer, Halle, 1.3.1921, 1 S., Ts., keine eU, Universitätsarchiv Halle-Wittenberg, Rep. 6, Nr. 1862 (Teil II)
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- Physical LocationUniversitätsarchiv Halle-Wittenberg, Rep. 6, Nr. 1862 (Teil II)
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Vaihinger an Gottfried Meyer, Halle, 1.3.1921, 1 S., Ts., keine eU, Universitätsarchiv Halle-Wittenberg, Rep. 6, Nr. 1862 (Teil II)
Vertraulich
An die Herren Vorsitzenden der Kantgesellschaft und an deren stellv[ertretenden] Geschäftsführer.
Ein grosser Teil des Barvorrates der Kantgesellschaft, also mit dem Förderfonds von 72 000 M zusammen jedenfalls weit über 100 000 M, sind in Schatzanweisungen angelegt. Da diese zirka 4 1/4% bringen, so ist auf diese Weise eine nicht unbeträchtliche Zinserhöhung zu erreichen gegenüber dem gewöhnlichen Bankdepot von Bargeld.
Ein sachverständiger Reichsbeamter, selbst Mitglied der K. G.[a], hat mich aber nun streng vertraulich darauf aufmerksam gemacht, dass Schatzanweisungen unter den jetzigen Verhältnissen keine sichere Anlage mehr sind. Wenigstens glaubt er, dass das jetzige Jahr in welchem wir leben, ein so kritisches ist für die deutschen Finanzen, dass auch die Schatzanweisungen unter Umständen sehr von ihrem Wert verlieren können. Der Betreffende glaubt, dass verschiedene Anzeigen dafür vorhanden sind, dass ein Staatsbankerott eintreten könnte, von dem dann sofort auch die Schatzanweisungen betroffen werden.
Die gefahrdrohenden Anzeigen werden natürlich der Öffentlichkeit gegenüber strengstens verborgen resp. abgeleugnet. Die[b] Banken geben immer optimistische Auskunft: sie müssen das tun, weil jedes Zugeben einer Gefahr sofort wie ein Lauffeuer sich herumsprechen und den drohenden Staatsbankerott erst recht beschleunigen würde.
Wenn ein solcher Bankerott eintritt, so tritt er für das grosse Publikum ganz unerwartet ein und dann kann niemand mehr die Schatzanweisungen retten, während Bardepots bei den Banken immer noch sicherer bleiben. Noch mehr sind erstklassige Industrieobligationen zu empfehlen, auf die hin man eventuell sofortige Barmittel durch Beleihung erhalten kann zu 5 1/2% bei der Reichsdarlehenskasse.
Dass wir, wenn auch nicht formell, so doch sachlich mitten im Staatsbankerott stehen, hat der Minister Hänisch[1] in der Aula der Universität hier rückhaltlos ausgesprochen[2]. An eine Aufbringung der Mittel für die laufenden[c] ist vorerst gar nicht zu denken – und so lange bleibt die Gefahr einer schweren Schädigung beim Besitz von Reichsanleihen jeder Art sehr gross.
Unter diesen Umständen muss ich mich meinerseits entschieden dagegen aussprechen, dass Gelder der K. G. noch weiterhin in Schatzanweisungen angelegt werden. Ich muss mich vielmehr dafür aussprechen, dass die vorhandenen Schatzanweisungen möglichst bald diskontiert werden.
Wir wollen ja alle hoffen, dass die Gefahr vorüber geht, trotz des schwer bewölkten politischen Himmels. Aber die Vorsicht gebietet, sich nicht unnötig in Gefahr zu begeben. Der Zinsenvorteil, den wir damit aufgeben (zirka 800 M pro Jahr) steht in keinem Verhältnis weder zu dem grossen Etat der K. G., der in diesem Jahr zirka 70 000 M Einnahmen aufweist, noch zu dem ungeheueren Risiko das wir tragen.
Halle, 1. März 1921
Vaihinger.[d]
P. S. Der erwähnte Reichsbeamte empfiehlt: 4 1/2% Anl[agen] der Riebeck Montanw[erke] von 21 rückzahlb[ar] zu 102 à 96 1/2 Ausgabekurs. – 4 1/2% Bayr[ische] Grosswasserkraftw[erke] (Walchensee) Obl[igationen] rückzahlb[ar] à 100 Ausgabekurs – à 98. (mit Bürgschaft des Bayr[ischen] Staates). – 1 1/2% Ges[ellschaft] f[ür] elect[rische] Unternehmungen Berlin Obl[igationen] rückzahlb[ar] à 103 Ausgabekurs à 99 3/4%. –Friedrich Krupp Obl[igationen] rückzahlb[ar] à 102 Ausgabekurs à 102. – 5% Hirsch Kupfer Obl[igationen] rückzahlb[ar] à 102 Ausgabekurs à 100. – […][e] Linke Hoffmann Obl[igationen] auslösb[ar] zu 102 Ausgabekurs 99 1/2. –
Kommentar zum Textbefund
c↑laufenden ] danach fehlt ein Wort; am Rd. ist hs. von anderer Hd. eingefügt: Reich (womöglich zu ergänzen zu: Reichsanleihen)Kommentar der Herausgeber
1↑Minister Hänisch ] die Rede ist von Konrad Haenisch (1876–1925), 1918–1921 preußischer Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung (NDB).▲