Bibliographic Metadata
- TitleFritz Mauthner an Vaihinger, Meersburg, 11.1.1921, 4 S., hs. (andere Hd., mit eU), Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXII, 8 h, Nr. 8
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- Physical LocationStaats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXII, 8 h, Nr. 8
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Fritz Mauthner an Vaihinger, Meersburg, 11.1.1921, 4 S., hs. (andere Hd., mit eU), Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXII, 8 h, Nr. 8
Meersburg (Bodensee) den 11.1.21.
Verehrter Herr Geheimrat,
Es sollte mich beschämen, daß ich Ihr so überaus freundliches Vertrauen[1] nicht einmal mit Pünktlichkeit erwidert habe. Vielleicht entschuldigen Sie mich, wenn ich folgende Tatsachen ganz kurz anführe. Unmittelbar nach Abschluß des 2. Bandes Atheismus mußte ich mit meiner Frau[2] nach Wien und Prag fahren, in Familiensachen. In Prag erkrankte meine Frau heftig, wir mußten viel länger ausbleiben, als ich geplant hatte; nach Weihnachten erst heimgekehrt | erkrankte ich selbst, an Erschöpfung der Nerven. Erst seit wenigen Tagen konnte ich die reizvolle Arbeit am Atheismusstreit Fichtes wieder aufnehmen und hoffe, binnen acht Tagen zu Ende zu kommen. Auf alle Fälle werde ich die gütigst geliehenen 35 Broschüren – mit Ihrer Erlaubnis um eine vermehrt – bestimmt bis zum 25. d[es] M[onats] unter den gewünschten Kautelen zurücksenden. Sie hatten mir damals in Aussicht gestellt, die Bücher auch etwas länger behalten zu können; ich hatte vergessen, daß das erst nach vorhergehender Anfrage geschehen durfte.
Es tut mir leid, daß ich meinen alten Alsob-Aufsatz | fast unverändert abdrucken ließ; ich hätte über Kant-Forberg und Vaihinger mehr zu sagen gehabt, was aber im dritten Bande meines Atheismus[3] an der gehörigen Stelle stehen wird.
Wieder zu danken habe ich Ihnen für das angekündigte Bild und ähnlich für die intime Mitteilung über Ihre Tochter, die Künstlerin. Ich wußte in meiner Einsiedelei durchaus nichts von alledem. Unter den bereiten Papieren zu meinem dritten Bande findet sich auch eine Ausführung über die Neigung zum Freitod als einem Symptom des neuen Geschlechts, das den Jenseitsglauben als Hemmung nicht mehr kennt. Ich werde allerdings viele hundert Blätter meiner Handschrift tilgen müssen, damit mein dritter Band nicht übermäßig | anschwillt. Sollte dieses Stück aber Raum finden, so würde ich seiner Zeit so zudringlich sein, bei Ihnen anzufragen, ob Ihre Tochter Äußerungen hinterlassen hat, die mich berechtigten und verpflichteten, ihr in meiner Geschichte einen ganz bescheidenen Denkstein zu setzen[4].
In ausgezeichneter Hochachtung mit herzlich ergebenen Grüßen Ihr
Mauthner
Kommentar der Herausgeber
2↑meiner Frau ] in 2. Ehe (1910) Hedwig Silles-O’Cunningham, Ärztin und Schriftstellerin, mit Pseudonym Harriet Straub (NDB).▲