Bibliographic Metadata
- TitleVaihinger an Hermann Gocht, Halle, 31.1.1919, mit Kopie an Elisabeth Förster-Nietzsche, Auszug abgedruckt bei Sandro Barbera: „Eine schreckliche Prophezeiung Nietzsches“. Nationalismus und Antisemitismus im Briefwechsel zwischen Elisabeth Förster-Nietzsche und Hans Vaihinger. In: Ders., Paolo d’Iorio, Justus H. Ulbricht (Hg.): Friedrich Nietzsche. Rezeption und Kultus. Redaktion Maria R. Ragazzo. Pisa: Edizioni ETS 2004 (nietzscheana Bd. 1), S. 295–298.
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- Physical LocationAuszug abgedruckt bei Sandro Barbera: „Eine schreckliche Prophezeiung Nietzsches“. Nationalismus und Antisemitismus im Briefwechsel zwischen Elisabeth Förster-Nietzsche und Hans Vaihinger. In: Ders., Paolo d’Iorio, Justus H. Ulbricht (Hg.): Friedrich Nietzsche. Rezeption und Kultus. Redaktion Maria R. Ragazzo. Pisa: Edizioni ETS 2004 (nietzscheana Bd. 1), S. 295–298.
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Vaihinger an Hermann Gocht, Halle, 31.1.1919, mit Kopie an Elisabeth Förster-Nietzsche, Auszug abgedruckt bei Sandro Barbera: „Eine schreckliche Prophezeiung Nietzsches“. Nationalismus und Antisemitismus im Briefwechsel zwischen Elisabeth Förster-Nietzsche und Hans Vaihinger. In: Ders., Paolo d’Iorio, Justus H. Ulbricht (Hg.): Friedrich Nietzsche. Rezeption und Kultus. Redaktion Maria R. Ragazzo. Pisa: Edizioni ETS 2004 (nietzscheana Bd. 1), S. 295–298.
Regest: übersendet eine Abschrift seines Schreibens an Generalfeldmarschall von Bülow zur Antwort auf dessen am 30.12.1918 an Vaihinger[1] gesandten Aufruf[2]. Aus dem Schreiben vom 11.1.1919 an Karl von Bülow: „Der Aufruf erhebt gegen die bürgerliche Gesellschaft den Vorwurf, sie habe vor dem Kriege nichts getan, um dem Sozialismus gerecht zu werden. Ich finde umgekehrt, dass die bürgerliche Gesellschaft […] viel zu viel in Sozialismus gearbeitet hat […] [bzw.] immer mehr die einfache Erkenntnis jedes gesunden Menschenverstandes ausgelöscht, dass soziale Ungleichheit die Vorbedingung jeder menschlichen Gesellschaft ist, die auf die Dauer bestehen und etwas leisten will. […] Der gesunde Menschenverstand hätte uns sagen müssen, dass es klug und notwendig sei, in dem Arbeiter das Streben zum persönlichen Besitz und den Spartrieb zu erhöhen und ihn zum besitzenden Kleinbürger zu machen; statt dessen hat man die Kleinbürger und so auch die bürgerlichen Angestellten in die Kategorie der Arbeiter hinuntergestoßen, die Alles vom Staate erwarten, statt von sich selber. Man hätte danach streben müssen, die unsinnige Zunahme der Bevölkerung zu vermindern, anstatt die Massenproduktion der Menschen zu steigern. […] In dem Aufruf heisst es, der Sozialismus bedeute eine Reform der Menschheit. In Wirklichkeit bedeutet er eine geistige Massenerkrankung der mitteleuropäischen und der osteuropäischen Völker. Es ist mir natürlich vollständig klar, dass in dem jetzigen Deutschland mit dem Standpunkt, den ich einnehme[3] garnichts zu machen ist“. Aus dem Begleitbrief an Gocht, der ansonsten die zitierten Argumente wiederholt: „Ich bin allerdings der Meinung, dass es jetzt an der Zeit wäre, mit vielen Gedanken Nietzsches Ernst zu machen. Vor allem wäre es notwendig, die ethische und metaphysische Berechtigung des Individualismus zur Geltung zu bringen gegenüber dem einseitigen Sozialismus, der immer mehr alle Persönlichkeitswerte zu verschlingen droht und damit unsere ganze Kultur vernichtet. […] Es ist ein völliger Wahnsinn alles dieses sozialisieren zu wollen, sogar auch die Landwirtschaft usw. usw. […] An deutschen Gedanken wird noch die ganze Welt erkranken[4]. Darunter verstehe ich eben den philosophischen Sozialismus, dessen Einseitigkeit und Abstraktheit allerdings von Deutschland aus in andere Länder eingedrungen ist, nachdem ihn allerdings die Deutschen erst aus Frankreich herüber genommen haben. […] Bezeichnender Weise haben die Deutschen und besonders die Alldeutschen[5] von Nietzsche gerade das angenommen, worin er irrte, so seine Unterschätzung der Engländer, die sich so bitter gerächt hat“ (Goethe- und Schiller-Archiv Weimar, GSA 72/5590).
Kommentar der Herausgeber
2↑Aufruf ] der Gesellschaft für staatsbürgerliche Erziehung, Wortlaut nicht ermittelt; vgl. Vaihinger an Gottfried Meyer vom 18.4.1919. Die Hintergründe sind nicht ausreichend ermittelt; insbesondere bleibt die Rolle unaufgeklärt, die Karl von Bülow (1846–1921) gespielt hat hinter den Kulissen des offenen Briefes: Herrn Woodrow Wilson. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika [datiert: Halle a. d. S., Jena, Kiel, Leipzig. In der zweiten Hälfte des April 1919]. Berlin-Halensee: Deutsche Gesellschaft für staatsbürgerliche Erziehung. Berlin-Halensee / Lützenstrasse 9. Telef.: Pfalzburg 1859 * Nr. 9 * Anfang April 1919. 23 S. – Die zugehörigen Nachlassteile von Bülows sind Kriegsverlust (vgl. https://www.bundesarchiv.de/nachlassdatenbank/viewsingle.php?person_id=2069&asset_id=2253 (24.9.2024)).3↑dem Standpunkt, den ich einnehme ] vgl. Vaihinger an die Redaktion des Volksblatt Halle vom 21.7.1920.4↑An deutschen Gedanken wird noch die ganze Welt erkranken ] Anspielung auf das politische Schlagwort nach den Schlusszeilen von Emanuel Geibel: Deutschlands Beruf (Gedicht, 1861): Und es mag am deutschen Wesen / Einmal noch die Welt genesen.5↑die Alldeutschen ] das sind die Anhänger eines vehementen Anspruches auf „Weltgeltung Deutschlands“ in Politik, Wissenschaft und Sprache (https://www.dhm.de/lemo/kapitel/kaiserreich/antisemitismus/alldeutsche.html; 8.3.2023).▲