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- TitleWilhelm Wundt an Vaihinger, Heidelberg, 1.8.1918, Abschrift, 1 S., Ts., Universitätsbibliothek Leipzig, https://collections.uni-leipzig.de/item/UBLNachlassWundt_mods_00001145
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- Physical LocationUniversitätsbibliothek Leipzig
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Wilhelm Wundt an Vaihinger, Heidelberg, 1.8.1918, Abschrift, 1 S., Ts., Universitätsbibliothek Leipzig, https://collections.uni-leipzig.de/item/UBLNachlassWundt_mods_00001145
Abschrift.[1]
Heidelberg, d. 1. August 1918
Plöck 48.[2]
Hochgeehrter Herr Kollege!
Sie werden verstehen, daß ich über Ihren Brief[3] und die darin enthaltenen Vorschläge, soweit sie mich betreffen, im höchsten Grade verwundert gewesen bin, wenn ich Ihnen mitteile, daß ich niemals ein Kantianer gewesen bin, weder einer von der Rechten noch von der Linken, und daß vollends die einzige moderne philosophische Richtung, gegen die ich nachdrücklich polemisiert habe, der Positivismus gewesen ist, mag er sich nun nach Spencer, Avenarius oder nach irgendjemandem sonst nennen. Insbesondere hat es auch meine Verwunderung erregt, daß Sie den Avenariusschen Empiriokritizismus, den ich schon vor vielen Jahren totgeschlagen zu haben glaubte, in Ihrer neuen Zeitschrift wieder zum Leben erwecken wollen. Sie begreifen also, die Charakterisierung als Zwischenindividuum zwischen Linkskantianer und Positivist kann ich unmöglich auf mich anwenden lassen, und ebenso muß ich die nach dieser falschen Analogie gemachte Kennzeichnung meiner psychologischen Richtung auf das allernachdrücklichste ablehnen. Ich möchte Sie daher, um unangenehme öffentliche Berichtigungen zu vermeiden, dringend ersuchen, meinen Namen und nicht minder die Erwähnung meiner Psychologie aus Anlaß Ihrer Zeitschrift gänzlich zu unterlassen. Jeder, der nur einigermaßen die philosophische und psychologische Literatur der letzten Jahrzehnte angesehen hat, würde Sie ja auf diesen Irrtum, der dem neuen Unternehmen unmöglich förderlich sein könnte, aufmerksam machen können. Im Hinblick auf Ihr Augenleiden finde ich es ja vollkommen begreiflich, daß Sie von der Literatur, um deren Kenntnis es sich hierbei handeln würde, keine Notiz genommen haben. Aber gerade unter diesen Umständen würde ich es doch für vorsichtiger halten, wenn Sie sich zuvor über die Personen genauer orientieren wollten, die Ihnen zur Empfehlung der neuen Zeitschrift geeignet scheinen.
Mit den besten Wünschen für einen erfolgreichen Badeaufenthalt verbleibe ich Ihr hochachtungsvoll ergebener
Gez[eichnet] W. Wundt.
Kommentar der Herausgeber
1↑Abschrift. ] eine weitere Abschrift aus dem Besitz des Sohnes Max Wundt teilt Gustav-Adolf Ungerer u. d. T. mit: „Ich möchte Sie … dringend ersuchen, meinen Namen und … die Erwähnung meiner Psychologie … gänzlich zu unterlassen.“ Wilhelm Wundt und Hans Vaihinger in einer delikaten Situation. In: Geschichte der Psychologie – Nachrichtenblatt. Lehrgebiet Psychologie sozialer Prozesse der FernUniversität Hagen 1997, https://www.psycharchives.org//handle/20.500.12034/241 (16.6.2021).▲