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- TitleVaihinger an Wilhelm Wundt, Bad Steben bei Hof, 29.7.1918, 3 S., Ts. mit eU, dazu drei Beilagen (zwei Drucksachen, 2 u. 4 S. und ein Ts., 1 S.), Universitätsbibliothek Leipzig, https://collections.uni-leipzig.de/item/UBLNachlassWundt_mods_00001140; https://collections.uni-leipzig.de/item/UBLNachlassWundt_mods_00001142; https://collections.uni-leipzig.de/item/UBLNachlassWundt_mods_00001141; https://collections.uni-leipzig.de/item/UBLNachlassWundt_mods_00001143
- ParticipantsAnton Wesselsky ; Arnold Kowalewski ; Ferdinand Avenarius ; Carl Coerper ; Edmund Husserl ; Erich Jaensch ; Ernst Laas ; Hans Kelsen ; Heinrich Rickert ; Heinrich Scholz ; Johann Friedrich Herbart ; Hermann Cohen ; Johannes Rehmke ; Julius Schulz ; Jörgen Jörgensen ; Immanuel Kant ; Karl Gjellerup ; Konrad von Lange ; Ernst Mach ; Otto Lehmann ; Ottomar Dittrich ; Paul Krückmann ; Paul Natorp ; Raymund Schmidt ; Richard Müller-Freienfels ; Rudolf Eisler ; Arthur Schopenhauer ; Wilhelm Schuppe ; Stanley Hall ; Wilhelm Windelband
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Vaihinger an Wilhelm Wundt, Bad Steben bei Hof, 29.7.1918, 3 S., Ts. mit eU, dazu drei Beilagen (zwei Drucksachen, 2 u. 4 S. und ein Ts., 1 S.), Universitätsbibliothek Leipzig, https://collections.uni-leipzig.de/item/UBLNachlassWundt_mods_00001140; https://collections.uni-leipzig.de/item/UBLNachlassWundt_mods_00001142; https://collections.uni-leipzig.de/item/UBLNachlassWundt_mods_00001141; https://collections.uni-leipzig.de/item/UBLNachlassWundt_mods_00001143
Diktat.
vertraulich.[a]
Bad Steben b[ei] Hof i[n] B[ayern], Villa Voigt[1], 29. Juli 1918.
Ew. Exzellenz
möchte ich bitten, der inliegenden Abschrift eines Briefes von mir an Herrn Collegen Krueger[b][2] Ihre geneigte Aufmerksamkeit zu schenken.
Wie Ew. Exzellenz daraus ersehen, handelt es sich darum, dass die von Ihnen begründete und jetzt von Herrn Collegen Krueger[c] fortgesetzte Richtung der Psychologie an einem neuen Unternehmen sich beteilige, das in wenigen Wochen ins Leben treten soll. Zwei beigelegte Drucksachen nebst einem Zusatz[d] in Maschinenschrift geben darüber näheren Aufschluss.
In dem vierseitigen Programm habe ich auch den Namen von Ew. Exzellenz erwähnt und möchte nun dem betreffenden Satze die Worte hinzufügen: „Der, wie wir mit seiner Erlaubnis sagen dürfen, ebenfalls in der Verbindung von Idealismus und Positivismus die allein mögliche Weiterbildung der Philosophie erblickt“ oder ähnlich.
Denn ich glaube mich nicht zu irren, wenn ich annehme, dass Ew. Exzellenz diese Formel billigen, die dasjenige ausdrückt, was gerade jetzt der deutschen Philosophie ganz besonders nottut.
Der einseitige Betrieb der Philosophie, wie er von den rechtsstehenden Kantianern, besonders von der Marburger Gruppe[3], von der Heidelberger Schule[4], von der Richtung von Husserl[5], sowie | von Rehmke[6] ausgeht, kann unmöglich der Weiterbildung der deutschen Philosophie günstig sein, weil diese Schulen die Bedeutung der psychologischen Tatsachen und weiterhin aller Erfahrungstatsachen überhaupt nicht richtig einschätzen.
Ich selbst habe immer dem linken Flügel der Kantianer angehört und habe immer an derjenigen Stelle des philosophischen Parlaments gesessen, wo die äußerste Linke des Kantianismus sich unmittelbar mit dem Positivismus berührt. Nicht umsonst habe ich schon im Jahre 1875 in Leipzig[7] von Ihnen mich in die Psychologie einführen lassen, deren Studium mir seither stets eine sehr angenehme Pflicht war. Ich habe die zunehmende Entfremdung zwischen Psychologie und Philosophie[8] im engeren Sinne mit schmerzlichem Bedauern verfolgt, und so möchte ich an meinem Teile jetzt dazu beitragen, das richtige Verhältnis der Beiden wieder herzustellen.
Ein glücklicher Zufall, dem doch eine innere Notwendigkeit zur Seite geht, fügt es, dass mein Mitherausgeber Dr. Raymund Schmidt schon früher in nähere Verbindung mit Ew. Exzellenz getreten ist durch seine Uebersetzung der Schrift von Stanley Hall über Ihre Philosophie[9]. Dr. Raymund Schmidt hat auch Uebungen des psychologischen Instituts mitgemacht.
Wie Ew. Exzellenz aus meinem Brief an Herrn Collegen Krueger[e] ersehen, habe ich ihn gebeten, an dem neuen Unternehmen sich zu beteiligen und die Patenschaft zu demselben anzunehmen. Ich möchte glauben damit auch im Sinne von Ew. Exzellenz gehandelt zu haben, der es gewiss auch richtig findet, dass gerade die Psychologie, wie sie von Ihnen begründet worden ist, darin | vertreten sei.
Wenn es nicht eine gar zu grosse Anmassung meinerseits wäre, so würde ich Ew. Exzellenz selbst um die Erlaubnis gebeten haben, Ihren Namen auf dem Titel nennen zu dürfen, aber ein solches Wagnis möchte ich doch nicht riskieren.
In aufrichtiger Verehrung Ew. Exzellenz ganz ergebenster
vaihinger.[f] |
VERLAG VON FELIX MEINER IN LEIPZIG
Im gleichen Verlage erscheint demnächst:
Annalen
der Philosophie
mit besonderer Rücksicht auf die Probleme der Als Ob-Betrachtung
Herausgegeben von
Hans Vaihinger und Raymund Schmidt
Preis etwa 30 M.
Die „Annalen der Philosophie“ schließen sich in ihren Bestrebungen eng an die „Philosophie des Als Ob“ Vaihingers an. Sie sind aus dem Bedürfnis entstanden, die mannigfaltigen Wirkungen, welche durch dieses Systemwerk erzeugt worden sind, in einem eigenen Organ zu vereinigen. Zum ersten Male in der Geschichte der Philosophie stehen hier Gelehrte aller Fachkreise zusammen, um eine philosophische Doktrin in ihren Grundlagen zu prüfen und auf ihre wissenschaftliche Brauchbarkeit zu revidieren. Wissenschaftlichkeit und Lebensnähe soll durch dieses Vorgehen erzielt werden. Ohne Bindung der einzelnen Verfasser an eine bestimmte Formel sollen sich die kritischen Resultate, gleichgültig ob sie zu einer Bestätigung oder Überwindung des Fiktionalismus durch einen höheren Standpunkt führen, aus Wirkung und Gegenwirkung ergeben. Auch der Widerspruch kann die Entwicklung fördern; deshalb finden sich in den „Annalen“ Freunde und Kritiker der Als Ob-Betrachtung zu gemeinsamer Arbeit zusammen.
Im Vordergrund steht naturgemäß, den Anregungen des Vaihingerschen Lebenswerkes entsprechend: kritische Revision der in der Als Ob-Betrachtung zum Ausdruck kommenden Methode, ihres logischen Wertes, ihrer psychologischen Grundlage, des Umfanges und der Grenzen ihrer Anwendbarkeit. Ein weiteres Aufgabenfeld bietet die Vergangenheit, das Aufsuchen von Spuren der Als Ob-Lehre in der Geschichte der Philosophie in strenger wissenschaftlicher Sachlichkeit. An dritter Stelle stehen die Probleme der Weltanschauung.
Schon die „Philosophie des Als Ob“ strebt einen Ausgleich an zwischen Positivismus und Idealismus. Und so wird auch die Tendenz der „Annalen“, ohne einen bestimmten Weg vorzuschreiben, auf die Überwindung dieses Gegensatzes gerichtet sein. Die wertvollsten Errungenschaften und Ziele des Idealismus sollen festgehalten werden, doch sollen sie tiefer, als es durch die bisherigen Richtungen des Idealismus geschah, in den Tatsachen der positiven Wissenschaften verankert und mit den Methoden, Ergebnissen und Zielen des Positivismus und Realismus in fruchtbare Verbindung gesetzt werden. Diesen Aus[g]|gleich herbeizuführen, ist ein Unternehmen, das nach Ansicht der Herausgeber der Einzelne nicht zu leisten vermag, es ist ein Problem, in welchem das Interesse der wissenschaftlichen Gesamtheit den Ausschlag gibt. Dieser Überzeugung verdanken die „Annalen“ ihre Gründung.
Um die Erreichung ihrer Ziele nach Möglichkeit zu fördern, haben sich die „Annalen“ zur Aufgabe gemacht, durch entsprechende Abhandlungen aus allen Gebieten der Philosophie und der einschlägigen positiven Wissenschaften, sowie durch Besprechung wertvoller Neuerscheinungen die gegenseitige Aussprache zu beleben und das philosophische Interesse zu fördern.[h]
Eine große Anzahl namhafter Gelehrter hat für dieses neue Unternehmen bedeutsame Beiträge geliefert. Als wichtigste Erscheinungen des ersten Bandes erwähnen wir:
Coerper[i], Dr. med., Mar.-Ob.-Arzt d. R.: Die Bedeutung des fiktionalen Denkens für die medizinische Wissenschaft.
Dittrich, Dr., Prof. a. d. Univ. Leipzig: Die allgemeine Bedeutung der Philosophie des Als Ob.
Gjellerup, Karl, Nobelpreisträger 1917: Zur Entwicklungsgeschichte der Schopenhauerschen Philosophie.
Jürgensen, Magister a. d. Univ. Kopenhagen: Die Philosophie des Als Ob vom Standpunkt der Marburger Schule aus.
Kelsen, Dr. jur., ord. Prof. d. Rechte a. d. Univ. Wien: Bedeutung der Fiktionslehre für die Jurisprudenz.
Kowalewski[j], Dr., Prof. a. d. Univ. Königsberg: Ansätze zum Fiktionalismus bei Schopenhauer.
Krückmann, Dr. jur., ord. Prof. der Rechte a. d. Univ. Münster: Wahrheit und Fiktion im bürgerlichen Recht (I. Abhandlung).
Lange, Konrad, Dr., ord. Prof. a. d. Univ. Tübingen: Die ästhetische Illusion und ihre Kritiker.
[Otto] Lehmann, Geh. Hofrat, Dr., ord. Prof. der Physik a. d. Techn. Hochsch. Karlsruhe: Das Als Ob in der Molekularphysik.
Müller-Freienfels, Dr. phil.: Grundzüge einer neuen Wertphilosophie.
Scholz, Heinrich, Dr. phil. et theol., ord. Prof. a. d. Univ. Breslau: Die Religionsphilosophie des Als Ob.
Schulz, Julius, Dr., Prof. in Berlin: Ein Mißverständnis des parallelistischen Theorems und seine fiktionalistische Auflösung.
Wesselsky, Dr. jur. in Wien: Grundlinien einer Philosophie der Tat.
Außer diesen Abhandlungen wird die Zeitschrift auch Besprechungen neu erschienener Werke sowie Mitteilungen aus den Problemkreisen des Fiktionalismus usw. enthalten. – Redaktionelle Zuschriften sind an Herrn Dr. Raymund Schmidt, Leipzig-Connewitz, Roßmäßlerstr. 1a zu richten. |
Verlag von FELIX MEINER in Leipzig
In unserm Verlage erscheinen:
Annalen der Philosophie
Mit besonderer Rücksicht auf die Probleme der Als-Ob-Betrachtung
Herausgegeben von
Hans Vaihinger und Raymund Schmidt
Die „Philosophie des Als-Ob“, die 1911 in erster, 1913 in zweiter, 1918 in dritter Auflage erschienen ist, hat die Aufmerksamkeit weiter Kreise auf sich gezogen. Hervorgegangen aus einer methodischen Überschau über die verschiedensten Wissens- und Lebensgebiete hat sie so vielfache Beachtung gefunden, daß es angezeigt erscheint, die Diskussion über sie, die nicht bloß in Fachkreisen, sondern auch bei den Vertretern der Einzelwissenschaften mannigfach eingesetzt hat, fortan in einem eigenen Organ zu vereinigen. Was als Einzeläußerung unter der Fülle der Gegenwartserscheinungen leicht verloren gehen kann, soll hier in fruchtbaren Zusammenhang gestellt werden und so Gelegenheit finden, sich in Wirkung und Gegenwirkung abzurunden und womöglich sich mit verwandten Bestrebungen zu einem neuen Ganzen zusammenzufügen.
Es handelt sich in erster Linie darum, die in der Als-Ob-Betrachtung zum Ausdruck kommende Methode zu untersuchen, sie auf ihren logischen Wert und ihre psychologische Grundlage hin zu prüfen und Umfang und Grenzen ihrer Anwendbarkeit in Wissenschaft, Leben und Weltanschauung festzustellen.
Aus dieser Prüfung sollen die Resultate hervorgehen. Es sollen kritische Resultate sein. Der Standpunkt der Philosophie des Als-Ob soll nicht dogmatisch und dogmatisierend die Beiträge der Mitarbeiter binden oder beeinflussen, sondern soll vielmehr selbst erst zur eigentlichen Vollendung gebracht und, wenn es die Sachlage ergibt, bis zur Überwindung durch einen höheren Standpunkt weitergeführt werden.[k] |
Es besteht also für die Mitarbeiter der Annalen keinerlei Verpflichtung auf irgendeine feststehende Formel. Auch der Widerspruch kann die Entwicklung fördern; so ist den Herausgebern die konsequente Kritik der Als-Ob-Betrachtung ebenso willkommen wie die positive Mitarbeit am Ausbau ihrer Prinzipien.
Ein weiteres Gebiet von Aufgaben eröffnet sich im Hinblick auf die Vergangenheit. Hier ist zu untersuchen, in welchem Umfange die Geschichte der Philosophie Spuren einer der Als-ob-Lehre verwandten oder gleichartigen Betrachtung aufweist. Natürlich wird in dieser Richtung auf strengste wissenschaftliche Sachlichkeit gesehen werden, denn nichts liegt den Herausgebern ferner, als der Geschichte der Philosophie in irgendeinem Punkte Gewalt antun zu wollen.
In Bezug auf die Probleme der Weltanschauung sucht die „Philosophie des Als-Ob“ einen Mittelweg zwischen Idealismus und Positivismus, deren schroffer Gegensatz unsere Zeit so zwiespältig macht. Und so wird denn auch die Tendenz der „Annalen“, obwohl sie keinen bestimmten Weg vorschreiben, auf die Überwindung dieses Gegensatzes gerichtet sein.
Dieses Interesse ist durch die Zeitlage unterstützt. Die außerordentlichen Ereignisse der letzten Jahre haben viele zu der Überzeugung geführt, daß der ältere Idealismus in seinen bisherigen Formen zu wenig die rohe, vernunftlose und vernunftwidrige Tatsächlichkeit berücksichtigte, und zu einseitig eingestellt war auf die Macht des Geistigen und die Herrschaft der Vernunft; diesen antirealistischen Neigungen entsprach ein dogmatischer, und darum vielfach irreführender metaphysischer Wirklichkeitsbegriff. Die in ihrer Weise großartige Unterschätzung des Realen, welche von diesem Idealismus ausgegangen ist, entspricht nicht der Welt, mit der wir zu rechnen haben. Die volle Anerkennung des Wirklichen ist vielmehr selbst ein Stück Idealismus, und zwar nicht nur, insofern sie sich als eine Forderung des Wahrheitssinnes erweist, sondern vor allem auch deshalb, weil sie die grundlegende Voraussetzung ist für jede ideelle Beherrschung des Wirklichen.
Andererseits wird es dem Positivismus, der diese Beherrschung als eine lediglich technische versteht, niemals gelingen, ein Geschlecht oder ein Volk zu jener geistigen Erhebung über das Wirkliche zu befähigen, die der Anfang aller inneren Größe ist. | Auch hierin haben die Erfahrungen der letzten Jahre als Lehrmeister gewirkt: Viele, die sich bis dahin nur an das Tatsächliche, also ausschließlich an die empirische Wirklichkeit, gehalten hatten, fanden durch ihr äußeres und inneres Erleben den Zugang zu der Überzeugung, daß überall ideale Werte mitwirken, die der menschliche Wille sich selbst setzen muß, und so suchte ihr Positivismus von selbst nach einer Ergänzung durch den Idealismus. Blindheit gegen die geistigen Werte, die jenseits des technischen Könnens liegen, ist ein Zustand, gegen dessen zersetzende Wirkungen alle Kräfte einer charaktervollen Philosophie aufgeboten werden müssen.
Was der Idealismus eines Kant[l] und Fichte, eines Hegel und Schleiermacher, eines Lotze und Eucken[m] dauernd Wertvolles geschaffen hat, muß erhalten bleiben, aber nicht minder auch dasjenige, was an den realistischen Ergänzungen, die ein Herbart und ein Schopenhauer zu jenem Idealismus hinzufügten, überzeugend ist. Dies muß verbunden werden mit dem, was der Positivismus eines Laas und Schuppe, eines Mach und Avenarius an Brauchbarem erarbeitet hat.
Und so bedürfen beide Richtungen, Idealismus und Positivismus, gerade weil sie sich gegenwärtig zum Teil so verständnislos gegenüberstehen, einer neuen, durchgreifenden Aufklärung ihrer Beziehungen; ihr Ausgleich kann sich nur vollziehen unter gründlicher Berücksichtigung der Psychologie, wie sie seit Wundt sich entwickelt hat.[n]
Diese Arbeit im weitesten Sinne zu leisten, haben sich Herausgeber und Mitarbeiter der „Annalen“ entschlossen. Tatsachen und Ideale, Wirklichkeiten und Werte, Gegebenes und Aufgegebenes in inneren Einklang miteinander zu setzen und oder einem solchen wenigstens entgegen zu führen, ist eines der Hauptziele, worauf sie hinarbeiten.
So stellen die vorstehenden Ausführungen kein Bekenntnis dar, sondern vielmehr lediglich ein Programm, eine Aufgabe, an deren Lösung sich im Interesse der wissenschaftlichen Gesamtheit nun auch die wissenschaftliche Gesamtheit beteiligen soll.[o]
Um die Erreichung unserer Ziele nach Möglichkeit zu fördern, haben sich die „Annalen“ zur Aufgabe gemacht, durch entsprechende Abhandlungen aus allen Gebieten der Philosophie und der einschlägigen positiven Wissenschaften, sowie durch Besprechung | wertvoller Neuerscheinungen die gegenseitige Aussprache zu beleben und das philosophische Interesse zu fördern.
Den Verlag der „Annalen“ hat die Firma Felix Meiner in Leipzig übernommen. Der 1. Band im Umfang von etwa 40–45 Bogen, wird in der ersten Hälfte des Jahres 1918 erscheinen. Die Bände können auch in Halbbände oder Hefte zerlegt herausgegeben werden. Die Mitarbeiter erhalten von ihren Beiträgen zehn Separatabzüge frei und weitere Abzüge gegen eine mäßige Vergütung. Das Honorar beträgt 40 Mark pro Bogen.
Alle Beiträge erscheinen unter der eigenen Verantwortung der Verfasser.[p]
Alle Beiträge und Mitteilungen, sowie auch alle Rezensionsexemplare neu erschienener Werke sind vorläufig nur an Herrn Dr. Raymund Schmidt, Leipzig-Connewitz, Roßmäßlerstr. 1a, zu richten. Alle Manuskripte sollen nur einseitig beschrieben werden.
Halle und Leipzig[q], im Frühjahr 1918.
Hans Vaihinger. Raymund Schmidt[r] |
Zusatz zum Programm der „Annalen“.
Denn daran hat es bisher gefehlt, an einer fruchtbaren Wechselwirkung zwischen Einzelwissenschaften und Philosophie. Wohl haben gelegentlich und mehr zufällig solche gegenseitige Förderungen stattgefunden, aber es fehlt an einem gemeinsamen Platze, auf dem Philosophen einerseits und Vertreter der einzelnen Fachwissenschaften andererseits zusammen kommen und zusammen arbeiten könnten. In diesem Sinne sind als Mitwirkende an dieser Zeitschrift am Kopfe derselben nicht blos Vertreter der Philosophie aufgezählt, sondern auch je ein Vertreter der Theologie, der Jurisprudenz und Medizin, die in traditioneller Reihenfolge der Fakultäten den Reigen eröffnen; darauf folgt ein Mathematiker, je ein Vertreter der unorganischen und der organischen Naturwissenschaften und dazu tritt ein Kunsthistoriker resp. Aesthetiker. Diesem folgen die Philosophen im engeren Sinne, die die Reihe schliessen. Diese auf dem Titel aufgezählten Gelehrten stimmen diesem Programm der Zeitschrift zu, wobei sie[s] noch besonderen Wert darauf legen, hier zum Ausdruck zu bringen, dass sie damit keine direkte oder indirekte Zustimmung zu den in der „Philosophie des Als-Ob“ ausgesprochen Anschauungen erklären wollen, dass sie aber die in dem genannten Werke behandelten Probleme für solche halten, die durch weitere wissenschaftliche Diskussion zur Klärung gebracht werden müssen. Eine Verantwortung für den Inhalt der einzelnen Beiträge in der Zeitschrift übernehmen sie nicht.
Kommentar zum Textbefund
g↑Aus ] darunter Stempel mit Bild des Leipziger Völkerschlachtdenkmals, nach Seitenwechsel Wiederholung der Verlagsangabe am Kopf der S.: VERLAG VON FELIX MEINER IN LEIPZIGm↑Eucken ] gestrichen; am Rand hs. von anderer Hd. mit brauner Tinte: Windelband – diese Namensnennung auch in: Programm der Zeitschrift. In: Annalen der Philosophie etc. 1 (1919), S. V.Kommentar der Herausgeber
2↑Abschrift eines Briefes von mir an Herrn Collegen Krueger ] vgl. Vaihinger an Krueger vom 29.7.1918. Abschrift liegt nicht bei.5↑Husserl ] Edmund Husserl (1859–1938), 1887–1901 PD in Halle, 1901 o. Prof. Göttingen, 1916 Freiburg (Breisgau), veröffentlichte 1913: Ideen zu einer reinen Phänomenologie (BEdPh).6↑Rehmke ] Johannes Rehmke (1848–1930), 1887–1291 o. Prof. in Greifswald. Im Urteil Rudolf Eislers (Philosophenlexikon. Berlin: Mittler und Sohn 1912, S. 583) steht Rehmke durch seinen erkenntnistheoretischen Monismus den Vertretern der „immanenten Philosophie“ (Schuppe u. a.) nahe. Er ist ein Vertreter des objektiven Idealismus und ein Gegner des „Phänomenalismus“ im Sinne einer die Außendinge zu Erscheinungen unbekannter Wesen herabsetzenden Lehre. Es gibt vielmehr nur eine Welt des Gegebenen, und dieses Gegebene existiert, unabhängig von jedem Einzelsubjekt, als Inhalt eines allumfassenden, universalen, göttlichen Bewußtseins. Die „Grundwissenschaft“ setzt nur das Gegebene und dessen allgemeinste Bestimmungen voraus. Die dualistische Spaltung der Welt in zwei Wirklichkeiten absolut verschiedener Art ist abzulehnen.8↑Entfremdung zwischen Psychologie und Philosophie ] manifest seit der 1913 in vielen Zeitschriften und Tageszeitungen abgedruckten bzw. kommentierten Erklärung gegen die Besetzung philosophischer Lehrstühle mit Vertretern der experimentellen Psychologie (die prinzipiell auf die Berufung des Psychologen Erich Jaensch als Nachfolger Hermann Cohens in Marburg reagierte, vgl. Georg-Simmel-Gesamtausgabe Bd. 17, S. 460–462 u. 482–485), verfaßt von Heinrich Rickert, vgl. UA Freiburg (Breisgau), B 38/283, letztes Blatt der Akte, Ts. mit eigenhändiger Unterschrift, 2 S. auf einem gefalteten Bogen (das Zeichen / signalisiert Absatz): Freiburg i. B. den 12. Februar, 1913. | Sehr geehrter Herr Kollege, | Ew. Spektabilität überreiche ich hierdurch die umstehende Erklärung, die von den Kollegen Eucken (Jena), Husserl (Göttingen), Natorp (Marburg), Riehl (Berlin), Windelband (Heidelberg) und mir angeregt und im Ganzen von 106 [recte 107] Dozenten der Philosophie unterschrieben worden ist. Ich bin von den Unterzeichnern beauftragt, die Erklärung zur Kenntnis der philosophischen Fakultäten zu bringen, und erlaube mir daher die Bitte, daß Sie dies Schreiben in einer Sitzung Ihrer Fakultät vorlegen oder bei den Mitgliedern zirkulieren lassen. | Mit dem Ausdruck größter Hochachtung und kollegialem Gruß bin ich Ew. Spektabilität ergebenster / Heinrich Rickert | Erklärung. / Die unterzeichneten Dozenten der Philosophie an den Hochschulen Deutschlands, Oesterreichs und der Schweiz sehen sich zu einer Erklärung veranlaßt, die sich gegen die Besetzung philosophischer Lehrstühle mit Vertretern der experimentellen Psychologie wendet. / Das Arbeitsgebiet der experimentellen Psychologie hat sich mit dem höchst erfreulichen Aufschwung dieser Wissenschaft so erweitert, daß sie längst als eine selbständige Disciplin anerkannt wird, deren Betrieb die volle Kraft eines Gelehrten erfordert. Trotzdem sind nicht eigene Lehrstühle für sie geschaffen, sondern man hat wiederholt Professuren der Philosophie mit Männern besetzt, deren Tätigkeit zum größten Teil oder ausschließlich der experimentellen Erforschung des Seelenlebens gewidmet ist. Das wird zwar verständlich, wenn man auf die Anfänge dieser Wissenschaft zurückblickt, und es war früher wohl auch nicht zu vermeiden, daß beide Disciplinen von einem Gelehrten zugleich vertreten wurden. Mit der fortschreitenden Entwicklung der experimentellen Psychologie ergeben sich jedoch daraus Uebelstände für alle Beteiligten. Vor Allem wird der Philosophie, für welche die Teilnahme der akademischen Jugend beständig wächst, durch Entziehung von ihr allein gewidmeten Lehrstühlen eine empfindliche Schädigung zugefügt. Das ist um so bedenklicher, als das philosophische Arbeitsgebiet sich andauernd vergrößert, und als man gerade in unsern philosophisch bewegten Zeiten den Studenten keine Gelegenheit nehmen darf, sich bei ihren akademischen Lehrern auch über die allgemeinen Fragen der Weltanschauung und Lebensauffassung wissenschaftlich zu orientieren. / Nach diesem Allen halten es die Unterzeichneten für ihre Pflicht, die philosophischen Fakultäten sowie die Unterrichtsverwaltungen auf die hieraus erwachsenden Nachteile für das Studium der Philosophie und Psychologie hinzuweisen. Es muß im gemeinsamen Interesse der beiden Wissenschaften sorgfältig darauf Bedacht genommen werden, daß der Philosophie ihre Stellung im Leben der Hochschulen gewahrt bleibt. Daher sollte die experimentelle Psychologie in Zukunft nur durch die Errichtung eigener Lehrstühle gepflegt werden; und überall, wo die alten philosophischen Professuren durch Vertreter der experimentellen Psychologie besetzt sind, ist für die Schaffung von neuen philosophischen Professuren zu sorgen. Es folgen im Ganzen 107 Unterzeichnernamen (Abdruck des Aufrufs auch in Georg Simmel Gesamtausgabe Bd. 17, S. 177–179, mit der Namensliste, darunter Vaihinger). Vgl. Rickert: Zur Besetzung der philosophischen Professuren mit Vertretern der experimentellen Psychologie. In: Frankfurter Zeitung, Nr. 63 vom 4.3.1913 sowie Wundts eigene Reaktion: Die Psychologie im Kampf ums Dasein. Leipzig: Kröner 1913.9↑Schrift von Stanley Hall über Ihre Philosophie ] vgl. Stanley Hall: Die Begründer der modernen Psychologie [Founders of modern psychology]. Lotze Fechner, Helmholtz, Wundt. Übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Raymund Schmidt. Durch Vorwort eingeführt von Max Brahn. Leipzig: Meiner 1914. Die Abhandlungen Halls sind auch einzeln als Separatdruck nachgewiesen, darunter: Wilhelm Wundt, der Begründer der modernen Psychologie. 1914, 178 S. (ein Exemplar in Vaihingers, 1923 nach Japan weiterverkauften Privatbibliothek: https://chssl.lib.hit-u.ac.jp/images/2020/02/Catalog_Hitotsubashi_Soda.pdf (24.9.2024)).▲