Bibliographic Metadata
- TitleVaihinger an Heinrich Rickert, Bad Steben, 7.9.1917, 2 S., hs. (andere Hd., mit eU), Universitätsbibliothek Heidelberg, Heid. Hs. 2740 III A 208 17
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- Place and Date of Creation
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- Physical LocationUniversitätsbibliothek Heidelberg, Heid. Hs. 2740 III A 208 17
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Vaihinger an Heinrich Rickert, Bad Steben, 7.9.1917, 2 S., hs. (andere Hd., mit eU), Universitätsbibliothek Heidelberg, Heid. Hs. 2740 III A 208 17
Bad Steben, Villa Voigt[1], den 7.9.17.
Herrn Geheimen Hofrat, Professor Dr. Rickert, Heidelberg.
Sehr geehrter Herr College!
Es paßt mir sehr gut, daß Sie Ihre ev[entuelle] Antwort noch verschieben wollen[2]: denn ich bleibe nur noch kurze Zeit hier, mache dann noch eine kleine Rundreise und komme erst Anfang Oktober nach Halle zurück, wo ich mich dann operieren lassen will. Meine eigene Aufklärung über den Rücktritt Bauchs, die im Manuskript wesentlich fertig ist, stelle ich bis auf Weiteres zurück, in der Hoffnung, sie vielleicht überhaupt nicht veröffentlichen[3] zu brauchen.
Vor einiger Zeit erhielt ich einen Feldpostbrief von einem jungen Dr phil.[4], der vor einigen Jahren kurze Zeit in Jena studierte und dann nach Freiburg übersiedelte, wo er ein Semester lang studierte: er promovierte dann anderwärts. In Freiburg hörte er bei Dr Kroner[5], den er auch gelegentlich im Felde traf.
Der Briefschreiber äußert sich sehr empört über den Angriff Bauchs auf Kroner: ich würde den Brief wörtlich zitieren, wenn die Ausdrücke nicht so scharf wären.
Der Briefschreiber findet es empörend, daß ein Mann wie Dr Kroner, der eine angesehene Stellung im Heere ein|nehme und sich durch seine Tapferkeit und Umsicht große und anerkannte Verdienste um das deutsche Vaterland erworben habe, im Rücken angefallen und verunglimpft werde.
Der Briefschreiber findet diese Verunglimpfung doppelt empörend, da sie ausgehe von einem Manne, der den Juden die körperliche Gleichwertigkeit mit den Germanen abspreche, selbst aber felduntüchtig sei und gegen Kroner seine Tinte verspritzt, während dieser, der feldtüchtige Jude für das Vaterland sein Blut verspritze.
Endlich findet der Briefschreiber jenen Angriff dreifach empörend, da ja Prof. Bauch in seiner Erklärung im „Panther“[6] v[on] Jan[uar] 1917 selbst mitteile, daß er durch die Operation wiederhergestellt sei, derart, daß man annehmen müsse, er sei zum Mindesten zum Armierungssoldaten[7] geeignet, umsomehr, als er ja erst 40 Jahre alt[8] sei.
Der Briefschreiber bittet mich schließlich den näheren Umständen nachzuforschen, ob Bauch nach seiner Operation nochmals militärärztlich untersucht worden sei, ob er von der Universität reklamiert worden sein u. s. w., und wünscht, ich möchte den Angriff auf Dr Kroner von diesem Gesichtspunkt aus zur Sprache bringen.
Ich habe[a] keine Veranlassung dies zu tun, aber ich teile Ihnen das mit, damit Sie sehen, welche Aufregung jener Angriff Bauchs hervorgerufen hat und welche üble Konsequenzen er zeitigt und wie wünschenswert, ja notwendig es ist, daß Prof. Bauch eine beruhigende Erklärung in dem von mir angegebenen Sinne abgibt.
Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr ganz ergebener
vaihinger[b]
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑Bad Steben … Villa Voigt ] Pension, Inhaber Paul Voigt, vgl. z. B. Bayerisches Landes-Adreßbuch für Industrie, Handel und Gewerbe 16. Ausgabe 1937/38, Ortsteil, S. 42 (http://wiki-de.genealogy.net/w/index.php?title=Datei%3ABayern-AB-1937-38.djvu&page=108; 28.7.2021).3↑nicht veröffentlichen ] Vaihinger veröffentlichte seine Stellungnahme nicht, ein Manuskript ist nicht überliefert.5↑Kroner ] Richard Kroner (1884–1974), 1908 bei Rickert promoviert, 1910 Mitbegründer der Zeitschrift Logos, 1912 habilitiert, 1918 ao. Prof. Freiburg (Breisgau), 1924 o. Prof. TH Dresden, 1928 in Kiel, Vorsitzender des Internationalen Hegel-Bundes. 1938 emigriert, 1941 am Union Theolocical Seminary New York (BEdPh).6↑Erklärung im „Panther“ ] vgl. Bauch: Mein Rücktritt von den „Kant-Studien“. Eine Antwort auf viele Fragen. In: Der Panther 5 (1917), Heft 1 von Januar 1917, S. 148–154 (abgedruckt in Ernst Cassirer Nachgelassene Manuskripte und Texte Bd. 9, S. 285–291).▲