Bibliographic Metadata
- TitleNicolai Hartmann an Vaihinger, o. O. [Bad Kreuznach], 17.8.1917, 4 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XII, 2 h, Nr. 2
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- Physical LocationStaats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XII, 2 h, Nr. 2
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Nicolai Hartmann an Vaihinger, o. O. [Bad Kreuznach], 17.8.1917, 4 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XII, 2 h, Nr. 2
Gr[oßes] Hauptquartier[1]
17.8.17.
Sehr geehrter Herr Geheimrat!
Das außerordentliche Entgegenkommen, das Sie mit der mir zugewandten Unterstützung[2] beweisen, ist mir ein neuer Beweis, daß die alten Lande der einst so starken Gelehrten-Republik noch kraftvoll bestehen und die harte Probe dieser alles verfluchenden Kriegszeit bisher überdauert haben. Wie sehr ich Ihnen und der Kantgesellschaft dank weiß, brauche ich nicht auszuführen. Ich hoffe aber, daß sich auch für mich einmal die Gelegenheit finden wird, den Dank abzutragen in fruchtbarer Mitarbeit an den uns allen gemeinsamen Zielen.
Ihr freundliches Anerbieten[3], das Geld direkt an meine Frau[4] zu senden, brauche ich für die erste Rate der bewilligten | Summe nicht in Anspruch zu nehmen; seit ich wieder im Lande bin, führe ich die Geldangelegenheiten auch wieder selbst für die Meinigen, was von hier aus bequem geht. Ich möchte daher bitten, mir das Geld hierher zu senden (Großes Hauptquartier, Funker-Abt[eilung] der O[bersten] H[eeres] L[eitung]).
Was mein Leben im Hauptquartier anlangt, so bin ich leider mehr beschäftigt, als jemals im Felde; die Arbeit geht ohne Pause fort und auch die Nächte müssen dran glauben. An wissenschaftliches Mitleben ist nicht zu denken. Für mich sind offenbar die Zeiten noch fern, wo ich wieder werde mitthun können. Ob es möglich sein wird, die ungeheure klaffende Lücke jemals wieder zu schließen, ist mir sehr zweifelhaft. Auch der feste Boden, auf dem ich seinerzeit in Marburg mit meiner akademischen Thätigkeit stand, ist mir vollkommen unter den Füßen verschwunden. Auch der wird einmal Stein für Stein neu gelegt werden müssen …[a] |
Indessen muß ich Ihre Erfahrung, daß im Felde viel wertvolles Interesse für unser Fach gereift ist, durchaus bestätigen. Und wenn Sie sich davon für die Sache Ihrer jungen Philosophenschule einen Aufschwung versprechen, so könnte ich das nur von Herzen begrüßen. Ich halte das Phänomen der philosophischen Schule für ein wichtiges Ferment unserer Wissenschafts-Entwicklung und darüber hinaus unserer Kultur und Bildung. Und schon allein die Notwendigkeit der Arbeitsgemeinschaft in der Wissenschaft würde genügen sie zu rechtfertigen. Daß manche ältere Schule mit Eifersucht darauf sieht, wird keinen Sachfreudigen irremachen. Und ich wage es, mich der Hoffnung hinzugeben, daß selbst die Richtungen und Schulen untereinander sich mit der Zeit besser verstehen lernen werden. In der jüngeren Generation zeigen sich ja manche bedeutsame Schritte der Annäherung. Daß es aber Ihnen vergönnt ist, die Früchte Ihrer Lebensarbeit selbst zu sehen, ist ein schönes Geschenk der | Sache an ihren Schöpfer, zu dem ich Ihnen nur von Herzen Glück wünschen kann.
Es grüßt Sie in alter Verehrung Ihr sehr ergebener
N. Hartmann
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑Gr[oßes] Hauptquartier ] zur Zeit der Abfassung des Schreibens mit Sitz in Bad Kreuznach (Markus Pöhlmann: General Headquarters (Germany), in: 1914–1918-online. International Encyclopedia of the First World War, ed. by Ute Daniel, Peter Gatrell, Oliver Janz, Heather Jones, Jennifer Keene, Alan Kramer, and Bill Nasson, issued by Freie Universität Berlin, Berlin 2014-10-08. DOI: 10.15463/ie1418.10467 = https://encyclopedia.1914-1918-online.net/article/general_headquarters_germany (20.9.2024)). Nicolai Hartmann war 1914–1918 als Dolmetscher, Briefzensor und Nachrichtenoffizier tätig (https://www.lagis-hessen.de/pnd/118546317 (20.9.2024)).▲