Bibliographic Metadata
- TitleAlma von Hartmann an Vaihinger, Berlin, 2.4.1912, 3 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXII, 2 f, Nr. 2
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- Physical LocationStaats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXII, 2 f, Nr. 2
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Alma von Hartmann an Vaihinger, Berlin, 2.4.1912, 3 S., hs., Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Aut. XXII, 2 f, Nr. 2
Berlin S. 57
Hasenheide 75II
2. April 1912
Hochgeehrter Herr Geheimrath
Verzeihen Sie, wenn ich Ihren liebenswürdigen Brief[1] mit der Einladung, am 27. d[es] M[onats] an der Sitzung der Kantgesellschaft[2] theilzunehmen[a], erst heute beantworte. Ich hatte einen sehr schwierigen Wohnungswechsel zu überstehen, der meine schwachen Kräfte durchaus erschöpfte. Außerdem befand ich mich in so ernster Sorge um das Befinden meines einzigen Sohnes[3], daß es mir fast unmöglich schien, Berlin zu verlassen. Auch jetzt sind meine Besorgnisse noch sehr ernst – es handelt sich um eine Entzündung des Herzens – aber ich hoffe doch, zum 27. für | einen Tag nach Halle hinüberkommen zu können. Vielleicht bringe ich meine Tochter Leo von Winterfeld[4], die eine eifrige Hartmannianerin ist, mit, wenn sie sich von ihren häuslichen Pflichten freimachen kann. Gerade die „Kategorienlehre“ ist ihr ein sehr vertrautes Buch.
Daß zu Preisrichtern[5] nur ausgemachte Neukantianer gewählt werden konnten, bleibt mir nach wie vor betrüblich, da diese Richtung sich gar zu feindselig gegen jede Art von Metaphysik verhält. Aber ich sehe wohl ein, daß es die Sachlage so mit sich bringt. Professor Drews wäre der richtige Mann gewesen; es ist doch wieder niederdrückend, daß es nicht möglich | ist ihn zu berufen[6]. Daß ich diese Unmöglichkeit einsehe, macht sie nicht weniger traurig.
Ich werde Ihnen kurz vor dem 27. noch einmal Nachricht geben, ob ich die Sitzung der Kantgesellschaft besuchen kann, oder ob der Zustand meines Sohnes so hoffnungslos geworden ist, daß ich in der größtmöglichen Nähe bleiben muß.
Mit den angelegentlichsten Empfehlungen Ihre ergebene
Alma von Hartmann.
Kommentar zum Textbefund
a↑Hasenheide … theilzunehmen ] quer über die Zeilen mit Bleistift Erledigungszeichen, ähnlich einem f (oder E)Kommentar der Herausgeber
2↑Sitzung der Kantgesellschaft ] vgl. Arthur Liebert: Bericht über die Allgemeine Mitgliederversammlung (Generalversammlung) am Sonnabend, den 27. April 1912. In: Kant-Studien 17 (1912), S. 320–321. Unter Teilnahme von Alma von Hartmann und „Leonie von Winterfeld“ (Leopoldine von Winterfeld), mit Ausrufung der 6. Preisaufgabe der Kantgesellschaft: Eduard von Hartmanns „Kategorienlehre“ und ihre Bedeutung für die Philosophie der Gegenwart (vgl. Kant-Studien 17 (1912), S. 334–336).3↑Sohnes ] die Rede ist von Paul Ferdinand von Hartmann (geb. 5.4.1881), vgl. Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Briefadeligen Häuser 1 (1907), S. 270–271 (https://digital.ub.uni-duesseldorf.de/periodical/pageview/1198551; 8.6.2022).5↑zu Preisrichtern ] ursprünglich Wilhelm Windelband, Bruno Bauch und Jonas Cohn; nach Tod Windelbands (1915) und Demission Bauchs aus der Kantgesellschaft (1916/1917) schließlich (1918/1919) Jonas Cohn, Heinrich Maier und Max Frischeisen-Köhler.6↑ihn zu berufen ] Arthur Drews (1865–1935), 1896 an der TH Karlsruhe habilitiert, 1898 Titularprofessor, 1928–1931 o. Prof. (BEdPh: Drews verneinte die historische Existenz Jesu und erklärte die christliche Überlieferung als „Christusmythe“. Um 1909/10 wurde er vorübergehend zum Mittelpunkt einer sektiererischen Massenbewegung).▲