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- TitleVaihinger an Paul Natorp, Halle, 23.3.1906, 4 S., hs., Briefkopf KANTGESELLSCHAFT. Halle a. S., d. … 190 | Reichardtstr. 15. | GESCHÄFTSFÜHRER: PROF. DR. H. VAIHINGER., Beilage Drucksache, 1 S., Universitätsbibliothek Marburg, Ms. 831/1083/Zu: Ms. 831/1083
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- Physical LocationUniversitätsbibliothek Marburg, Ms. 831/1083/Zu: Ms. 831/1083
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Vaihinger an Paul Natorp, Halle, 23.3.1906, 4 S., hs., Briefkopf KANTGESELLSCHAFT. Halle a. S., d. … 190 | Reichardtstr. 15. | GESCHÄFTSFÜHRER: PROF. DR. H. VAIHINGER., Beilage Drucksache, 1 S., Universitätsbibliothek Marburg, Ms. 831/1083/Zu: Ms. 831/1083
23.III.1906
Verehrter Herr College!
Sie werden wol im letzten Heft der K[ant-]St[udien] die Anzeige der neuen Preisaufgabe[1] gesehen haben. Die Ferien geben mir nun jetzt erst die Zeit, mich nach Preisrichtern umzusehen, und so bin ich so frei, Sie zu bitten, das Preisrichteramt[2] mit zu übernehmen. Es sollen 2 Philosophen und ein Litteraturhistoriker Preisrichter sein. | Bis jetzt ist noch keiner ernannt. Es sollen nur Nicht-Hallenser sein. Was die Philosophen betrifft, so denken wir außer Ihnen auch an Ziegler oder Groos (oder Kühnemann). Über einen Litterarhistoriker ist noch nichts ausgemacht. Wir denken an Köster in Leipzig[3].
Jedem Preisrichter sind wir in der Lage, je[a] 200 M Remuneration für die Mühewaltung anzubieten. –
Es freut mich, daß Sie gegen die Schulvorlage[4] aufgetreten sind. Nach den neuesten Nachrichten scheint nun die Sache | auch den Nationalliberalen zu leicht[b] zu werden, da ist erfreulich, daß diese sich wieder darauf besinnen, daß sie Kampf[c] gegen die Orthodoxie in ihr Programm aufgenommen haben. Es ist ja schauderhaft, wie jetzt in Deutschland allüberall die katholische Kreise vorwärts drängt und vorwärts kommt.[d]
Entschuldigen Sie meine schlechte Handschrift: grauer Staar an beiden Augen hindert mich sehr am Lesen und Schreiben.
Mit bestem Gruß Ihr
H. Vaihinger |
P. S. Kühnemann kommt weniger in Betracht, weil er möglicherweise zur Zeit des Einlaufens der Arbeiten wieder in Amerika Vorträge hält[5]; aus diesem Grunde müssen wir wol von ihm absehen. |
Zweites Preisauschreiben der „Kantgesellschaft“.
Walter Simon-Preisaufgabe.
Das Problem der Theodicee in der deutschen Philosophie und Litteratur des 18. Jahrhunderts, mit besonderer Rücksicht auf Kant und Schiller.
Die Ausschreibung dieser zweiten Preisaufgabe verdankt die Kantgesellschaft der Anregung Ihres Ehrenmitgliedes, des Herrn Stadtrat a. D. Professor Dr. Walter Simon in Königsberg i. Pr., welcher nicht nur das oben genannte Thema selbst angegeben, sondern auch der Gesellschaft für die beste Beantwortung der Aufgabe
Eintausend Mark
zur Verfügung gestellt hat. Von dieser erfreulichen Thatsache machen wir zunächst diese vorläufige Mitteilung: das Nähere, insbesondere die Nennung der noch zu bestellenden Preisrichter wird im nächsten Heft folgen. Die speziellen Bedingungen werden voraussichtlich dieselben sein, wie bei der Kant-Aristoteles-Preisaufgabe[6] (vgl. Kant-Studien[e] X, S. 248); doch werden der Natur der Sache nach diesmal nur deutsch geschriebene Abhandlungen in Betracht kommen. Als Ablieferungstermin wird voraussichtlich der 1. Oktober 1907 bestimmt werden, als Termin der Preisverkündung der 22. April 1908.
Halle a. S., den 27. Januar 1906
H. Vaihinger.[f]
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑Anzeige der neuen Preisaufgabe ] vgl. Vaihinger: Zweites Preisausschreiben der „Kantgesellschaft“. Walter Simon-Preisaufgabe. Das Problem der Theodicee in der deutschen Philosophie und Litteratur des 18. Jahrhunderts, mit besonderer Rücksicht auf Kant und Schiller. In: Kant-Studien 11 (1906), S. 152. Wiederholter Abdruck in dass. S. 295–296, mit Erinnerung an die 1. Preisaufgabe (1904), datiert im Juni 1906; nochmals im Dezember 1908 in Kant-Studien 13 (1908), S. 508 und im Januar 1909 in Kant-Studien 14 (1909), S. 157.2↑das Preisrichteramt ] vgl. die Korrespondenz Vaihingers mit Natorp vom 28.3.1906–27.4.1909 sowie Vaihinger: Zweite Preisaufgabe der Kantgesellschaft. Walter Simon-Preisaufgabe […]. Bericht der Preisrichterkommission [in der endgültigen Zusammensetzung: Theobald Ziegler, Paul Natorp, Paul Menzer]. In: Kant-Studien 14 (1909), S. 313–321. Datiert im April/Mai 1909.3↑Köster in Leipzig ] d. i. Albert Köster (1862–1924; https://research.uni-leipzig.de/catalogus-professorum-lipsiensium/leipzig/Koester_85/ (29.8.2024)).4↑gegen die Schulvorlage ] vgl. Paul Natorp: Wider die Schulvorlage. Vortrag gehalten in öffentlicher Versammlung zu Marburg am 19. Januar 1906. Halle: Gebauer-Schwetschke 1906, gerichtet gegen den Gesetzesentwurf betreffend die Unterhaltung der öffentlichen Volksschulen des Preußischen Staatsministeriums zur Beratung im Abgeordnetenhaus am 2.12.1905, wonach u. a. die einheitliche Konfessionsbindung der Lehrer und Schüler an einer Schule verbindlich vorgeschrieben werden sollte. Natorp befürchtete dadurch eine staatlich sanktionierte Stärkung eines rein katholischen Schulwesens. Die sich anschließende öffentliche Agitation blieb letztlich erfolglos, vgl. den editorischen Bericht zu: Das intellektuelle Deutschland gegen die Schulvorlage [23.3.1906]. In: Georg Simmel Gesamtausgabe Bd. 17, S. 477–480.5↑in Amerika Vorträge hält ] Eugen Kühnemann (1868–1946), 1889 in München promoviert, 1895 in Marburg bei Hermann Cohen habilitiert, 1903 zunächst o. Prof. in Bonn, dann Gründungsrektor der 1903 eröffneten Akademie in Posen, 1906 o. Prof. in Breslau, war seit 1905 Vortragsreisender in den USA im Auftrag des Preußischen Kultusministeriums. 1906 und 1908 Austauschprofessor in Harvard, 1912 Carl-Schurz-Professor in Wisconsin, 1914–1917 und 1932 weitere Vortragsreisen (NDB, BEdPh). Kühnemann musste sein zunächst zugesagtes Preisrichteramt wegen einer solchen Reise schließlich niederlegen, vgl. Vaihinger an Natorp vom 27.6.1908.6↑Kant-Aristoteles-Preisaufgabe ] vgl. Vaihinger: Preisaufgabe der „Kantgesellschaft“. Kants Begriff der Erkenntnis, verglichen mit dem des Aristoteles. In: Kant-Studien 10 (1905), S. 248.▲