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- TitleVaihinger an Paul Natorp, Halle, 26.1.1905, 3 S., hs. (andere Hd., mit eU), Briefkopf PROF. DR. H. VAIHINGER. | Halle a. S., d. … 190 | Reichardtstr. 15., Universitätsbibliothek Marburg, Ms. 831/1079
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- Physical LocationUniversitätsbibliothek Marburg, Ms. 831/1079
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Vaihinger an Paul Natorp, Halle, 26.1.1905, 3 S., hs. (andere Hd., mit eU), Briefkopf PROF. DR. H. VAIHINGER. | Halle a. S., d. … 190 | Reichardtstr. 15., Universitätsbibliothek Marburg, Ms. 831/1079
26. Jan[uar] 1905.
Verehrtester Herr Kollege!
Mit größtem Interesse habe ich soeben Ihren Artikel in der Frankf[urter] Zeitung über die Philosophie im Examen[1] gelesen. Ich stimme Ihren vortrefflichen Ausführungen voll und ganz zu und habe mich außerordentlich gefreut, diese ausgezeichneten und überzeugenden Ausführungen von Ihnen zu lesen, die ich glücklicherweise von einem Kollegen hier erhalten habe. Ich habe von jeher das Bestreben, die Philosophie aus dem Examen hinauszudrängen, ebenso scharf wie Sie verurteilt und habe auch in diesem Punkte mit dem von mir sonst hochverehrten Laas eine Differenz gehabt, welcher leider in Straßburg die Philosophie aus dem Examen selbst hinausbefördert hat genau mit denselben Ausdrücken, mit denen das der von Ihnen zitierte Eucken[2] verlangt. |
Es ist sehr zu wünschen, daß Ihre Ausführungen in weiteren Kreisen bekannt werden, und ich möchte Ihnen den Vorschlag machen, daß Sie Ihren Aufsatz als eigene kleine Broschüre[3] baldmöglichst erscheinen lassen.
Ich sage baldmöglichst: denn wie mir bekannt ist, und wie Sie ja wohl ebenfalls wissen, ist im Ministerium zu Berlin eine gewisse Strömung vorhanden, die Philosophie im Doktorexamen in Preußen zu eliminieren. Es ist sogar, wie ich weiß, Gefahr im Verzuge, und so wäre es sehr wünschenswert, daß Sie Ihren Artikel in der Frankfurter Zeitung umgehend an Althoff wie an Elster schicken[4] – was Sie ja wohl übrigens schon von selbst getan haben.
Ich glaube im Namen aller derjenigen Fachkollegen, welche mit Ihren Ausführungen einverstanden sind, für Ihr mannhaftes Auftreten (insbesondere gegenüber der ultramontanen Gefahr) in Ihrem Artikel danken zu dürfen und | zeichne mit vollkommener Hochachtung Ihr ergebenster
H. Vaihinger
P. S.
Vielleicht wäre eine gemeinsame Erklärung der Philosophieprofessoren[5] angezeigt – wenn Sie eine solche in die Wege leiten wollen, bin ich gleich dabei. Wie sie wol wissen, hat auch Deussen in demselben Sinne ein kleines Promemoire[6] aufgesetzt.[a]
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
1↑die Philosophie im Examen ] In: Frankfurter Zeitung, Nr. 24 u. 25. vom 24. u. 25.1.1905, jeweils Erstes Morgenblatt, S. 1–2. Die Debatte handelte über die Doktorexamen der Philosophischen Fakultät, mit (in Marburg bis 1912) obligatorischen Prüfungen im Nebenfach Philosophie.2↑zitierte Eucken ] vgl. Natorp: Die Philosophie im Examen. In: Frankfurter Zeitung, Nr. 24 vom 24.1.1905, Erstes Morgenblatt, S. 1: Im Feuilleton der „Frankfurter Zeitung“ vom 6. Januar wird die an manchen Universitäten (so in Marburg) bisher bestehende Forderung einer Prüfung in Philosophie im Doktorexamen der philosophischen Fakultät und selbst in der Prüfung für das Lehramt bekämpft. Da der Schreiber sich dabei auf die hochachtbare Autorität von Rudolf Eucken stützt, so sei es dem Fachmanne gestattet, seiner abweichenden Ansicht Ausdruck zu geben, damit nicht etwa die Vorstellung entstehe, daß die in dem Aufsatze vertretene Meinung die der Lehrer der Philosophie an unseren Hochschulen überhaupt sei. Mit Fußnote nach dem Namen Euckens: In den „Gesammelten Aufsätzen zur Philosophie und Lebensanschauung“ (Leipzig, Dürr, 1903, S. 237): „Wunderlicherweise erhält sich dabei an manchen Universitäten von der älteren Zeit her der Zwang, für die Promotion in der philosophischen Fakultät weitesten Sinnes eine Prüfung im Spezialfache der Philosophie zu bestehen, eine Einrichtung, die bei der veränderten Stellung der Philosophie ihren Grund verloren hat, die aber auch deshalb verwerflich ist, weil auf der höchsten Stufe der Bildung endlich einmal volle Freiheit herrschen sollte. Wie gering wird von der eigenen Anziehungskraft der Philosophie gedacht, wenn selbst hier erst der Zwang des Examens die Studierenden zu einiger, naturgemäß sehr oberflächlicher Beschäftigung mit ihr bringen müßte! Daher fort mit diesem Zwange; er wird umso überflüssiger sein, je mehr die Philosophie von vornherein als eine Hauptsache behandelt und dem Menschen innerlich nahe gebracht wird; sowie Natorp: Die Philosophie im Examen. In: Frankfurter Zeitung, Nr. 25 vom 25.1.1905, Erstes Morgenblatt, S. 1: Eucken tritt in dankenswerter Weise in seinem Aufsatze für die Wiederherstellung der philosophischen Propädeutik in den höheren Lehranstalten ein: kann er sich eine wirksame philosophische Propädeutik denken, wenn nicht alle Hauptfächer je von ihrer Seite mit darauf hinarbeiten?4↑an Althoff wie an Elster schicken ] d. h. den Entscheidungsträgern im Preußischen Unterrichtsministerium. Eine entsprechende Sendung scheint nicht abgeschickt worden zu sein, vgl. Paul Natorp an Unbekannt („Regierung“), ohne Datum, Universitätsbibliothek Marburg, Nachlass Paul Natorp, Ms. 831/1259, 1, Umfang 3 S. Beilage: 2 Zeitungsausschnitte „Feuilleton. Die Philosophie im Examen von P. Natorp“.6↑ein kleines Promemoire ] vgl. Paul Deussen: Über die Notwendigkeit beim mathematisch-naturwissenschaftlichen Doktorexamen die obligatorische Prüfung in der Philosophie beizubehalten. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Kiel: Lipsius & Tischer 1896. 15 S.▲