Bibliographic Metadata
- TitleHouston Stewart Chamberlain an Vaihinger, o. O. [Bayreuth], 14.2.1904, 2 S., hs., Briefentwurf, Richard Wagner Museum (Bayreuth), Chamberlain-Nachlass, Rot 196/466
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- Place and Date of Creation
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- Physical LocationRichard Wagner Museum (Bayreuth), Chamberlain-Nachlass, Rot 196/466
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Houston Stewart Chamberlain an Vaihinger, o. O. [Bayreuth], 14.2.1904, 2 S., hs., Briefentwurf, Richard Wagner Museum (Bayreuth), Chamberlain-Nachlass, Rot 196/466
Prof. Dr. H. Vaihinger
Halle a/S
Reichardtstrasse 15[a]
14/2/1904
Sehr g[eehrter] H[err]
Verzeihen Sie eine verspätete Antwort auf Ihren Brief vom 17. Januar[b][1]; zufällig drängte sich in diesen Wochen so vieles zusammen, dass ich bei der Knappheit der Zeit mich nicht täglich der Korrespondenz widmen kann, manches liegen lassen musste. Wenigstens habe ich den Aufruf[2] inzwischen an verschiedene Leute geschickt.
Der Empfang Ihres Briefes bedeutete zunächst eine grosse Enttäuschung; denn im vorigen Jahre hatte ich mich in einem längeren u. sehr eindringenden[c] Schreiben für Ihre Sache bei einem Mäcen verwendet[3], von dem ich bestimmt hoffen durfte, er würde den Kant-Studien[d] eine genügend reichliche Unterstützung zufliessen lassen. Nun gebot es die Diskretion, dass ich nicht erfahren durfte[e], wie seine Entscheidung ausfiel, u. ebensowenig durften Sie erfahren, dass ich dahinter steckte. Jetzt aber ersehe ich aus Ihren Mittheilungen, dass alle Mühe umsonst gewesen[4] ist. |
Und über die Kombination mit jenen beiden Damen aus dem Hochadel[5] schwebt auch eine unglückliche Konstellation! Innerhalb Jahresfrist haben da Umwälzungen stattgefunden. Die eine Dame ist in ganz andere Lebensverhältnisse gerathen u. dürfte nicht mehr so frei über Geld verfügen können, die andere aber hat in Folge jener Vorgänge nicht bloss mit jener Freundin gebrochen, sondern auch mit allen Denen, die treu zu ihr gestanden sind. Zu dieser Fürstin ist mir somit nunmehr der Zugang gewehrt; an die andere Dame habe ich sofort den Aufruf geschickt, jedoch bisher nichts von ihr danach gehört.
Mit der Versicherung besonderer Hochachtung Ihr sehr ergebener
Kommentar zum Textbefund
Kommentar der Herausgeber
2↑den Aufruf ] zur Gründung der Kantgesellschaft mit Kantstiftung, vgl. Vaihinger: An die Freunde der Kantischen Philosophie. Bericht über die Begründung einer „Kantgesellschaft“ und die Errichtung einer „Kantstiftung“ zum hundertjährigen Todestag des Philosophen. In: Kant-Studien 9 (1904), S. 344–350. Datiert 27. Januar 1904.3↑bei einem Mäcen verwendet ] vgl. die nachträgliche Beilage Chamberlains zu Vaihinger an Chamberlain vom 7.2.1903.4↑Mühe umsonst gewesen ] vgl. zu den Hintergründen (Gründung einer Kantgesellschaft mit von einzelnen Mäcenen unabhängiger Kantstiftung, halboffizielle staatliche Unterstützung) im Rückblick Vaihinger: Das Werden und die ersten Anfänge der Kantgesellschaft. In: Kreis von Halle 1 (1930/1931), Heft 1 von Juni/Juli 1931, S. 171–176: Die Idee der Begründung einer „Kantgesellschaft“ ist nicht von mir selbst ausgegangen. Vielmehr geht diese Idee auf den Verleger der „Kantstudien“ in den ersten drei Jahren, den Inhaber der Firma Leopold Voss, Verlagsbuchhändler Ernst Maaß, in Hamburg zurück. In demselben Verlage war früher eine der wichtigsten Ausgaben von Kants sämtlichen Werken erschienen. Das eben hatte mich veranlaßt, mich an diese Verlagsfirma zu wenden für die Übernahme der im Jahre 1896 von mir begründeten „Kantstudien“. Der Verleger seinerseits hatte das Risiko der Übernahme des Verlages der „Kantstudien“ nur darum gewagt, weil er die Hoffnung hatte, die damals von Dilthey begründete neue Ausgabe von Kants Sämtlichen Werken in seinen Verlag zu bekommen. Da dies aber nicht geschah, so verlor der Inhaber des Verlages Voss das Interesse an der Weiterführung der „Kantstudien“, deren damaliger Absatz seinen Erwartungen nicht entsprach. So kam er von sich aus zu der Idee, es sollte nach der Analogie der „Goethe-Gesellschaft“ eine Kantgesellschaft ins Leben gerufen werden. | Diese Idee gefiel mir an sich ganz gut, aber deren Ausführung lehnte ich damals ab […]. Einige Jahre später wurde der hundertjährige Todestag von Kant gefeiert […]. | Noch immer war die Abonnentenzahl der […] Kantstudien gering und unzureichend zu ihrem Bestand, worüber auch der Berliner Verlag Reuther und Reichert klagte, welcher seit 1900 die Kantstudien übernommen hatte. […] Wie ich in meiner Selbstdarstellung […] geschildert habe, schienen die Verhältnisse es mir nun zur unumgänglichen Pflicht zu machen, zum Zwecke der Förderung jener „Kantstudien“ eine „Kantstiftung“ ins Leben zu rufen, aus deren Mitteln die Zeitschrift gespeist werden sollte. Aber zum Zweck der besseren Förderung einer solchen „Kantstiftung“ erschien nun als weiteres Mittel die Begründung einer „Kantgesellschaft“ notwendig. | So erließ ich denn am 27. Januar 1904, nach Vorbesprechungen mit bewährten Freunden, einen Aufruf „An die Freunde der Kantischen Philosophie“. […] Schon vor dieser durch die „Kantstudien“ am 27. Januar erfolgten öffentlichen Bekanntmachung hatte ich den Hauptteil des Aufrufes privatim an einer Anzahl geeignet scheinender Adressen versendet. […] war es mir gelungen, noch vor dem 27. Januar als Stiftungsfonds 9185 Mark zusammen zu bringen […] und das trug natürlich dazu bei, weitere opferfreudige Dauermitglieder zu gewinnen […]. [Gründungsversammlung am 22.4.1904 in Halle, Reichardtstraße 15:] Die Sammlungen für den Dauerfonds der „Kantstiftung“ hatten schon die Höhe von 15 000 Mark erreicht: diese Summe wurde dem Kurator der Universität Halle als Eigentum der letzteren übergeben. […] Einzig und allein der Fürsprache des Kurators G. Meyer ist es auch zu verdanken, daß der damalige „Minister für geistliche, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten“ […] der Kantstiftung resp. der Kantgesellschaft in einem Schreiben vom 11. Februar 1904 die Summe von 2500 Mark überwiesen hat. Das lebhafte Interesse, welches die Preußische Regierung an der Gründung und Entwicklung der Kantgesellschaft nahm, ist ein ehrender Beweis für das Verständnis dieser hohen Stelle für das Zustandekommen des ganzen Unternehmens. […] In dem Bericht über das erste Geschäftsjahr 1904 wurde […] auch erwähnt, daß die Kantgesellschaft sogleich ihre Tätigkeit nicht bloß auf die Dotierung der „Kantstudien“ und eine angemessene Honorierung der wissenschaftlichen Mitarbeiter beschränkte, sondern sofort die Ausschreibung einer philosophischen Preisaufgabe in Angriff nahm […]. Die Kantstiftung war unterdessen [1905] auf 31 700 Mark gestiegen […], so daß nun eine wichtige Einrichtung getroffen werden konnte. Wie […] mitgeteilt werden konnte, wurde jetzt die Herausgabe von „Ergänzungsheften zu den Kantstudien“ beschlossen.▲