Bibliographic Metadata
- TitleVaihinger an Friedrich Jodl, Halle, 9.2.1897, 3 S., hs., Briefkopf Prof. Dr. Vaihinger – Redaction der „Kantstudien“ – Halle a. S., Wienbibliothek im Rathaus, Wien, H.I.N.-133501
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- Physical LocationWienbibliothek im Rathaus, Wien, H.I.N.-133501
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Vaihinger an Friedrich Jodl, Halle, 9.2.1897, 3 S., hs., Briefkopf Prof. Dr. Vaihinger – Redaction der „Kantstudien“ – Halle a. S., Wienbibliothek im Rathaus, Wien, H.I.N.-133501
9.II.97.[a]
Hochgeehrter Herr College!
Mit großem Interesse[b] habe ich den Artikel[1] gelesen: „Hundert Jahre nach Kant“, der von Ihnen in der Neuen Freien Presse erschienen ist. Der Schluß des Artikels hat nun mein besonderes Interesse erregt: Sie stellen eine Darstellung Kants als wünschenswerth hin, in der seine Wesensverwandtschaft mit der Aufklärung und dem modernen Monismus besonders herausgehoben würde: Sie haben eine andere Anschauung von dem geistigen Koloß, | als der Durchschnittskantianer; Sie deuten an, wie Kant Ihnen von Ihrem Standpunkt aus erscheint: als Vorgänger der modernen Anschauung.
Es würde gewiß der Sache sehr dienlich sein, wenn Sie die am Schluß Ihres Aufsatzes angedeuteten Gedanken weiter ausführen würden, und die „Kantstudien“ würden gewiß nur gewinnen durch solche Betrachtung. So bin ich denn so frei, es Ihnen nahezulegen[c], ob Sie nicht es ins Auge fassen wollten, jene angedeuteten Gedanken in den „Kantstudien“ weiter auszuführen[2], deren Programm, wie Sie wissen, ja durchaus kein einseitiges ist. Artikel mit systematischer Tendenz sind als Gegengewicht gegen[d] die blos historischen Artikel ganz besonders willkommen. |
An einer Stelle Ihres Aufsatzes sprechen Sie von der „tiefen Abneigung“ Goethe’s[e] gegen Kant[3]: in dem Aufsatz von Vorländer[4] über Goethes Verhältniß zu Kant in den „Kantstudien“ ist gezeigt, daß diese allerdings häufig verbreitete Auffassung historisch nicht richtig ist. Vielleicht nehmen Sie Gelegenheit, den allerdings noch nicht abgeschlossenen Aufsatz von Vorländer darauf hin einzusehen: der Schluß desselben erscheint im nächsten Heft.
Mit Vergnügen habe ich Ihre Psychologie[5] gesehen und gratulire Ihnen zu dieser schönen Arbeit.
Mit collegialem Gruß und in der Hoffnung, Sie auch einmal als Mitarbeiter der „Kantstudien“ begrüßen zu dürfen, Ihr ergebener
H. Vaihinger.
Kommentar zum Textbefund
a↑9.II.97. ] darunter von Jodls Hd.: be[antwortet, danach Erledigungshäkchen] 20.II.97.; vgl. Jodl an Vaihinger vom 20.2.1897.Kommentar der Herausgeber
1↑den Artikel ] vgl. Jodl: Hundert Jahre nach Kant. In: Neue Freie Presse, Nr. 11637 vom 15.1.1897, Morgenblatt, S. 1–4 (vgl. https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nfp&datum=18970115 (22.8.2024)); vgl. Kronenberg an Vaihinger vom 19.1.1897.2↑in den „Kantstudien“ weiter auszuführen ] Jodl hat nicht in der Zeitschrift Kant-Studien veröffentlicht; vgl. Jodl an Vaihinger vom 20.2.1897.4↑Aufsatz von Vorländer ] vgl. Karl Vorländer: Goethes Verhältnis zu Kant in seiner historischen Entwicklung. In: Kant-Studien 1 (1896/1897) S. 60–99 u. 315–351 sowie in Kant-Studien 2 (1898), S. 161–211.▲